Nicht jede Bronchiolitis ist tatsächlich eine

Untere Atemwegsinfekte sind bei Kindern häufig viraler Genese – das schleichende Auftreten von Symptomen, die sich nicht bessern, sollte bei Babys aber frühzeitig an eine andere Differenzialdiagnose denken lassen.

Daran denken: das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist nur eine Ursache für Bronchiolitis  

Ein acht Wochen alter, männlicher Säugling wurde im November mit einer bereits 4-wöchigen Anamnese von Husten, Nasenobstruktion und intermittierender Luftnot im Krankenhaus vorgestellt. In den vorangegangenen zwei Wochen hatten die Eltern bereits zweimal ein Krankenhaus mit ihm aufgesucht, wo er beide Male aufgrund der Klinik und der Jahreszeit mit der Diagnose einer Bronchiolitis und einem Ipratropiumbromid-Spray entlassen wurde. Das Nasen-Rachen-Aspirat war zwar negativ für respiratorische Viren, dies führte aber nicht zur Infragestellung der Diagnose, da es zu Beginn der Saison nicht ungewöhnlich ist, dass bei Säuglingen mit einem klinischen Bild einer Bronchiolitis kein Virus nachgewiesen wird. Laut Studien erreicht die bei Bronchiolitis am häufigsten verwendete Nachweismethode der Immunfluoreszenz eine Sensitivität von 69–93%. "Eine RSV-negative Bronchiolitis ist daher eine allgemein akzeptierte Diagnose", schreibt das Autorenteam eingangs der Fallvignette.

Das Baby war nach unauffälliger Schwangerschaft reif geboren und bis zur vierten Lebenswoche (dem Beginn der Symptome) gesund gewesen. Sein Zustand besserte sich jedoch nicht. Der Husten verschlimmerte sich und Atemnot mit beidseitigem Knistern und Giemen traten hinzu. Fieber, Trinkschwäche oder Sauerstoffbedarf bestanden zu keiner Zeit. Das C-reaktive Protein war auf 121 mg/l erhöht und nachdem die Nasenspülflüssigkeit weiterhin negativ für Viren war (RSV, Influenza A und B, Parainfluenza und Adenoviren), erfolgte eine Abklärung auf atypische Ursachen unterer Atemwegsinfekte. Per PCR aus Nasen-Rachen-Aspirat konnte schließlich die Diagnose einer Chlamydia trachomatis-Infektion gesichert werden, woraufhin eine 5-tägige Behandlung mit Azithromycin initiiert wurde. Hierunter kam es zur vollständigen Erholung.

Bis zu einem Fünftel der Fälle von anderen Erregern verursacht

Bakterielle Erreger, resümiert das Autorenteam der Kasuistik, sollten ebenfalls berücksichtigt werden, da diese (je nach Studienquelle) 7–20% der Infektionen der unteren Atemwege ausmachen. Insbesondere Chlamydien-Arten (C. trachomatis, C. pneumonia und C. psittaci) sind in Industrienationen für immerhin 1–3% der ambulant erworbenen Pneumonien verantwortlich. Der Fallbericht gibt ebenfalls zu bedenken, dass – wie bei vielen Erkrankungen auch – das Bewusstsein für neue Erreger geschärft werden muss. Als Pneumonieerreger wurden unter anderem auch Parachlamydia acanthamoebae identifiziert.3

Ein schleichendes Einsetzen der Symptome und fehlendes Fieber werden als charakteristische Merkmale der C. trachomatis-Pneumonie beschrieben, obwohl Säuglinge in dieser Altersgruppe auch mit RSV seltener Fieber haben als ältere Kinder.

Abschließende Praxis-Botschaften

Wird bei einem Baby eine Chlamydieninfektion gefunden, sind beide Elternteile zu screenen. Chlamydien gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) in Europa: in einer britischen Studie lag sie bei Frauen zwischen 30 und 34 Jahren mit 34% und bei Männern zwischen 35 und 39 Jahren mit 19% am höchsten.4 Erschreckende 77% der seropositiven 16- bis 24Jährigen waren bislang unerkannt. Kein Wunder, denn die urogenitale Infektion verläuft bei 70–80% der Frauen und 50 % der Männer symptomlos.5 Unbehandelte Schwangere können die Infektion bei der Entbindung auf den Säugling übertragen. Babys von C. trachomatis-positiven Müttern haben eine etwa 40–50%ige Wahrscheinlichkeit, eine Bindehautentzündung zu entwickeln, und eine 10%ige Chance, eine Lungenentzündung zu bekommen.2

Koinfektionen mit C. trachomatis und RSV sind ebenfalls beschrieben, daher ist es selbst bei positivem RSV-Befund wichtig, diese Möglichkeit bei entsprechendem Kontext nicht unberücksichtigt zu lassen. Beinahe wie zur Bekräftigung dieser Botschaft, kam es auch im beschriebenen Fall dazu, dass das Kind 6 Wochen später erneut Husten und Atemnot entwickelte, diesmal fiel der Test auf RSV positiv aus. Im Laufe einiger Tage erholte das Kind sich vollständig und hatte keine weiteren Probleme.

Das 'British Medical Journal', welches diese Fallvignette in seine Sammlung aufgenommen hat, schließt: "Dieser Fall ist eine nützliche Erinnerung daran, dass nicht jeder Husten während der Hochsaison für Bronchiolitis unbedingt eine Bronchiolitis ist. Obwohl selten, erinnert uns die Ursache bei diesem jungen Patienten daran, dass man, wenn etwas Unerwartetes passiert, als erstes die ursprüngliche Diagnose in Frage stellen sollte."6

Quellen:
  1. Justice, N. A. & Le, J. K. Bronchiolitis. in StatPearls (StatPearls Publishing, 2022).
  2. Naidoo, R. V. & Bryant, P. A. Not every cough in bronchiolitis season is bronchiolitis. Case Reports 2009, bcr0420091780 (2009).
  3. Greub, G. Parachlamydia acanthamoebae, an emerging agent of pneumonia. Clin Microbiol Infect 15, 18–28 (2009).
  4. Woodhall, S. C. et al. Chlamydia trachomatis Pgp3 Antibody Population Seroprevalence before and during an Era of Widespread Opportunistic Chlamydia Screening in England (1994-2012). PLoS ONE 12, (2017).
  5. RKI - Chlamydia trachomatis - Chlamydien-Laborsentinel. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/C/Chlamydia_trachomatis/Chlamydien-Laborsentinel.html.
  6. Not every cough in bronchiolitis season is bronchiolitis. BMJ Case Reports blog https://blogs.bmj.com/case-reports/2009/09/03/not-every-cough-in-bronchiolitis-season-is-bronchiolitis/ (2009).

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