Perinatale Metallexposition in Milchzähnen bei späteren IBD-Patientinnen und -Patienten

Eine Untersuchung von zwölf portugiesischen Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (IBD) und 16 IBD-freien Kontrollpersonen hat gezeigt, dass IBD-Erkrankte perinatal einer statistisch signifikant erhöhten Metall-Zufuhr ausgesetzt waren.

Mögliche Ursache von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Eine Untersuchung von zwölf portugiesischen PatientInnen mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (IBD) und 16 IBD-freien Kontrollpersonen hat gezeigt, dass IBD-Erkrankte perinatal einer statistisch signifikant erhöhten Metall-Zufuhr ausgesetzt waren.1

Nach Aussage der US-amerikanischen Autoren um Nilendra Nair von der Abteilung für Genetik der Icahn School of Medicine in New York, USA, handelt es sich bei der Untersuchung um die weltweit erste Studie ihrer Art. Die Forschenden wiesen bei ihren IBD-Probanden durch die massenspektroskopische Analyse von erhaltenen Milchzähnen eine erhöhte perinatale Aufnahme der Metalle Blei (Pb), Kupfer (CU), Zink (Zn) und Chrom (Cr) im Vergleich zu den Kontrollpersonen nach(vgl. Fig. 1).

Die genannten Metalle seien mit Ausnahme von Chrom bereits in früheren Veröffentlichungen mit lokalen und systemischen immunologischen Veränderungen, erhöhter Durchlässigkeit der Darmwand sowie metabolischen Veränderungen in Verbindung gebracht worden. Die AutorInnen halten es daher für gerechtfertigt, die Assoziation von IBD und erhöhter perinataler Metallexposition als möglichen Entstehungsfaktor von IBD zu untersuchen und zu diskutieren.

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Abb. 1: Assoziation von perinataler Metallkonzentration und späterer IBD-Erkrankung auf Grundlage eines Distributed Lag Modells1. Die schwarzen Linien zeigen die zeitlich variable Assoziation von standardisierter Metallkonzentration und IBD-Status. Werte größer Null von schwarzer Linie und 95%-Konfidenzintervall (blaues Band) weisen auf eine statistisch signifikant höhere Metallaufnahme der IBD-PatientInnen im Vergleich zu den Kontrollen im entsprechenden Zeitraum hin. Werte kleiner Null zeigen entsprechen eine statistisch signifikant reduzierte Metall-Aufnahme an.

PortugiesInnen bewahren Milchzähne auf

Die StudienautorInnen weisen ausdrücklich darauf hin, dass ihre Untersuchung auf Teilnehmende aus einer einzigen, portugiesischen Provinz beschränkt war. In Portugal würden ausgefallene Milchzähne traditionell aufbewahrt. Dank dieser Praxis sei es möglich gewesen, Milchzähne von allen 28 Teilnehmenden zu erhalten und für die Studie auszuwerten.

Die Forschenden nutzten dabei die zeitliche Stabilität der Konzentration metallischer Einlagerungen in den Zähnen. Metall-Einlagerungen können aufgrund der mit der Geburt fixierten Neonatallinie und sich täglich ausprägender Wachstumslinien darüber hinaus zeitlich präzise zugeordnet werden (vgl. Figure 2).

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Die Analyse des Metallgehalts in den Proben erfolgte mittels Laser-Ablation der Milchzähne und nachfolgender Massenspektroskopie. Um unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeiten zwischen den Probanden zu berücksichtigen, wurden die gewonnenen Werte zusätzlich in Relation zum ebenfalls abgelagerten 43Ca gesetzt. Somit lagen alle Metallkonzentrationen bezogen auf das relative Zahnwachstum vor und konnten dadurch unmittelbar miteinander verglichen werden.

Metallexposition als Risikofaktor der IBD-Entstehung?

Die 28 StudienteilnehmerInnen (79% weiblich) hatten zum Untersuchungszeitpunkt ein mittleres Alter von 26,6 ± 8,1 Jahren. Auffällige Unterschiede zwischen den IBD-Erkrankten und den Kontrollen fanden sich hinsichtlich der Metalle Pb, Cu, Zn und Chrom, wobei die IBD-PatientInnen grundsätzlich mehr Metall absorbiert hatten als die Kontrollen, wenngleich die Absorption in unterschiedlichem Ausmaß und zu perinatal unterschiedlichen Zeiträumen erfolgte (vgl. Tab 1).

Tab. 1: Zeiträume signifikanter Metall-Konzentrationserhöhungen die mit späterer IBD assoziiert waren (nach 1)

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Die AutorInnen der aktuellen Studie betonen selbst die Beschränkungen ihrer Untersuchung. So sei die Anzahl der untersuchten Fälle zu klein und vor allem regional zu limitiert, um die gewonnenen Ergebnisse global verallgemeinern zu können. Auffällig bleibe die Assoziation von Metallexposition und späterer IBD jedoch schon allein, weil hiermit bislang unbekannte Umweltfaktoren als potenziell bedeutsam für die Entstehung von IBD identifiziert würden. Die Zunahme von IBD-Erkrankungen verlange geradezu nach der Untersuchung von Umwelteinflüssen auf die Genese und den Verlauf dieser Erkrankungen. Mit der vorliegenden Untersuchung werde ein Weg gewiesen, wie perinatale Einflüsse auf die Krankheitsentstehung untersucht werden könnten. Festzuhalten blieben dabei die beobachteten Einflussgrößen, die – mit Ausnahme des Chroms – bereits in frühere Forschungsarbeiten mit

Die Forschenden fordern daher dazu auf, ihre Ergebnisse in größerem Maßstab zu überprüfen und auf andere Weltregionen, insbesondere solche mit stark ansteigenden IBD-Fallzahlen zu erweitern. 

Referenzen:
1. Nair N, et al. Association Between Early-life Exposures and Inflammatory Bowel Diseases, Based on Analyses of Deciduous Teeth. Gastroenterology 2020; e-published before print. https://www.gastrojournal.org/article/S0016-5085(20)30391-7/pdf