Es ist wieder so weit. Winter is coming. Und auch dieses Jahr wurde intensiv nach einer Universal-Grippeimpfung gesucht. Die aktuell erhältlichen Impfstoffe sind bisher noch nicht effektiv genug und werden aufgrund des viralen Antigendrifts jährlich erneuert. Diesen Sommer wurde ein neuer Impfstoff-Kandidat in der Fachzeitschrift Nature vorgestellt.
Der an Versuchstieren getestete neue Impfstoff ist erfolgsversprechend: Er soll viel effektiver als die bisher angewandten Impfstoffe eine Grippeninfektion nachahmen. Außerdem wird weniger "gepickst". Statt jährlich könnten nur noch wenige Impfungen pro Menschenleben notwendig sein, um die gewünschte schützende Immunisierung zu erreichen.1
Das virale Hämagglutinin (HA) stellt eine geeignete Zielstruktur für die Entwicklung eines Universal-Impfstoffes dar. Das Oberflächenantigen Hämagglutinin ist eines von insgesamt drei integralen Membranproteinen im Virion des Influenzavirus. Die Funktion des Glykoproteins Hämagglutinin ist wie der Name schon sagt zum einen die Verklumpung von Erythrozyten (Hämagglutination). Zum anderen spielt das fusogene Protein eine wichtige Rolle bei der Anheftung des Influenzavirus an die Wirtzelle. Im Zellinneren angelangt vermittelt es durch die Endosomenmembran hindurch die Einschleusung der entscheidenden Virusbestandteile in das Zytosol der Zielzelle.2
Das Neue am Universal-Grippeimpfstoff: Er hat nicht nur die Kopfregion, sondern auch die Stielregion des Hämagglutinins zur Zielstruktur. Der Stiel des Hämagglutinins unterscheidet sich zwischen den unterschiedlichen Influenzasubtypen kaum und stellt damit die ideale Zielstruktur für den Universal-Grippeimpfstoff dar.1
Der neue potentielle Impfstoff besteht aus modifizierter, gereinigter mRNA, die in Lipidnanopartikel (LNP) gepackt wurde. Im Tiermodell überzeugt der neue experimentelle Impfstoff und löst die gewünschte starke Abwehrreaktion aus. Im murinen Tiermodell schützt der Universal-Grippeimpfstoff bereits vor einer Grippeinfektion durch die unterschiedlichen Influenza-Stämme.2
Die Immunogenität des mRNA-LNP-Impfstoffes (A/California/07/2009 (H1N1) (A/Cal09)) hat die Forschungsgruppe auf folgende Weise untersucht: Die Mäuse wurden entweder zweimal (im Abstand von 4 Wochen) mit 3, 10 oder 30 µg des mRNA-LNP-Impfstoffes intradermal oder mit 90 µg des mRNA-LNP-Impfstoffes intramuskulär geimpft. Die Kontrollgruppe erhielt als Placebo-Impfung lediglich 30 µg (intradermal) oder 90µg (intramuskulär) poly(C)-RNA- Lipidnanopartikel. Anschließend wurde die Antikörperproduktion nach Impfung gemessen. Bereits eine einzige Impfung mit dem neuen Impfstoff führte zu einer effektiven Immunantwort gegen die globuläre Kopfregion des Hämagglutininmoleküls. Dies konnte per Hämagglutinationshemmtest gezeigt werden. Höhere Impfdosen gingen mit höheren Hämagglutinationshemmtest-Titern einher. Zwischen intradermaler und intramuskulärer Impfung zeigten sich nur dezente Unterschiede in der Immunreaktion. Die zweite Impfung führte wie erwartet zum Anstieg der Hämagglutinationshemmtest-Titer auf bis zu 1:1.280 bis 1:20.480 in der 8. Woche nach Impfung.2
Mittels ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) konnte die Forschungsgruppe auch die Antikörperreaktion gegenüber der Stielregion des Grippevirus quantifizieren. Virus-Stiel-reaktive Antikörper binden sowohl das full-length A/California/07/2009 HA- als auch H6/1 cHA-Konstrukt. Dies war auch in der Studie der Fall. Bereits nach der 1. Immunisierung konnte eine starke Antikörperbindung gemessen werden. Diese Bindung konnte durch die Boosterimpfung deutlich verstärkt werden. Das anti-HA-Antiköperlevel blieb über 30 Wochen nach Impfung unverändert hoch. Auch die CD4-T-Zellantwort nach Impfung überzeugte die Forschungsgruppe von der Wirksamkeit des neuen Universal-Impfstoffes. Die Mäuse wurden hierfür zuvor mit 30 µg des mRNA-LNP-Impfstoffes einmal immunisiert und nach 12 Tagen die CD4-T-Zellantwort (Zytokinproduktion) gemessen. Die Forschungsgruppe untersuchte den Impfstoff auch bei Kaninchen und Frettchen. Auch hier zeigte sich die gewünschte Stielregion-spezifische Immunreaktion nach Impfung.2 Wie das Ganze beim Menschen aussieht, bleibt abzuwarten. Wir sind gespannt auf die weiteren Studien.
Im Beitrag nächste Woche erfahren wir, welches Potenzial Neuraminidase-Antigene zur Entwicklung eines Universal-Grippeimpfstoffes besitzen.
Umfassende Informationen und Materialien zum Thema finden Sie im esanum Infocenter Impfen.
Referenzen:
1. Pardi N. et al. (2018). Nucleoside-modified mRNA immunization elicits influenza virus hemagglutinin stalk-specific antibodies. Nature Communications, volume 9, Article number: 3361 (2018).
2. Gamblin S. J. et al. (2010). Influenza Hemagglutinin and Neuraminidase Membrane Glycoproteins. J Biol Chem. 2010 Sep 10; 285(37): 28403–28409.