Vorsorge-Koloskopien: Gibt es eine Altersgrenze?
Kontrollkoloskopien detektieren bei älteren Menschen selten Darmkrebs. Gibt es ein Alter, ab dem der Nutzen die Risiken möglicherweise nicht mehr rechtfertigt?
Wie alt ist möglicherweise zu alt für Kontrollkoloskopien?
- In einer aktuellen Studie wurde im Rahmen von Kontrollkoloskopien bei älteren Menschen selten Krebs entdeckt, unabhängig davon, ob zuvor ein Adenom gefunden wurde
- Die sehr niedrige Inzidenz des kolorektalen Karzinoms bei älteren Menschen mit Adenomen in der Vorgeschichte (sowohl fortgeschritten als auch nicht fortgeschritten) deutet darauf hin, dass es ein Alter gibt, in dem die Risiken der Koloskopie den Nutzen übersteigen
- die Entscheidung sollte die Lebenserwartung des Patienten und die seltenen, aber bekannten Risiken einer Koloskopie berücksichtigen, die mit Alter und Komorbiditäten steigen
Sollten wir bei älteren Patienten mit Folgekoloskopien zurückhaltender sein?
In FOBT (Fecal Occult Blood Test)-Studien zur Früherkennung waren nur Menschen bis 75 Jahren eingeschlossen2 und frühere Studien zur Effizienz der Vorsorgekoloskopie in älteren Bevölkerungsgruppen haben widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Die US Preventive Task Force rät von einer Vorsorge/ Früherkennung bei über 85-Jährigen ab und hält fest, dass Vorsorgeuntersuchungen bei Personen zwischen 76 und 85 Jahren nicht routinemäßig durchgeführt werden sollten, aber in individuellen Fällen angedacht werden können.2
Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten US-amerikanischen Querschnittsstudie3 deuten darauf hin, dass ältere Menschen mit Adenomen, die als hochgradig gefährdet für ein kolorektales Karzinom gelten, in Wirklichkeit doch kein sehr hohes Risiko aufweisen und dass Kontrolluntersuchungen möglicherweise auf Personen mit einer Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren beschränkt werden sollten.4
KRK-Detektion steigt nicht mit dem Alter
Unter 9.740 Kontrollkoloskopien von 9.601 Erwachsenen zwischen 70 und 85 Jahren mit einem kolorektalen Adenom-Befund in der Vorgeschichte lag die Detektionsrate eines kolorektalen Karzinoms durch Folgekoloskopie im Mittel bei 0,3 Prozent. Fortgeschrittene Adenome und Neoplasien wurden etwas häufiger festgestellt (11,7 respektive 12 Prozent). Die Raten für beides waren bei Patienten mit fortgeschrittenen Adenomen in der Anamnese höher als bei Patienten ohne: KRKs wurden bei 0,5 vs. 0,2 Prozent und fortgeschrittene Neoplasien bei 16,5 vs. 10,6 Prozent gefunden. Die Erkennungsraten unterschieden sich jedoch nicht zwischen den Altersgruppen, nahmen also mit dem Alter nicht signifikant zu.3
Was mit dem Alter allerdings zunimmt, sind die möglichen Risiken einer Darmspiegelung, insbesondere bei Personen ab 75 Jahren. Hierzu gehören Herzinfarkt, Schlaganfall, sedierungsbedingte unerwünschte Ereignisse (z.B. Aspirationspneumonie), Blutungen, Infektionen und Perforation.4
Mit dem Befund einer fortgeschrittenen Neoplasie bei der Kontrollkoloskopie waren als modifizierbare Faktoren ein Body-Mass-Index von 30 oder höher und Rauchen/ Ex-Rauchen assoziiert.
Nutzen von Vorsorgekoloskopien bei älteren Erwachsenen in Frage gestellt
Für viele ältere Erwachsene, insbesondere diejenigen mit einem nicht fortgeschrittenen Adenom in der Vorgeschichte, rechtfertigt die niedrige Rate der Darmkrebsdetektion bei der Nachuntersuchung möglicherweise nicht die potenziellen Schäden und Belastungen der Koloskopie, schließen die Studienautoren.3 Fortgeschrittene Adenome selbst sind nicht bedrohlich und bei den wenigen Läsionen, die sich zu invasivem Krebs entwickeln, dauert dieser Prozess mehrere Jahre, geben sie zu bedenken. Profitieren könnten eventuell diejenigen mit einer prognostizierten Lebenserwartung von 10 oder mehr Jahren ohne signifikante Begleiterkrankungen, insbesondere bei vorbekanntem fortgeschrittenem Adenom.
Eine von der hier vorgestellten Arbeit unabhängige, 2023 publizierte Kohortenstudie an 9.831 älteren Menschen berichtete ebenfalls niedrige Detektionsraten für KRKs und fortgeschrittene Polypen, unabhängig von der Lebenserwartung.1 Dennoch wurde 58,1 Prozent der älteren Erwachsenen mit einer Lebenserwartung von weniger als 5 Jahren empfohlen, zu einer zukünftigen Kontrollkoloskopie zu erscheinen.
Sowohl 80-jährige Männer als auch Frauen in den USA haben eine Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren.4 Jüngere Menschen mit Begleiterkrankungen fallen ebenfalls in diese Gruppe.4 Wahrscheinlich würden nur wenige von ihnen von der Erkennung und Entfernung von Polypen profitieren, so die Studienautoren.3 Bei Patienten ohne Läsionen könnte eine mögliche Altersgrenze für den Nutzen von Vorsorgekoloskopien entsprechend niedriger sein.4
Weitere Informationen aus dem Fachgebiet Gastroenterologie
- Calderwood, A. H., Tosteson, T. D., Wang, Q., Onega, T. & Walter, L. C. Association of Life Expectancy With Surveillance Colonoscopy Findings and Follow-up Recommendations in Older Adults. JAMA Intern Med 183, 426–434 (2023).
-
S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom.
- Lee, J. K. et al. Surveillance Colonoscopy Findings in Older Adults With a History of Colorectal Adenomas. JAMA Network Open 7, e244611 (2024).
-
Screening for Colon Cancer in Older Adults. Neil Kurtzman (2024).
letzter Zugriff auf Websites: 18.04.24