HIV-Impfung: Ein Schritt in die richtige Richtung dank COVID-19-Vakzinen?
Die Möglichkeiten zur Impfstoffherstellung wurden dank der Entwicklung von mRNA-Vakzinen gegen COVID-19 dauerhaft revolutioniert. Wie lässt sich dieses Wissen auch bei der Suche nach einer HIV-Schutzimpfung nutzen?
HIV-Impfung in Kürze
- Obwohl der Einsatz von mRNA die Impfstoffherstellung revolutioniert hat, ist die Entwicklung einer HIV-Vakzine noch nicht absehbar.
- mRNA hat die Impfstoffproduktion signifikant schneller und kosteneffizienter gemacht.
- Die Finanzierung bleibt ein wichtiger Faktor, der maßgeblich die Markteinführung neuer Vakzinen beeinflusst; 8- bis 10-mal mehr Geld als in die Erforschung einer HIV-Schutzimpfung wurde in die Entwicklung der COVID-19-Impfstoffe investiert.
- Der Stellenwert der Pharmaindustrie und die Zusage der Regierungen, innovative Vakzinen zu erwerben, sollte nicht unterschätzt werden.1
Impfstoffe: Von schneller Markteinführung bis jahrzehntelanger Forschung
Die Entwicklung eines Impfstoffes ist ein langwieriges und schwieriges Unterfangen. Wohingegen es nur ein Jahr dauerte, bis eine Schutzimpfung gegen COVID-19 auf den Markt kam, wird seit nunmehr 32 Jahren an einer Vakzine gegen HIV gearbeitet – bisher ohne Erfolg, auch wenn schon vielversprechende Forschungsansätze vorliegen.1
Virus ist nicht gleich Virus
Es stellt sich die Frage, warum es so viel komplexer ist, einen Impfstoff gegen HIV als gegen SARS-CoV-2 herzustellen. Die Antwort hierauf gibt Prof. Dr. med. Morris: Es liegt an fundamentalen Unterschieden zwischen beiden Viren. Während COVID-19 eine akute Viruserkrankung ist, die das Abwehrsystem nach einiger Zeit bekämpfen kann, ist AIDS eine chronische, persistierende Erkrankung, bei der sich der Erreger in die DNA integriert. Des Weiteren ist das HI-Virusgenom weit mutagener als das von SARS-CoV-2.
Das Hauptproblem liegt aber an der Immunantwort, speziell auf das HIV-Envelope-Glykoprotein. Die neutralisierenden Antikörper (AK), die durch eine Immunisierung steigen sollen, treten bei HIV erst nach Jahren und auch nur bei einer Minderheit der Betroffenen auf. Bei COVID-19 hingegen produzieren fast alle Personen innerhalb weniger Wochen derartige AK.1
HIV: AK-Anstieg dank VLPs
Obwohl sich das Bestreben, eine HIV-Vakzine zu entwickeln, schwierig gestaltet, gibt es schon erste Erfolge zu verzeichnen.1 So konnte bereits in einer präklinischen Studie von Zhang et al. gezeigt werden, dass durch die Verabreichung von auf mRNA basierenden Virus-ähnlichen Partikeln (virus-like-particles, VLPs) die AK-Produktion im Tierexperiment deutlich stieg.2 Obwohl die VLPs nicht annähernd so wirksam bei AIDS wie ein mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 sind, sind diese Ergebnisse dennoch ermutigend und könnten dabei helfen, eine stärkere und dauerhafte Immunantwort bei einer HIV-Infektion zu erzielen.3
Immunisierung gegen HIV braucht mehr als eine Standardimpfung
Trotz der positiven Studiendaten darf aber nicht vergessen werden, dass das Hauptproblem für die Impfstoffforschung die Struktur des HIV-Envelope-Glykoproteins ist. Aufgrund der jahrelangen Dauer, die es benötigt, bis Infizierte neutralisierende AK produzieren, kann von einer Co-Evolution zwischen Virus und AK ausgegangen werden. Dies lässt die Hypothese zu, dass ein HIV-Impfregime diesen Gegebenheiten anzupassen ist. Das Immunsystem muss sozusagen trainiert werden, die AK selber herzustellen – und zwar während der gesamten Erkrankungszeit. Die Konsequenz ist, dass man eine Vielzahl unterschiedlicher Vakzinen entwickeln und mehrfache Immunisierungen verabreichen muss. Insgesamt also ein komplexeres Vorhaben, als sonstige Impfschemata.1
Fazit zum HIV-Impfstoff
Die mRNA-Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 hat uns einiges gelehrt. Besonders, wie wichtig eine parallele bzw. gleichzeitige Herangehensweise ist, betonte Prof. Dr. med. Morris: Neben der Forschung, Produktion und Zulassungsprozessen müsse die Finanzierung gesichert sein. Zudem brauche es die Garantie, dass die Länder neue Schutzimpfungen auch erwerben.1 Ob die Erkenntnisse aus der mRNA-Forschung zur Entwicklung einer HIV-Vakzine führen werden, bleibt abzuwarten.
Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Kongress-Seite zur AIDS 2022.
Über Neuigkeiten zu HIV und anderen Infektionskrankheiten sprachen auch die Referenten beim STI-Kongress 2022. Hier finden Sie die Berichterstattung zum STI-Kongress 2022.
Referenzen:
- Morris, Lynn. Prof. Dr. med., Universität von Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika. Vortrag: Introduction to mRNA for HIV vaccine. Sitzung: Will mRNA lead to a long-awaited HIV vaccine?, AIDS Kongress 2022, Montreal, 30.07.2022.
- Zhang, P., Narayanan, E., Liu, Q. et al. A multiclade env–gag VLP mRNA vaccine elicits tier-2 HIV-1-neutralizing antibodies and reduces the risk of heterologous SHIV infection in macaques. Nat Med 27, 2234–2245 (2021). https://doi.org/10.1038/s41591-021-01574-5.
- Morris, L. mRNA vaccines offer hope for HIV. Nat Med 27, 2082–2084 (2021). https://doi.org/10.1038/s41591-021-01602-4.