Letzte Woche hat uns eine interessante Studie Hoffnung auf Grippefreiheit gemacht. Im Tiermodell hat der Universal-Impfstoff A/California/07/2009 (H1N1) (A/Cal09) bereits überzeugende Ergebnisse geliefert. Frettchen, Kaninchen und Mäuse können sich als erste Säugetiere schon glücklich schätzen, dieses Jahr von einer fiesen Grippe verschont zu bleiben.
Das sich ständig verändernde Hämagglutinin hatte bisher eine jährliche Erneuerung der Impfstoffe gefordert. Die Verwendung der Stielregion als Zielstruktur verspricht eine Reduktion der Impfungen pro Menschenleben. Der mRNA-LNP-Impfstoff löst eine starke Antikörperreaktion gegen Kopf- und Stielregion des Grippevirus aus. Er packt den Virus buchstäblich am Stiel und macht kurzen Prozess mit ihm und all seinen Subtypen. Im Tierexperiment korrelieren höhere Impfdosen mit höheren Hämagglutinationshemmtest-Titern. Eine zweite Impfung boostert diesen Effekt nochmal um Einiges. Der heutige Beitrag beleuchtet die Rolle der Neuraminidase bei der Entwicklung eines Universal-Impfstoffes - ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Poleposition bei der Prophylaxe zukünftiger Grippewellen.
Im Vergleich zum Hämagglutinin befindet sich die Neuraminidase nicht so stark im Wandel. Diesen Sommer erschien ein interessanter wissenschaftlicher Artikel, der die Neuraminidase als Zielstruktur von Grippe-Impfstoffen emporhebt. Die unterschiedlichen Subtypen der Influenza-A und B-Viren unterscheiden sich durch ihre Oberflächenmoleküle Hämagglutinin und Neuraminidase voneinander. Ihnen gemein ist die Rolle als Massenmörder in den kalten Jahreszeiten. Global betrachtet sind sie für immerhin eine halbe Million Todesfälle pro Jahr verantwortlich.1
Bei den bisher gängigen inaktivierten Grippeimpfstoffen war das Augenmerk bei der Entwicklung besonders auf das Oberflächenglykoprotein Hämagglutinin gelegt worden. Welches immunogene Potenzial die Neuraminidase als Zielstruktur besitzt wurde in einer erst kürzlich veröffentlichten Studie eruiert. Die Forschungsgruppe erhofft sich durch Verwendung des stärker konservierten Oberflächenenzyms, dass in Zukunft die Grippeimpfungen in größeren Abständen stattfinden können. Bisher mussten aufgrund des Antigendrifts bei der Entwicklung von Impfstoffen jährlich Stammanpassungen erfolgen. Folglich musste die Bevölkerung auch jedes Jahr erneut durchgeimpft werden.
Das Ziel bei der Entwicklung eines neuen Impfstoffes ist eine Subtypen-spezifische Protektion. Hierfür verwendeten die Forscher das Vesikuläre Stomatitis Virus (VSV) als Vektorimpfstoff. VSV besitzt ein einzelsträngiges RNA-Genom, welches für insgesamt 5 Proteine codiert. Bisher fand das VSV in der Medizin Verwendung bei der Entwicklung eines Ebola-Impfstoffes. Auch bei der Therapie von bösartigen Hirntumoren könnte VSV zukünftig eine Rolle spielen. Beim Menschen ruft das zur Familie der Rhabdoviridae zugehörige Virus als Zoonose grippeähnliche Symptome hervor. Bei Huftieren führt es wie der Name schon sagt zur Bläschenkrankheit (vesikuläre Stomatitis). Bei der Entwicklung eines neuen Impfstoffes gegen die diversen Influenzastämme verwendete die Forschungsgruppe das VSV, um eine Immunantwort gegen das Oberflächenenzym Neuraminidase und natürlich auch gegen das Oberflächenprotein Hämagglutinin auszulösen. Die Neuraminidase-Serotyp 1 der verschiedenen Influenzastämme (H1N1, H5N1 und H7N9) kam als antigene Struktur zum Einsatz.1
Welches immunogene Potenzial besitzt denn eigentlich das Neuraminidase-Antigen? Das Ziel der experimentellen Studie war, eine Immunreaktion gegen das Hämagglutinin- und Neuraminidase-Antigen der unterschiedlichen Influenzastämme hervorzurufen. Den Forschern gelang eine Kreuzprotektion. Das bedeutet, dass die Versuchstiere, die einen Neuraminidase-basierten Impfstoff erhielten auch gegen Viren mit einem anderen Hämagglutinin-Subtypen geschützt waren. Voraussetzung hierfür war, dass der Neuraminidase-Subtyp übereinstimmte. Die Forschungsgruppe konnte ihre Ergebnisse durch die Messung Neuraminidase-hemmender Antikörper serologisch bestätigen. Wir warten gespannt auf die weiteren Studien. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Rolle des Neuramindase-Antigens bisher bei der Entwicklung von Impfstoffen weit unterschätzt wurde.1 Im Beitrag von nächster Woche lernen wir einen DNA-Grippeimpfstoff kennen, der als Nasenspray verabreicht werden kann.2,3
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Referenzen:
1. Walz L. et al. (2018). Sialidase-Inhibiting Antibody Titers Correlate with Protection from Heterologous Influenza Virus Strains of the Same Neuraminidase Subtype, J Virol Jun 20.
2. Laursen N. S. et al. (2018), Universal protection against influenza infection by a multidomain antibody to influenza hemagglutinin, in: Science, 2. November 2018, Vol. 362, Issue 6414.
3. Cohen J. (2018). Llama antibodies inspire gene spray to prevent all flus, in: Science, 2. November 2018, Vol. 362, Issue 6414.