Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung unklarer Genese, bei der das Immunsystem autoaggressiv die Myelinscheiden der Nerven zerstört. Es gibt weltweit über 2,5 Millionen MS-Patienten. Neben den genetischen Faktoren spielen Umweltfaktoren bei der Manifestation einer Multiplen Sklerose eine essentielle Rolle. Bakterielle (Clostridium perfringens Typ B und Chlamydia pneumoniae) und virale (EBV/HHV-4 und HHV-6) Infektionen stehen im Verdacht an der Auslösung eines MS-Schubs beteiligt zu sein.1,2,3,4
Weltweit ist Chlamydia pneumoniae für jede 4. leichtere Pneumonie verantwortlich. Vor allem bei Nordamerikanern und Europäern kann der Erreger zu einer chronischen Infektion der Gefäße führen.5 Eine ZNS-Infektion durch C. pneumoniae kommt auffällig häufig bei MS-Patienten vor. 1999 wurden 17 MS-Patienten mit rezidivierenden Schüben auf Chlamydia pneuominae untersucht und die Ergebnisse mit einer gesunden, nicht-infizierten Kontrollgruppe verglichen. Mittels Polymerase-Kettenreaktion konnte im Liquor von 97% der MS-Patienten das MOMP-Gen (C. pneumoniae) detektiert werden. Im Vergleich hierzu zeigten nur 18% der Kontrollgruppe MOMP-Gen-Positivität in ihrem Liquor. 86% der MS-Patienten besaßen bereits Antikörper gegen C. pneumoniae.2
Ein ziemlich wichtiger Trigger einer MS ist auch das Epstein-Barr-Virus aus der Familie der Herpesviridae. Die mit EBV-infizierte Bevölkerungsgruppe hat im Vergleich zur nicht-infizierten Gruppe ein etwa doppelt so hohes Risiko innerhalb von 20 Jahren an einer Multiplen Sklerose zu erkranken.3
Da es sich um eine Vielzahl von Erregern handelt, die mit einer MS in Zusammenhang gebracht werden können, liegt die Hypothese nahe, dass es die generelle Immunreaktion auf Pathogene ist, die den Schub auslösen kann.
Es wurde auch von einigen Fällen berichtet, in denen man Impfungen gegen bestimmte Viren für den Ausbruch einer Multiplen Sklerose verantwortlich gemacht hat.6
Die Gelbfieber-Impfung zum Beispiel ist bei MS-Patienten kontraindiziert, da sie das Risiko einer MS-Exazerbation mit sich führen kann.7 Man muss jedoch dazu sagen, dass die Ergebnisse hierzu aus einer selbstkontrollierten Fallstudie stammen.
Der Hepatitis-B-Impfstoff wird als einer der sichersten Impfstoffe angesehen und ist ein wichtiger Bestandteil der Grundimmunisierung weltweit.8,9,10
Berichte von Patienten, die eine Multiple Sklerose nach Hepatitis-B-Impfung erlitten haben führten dazu, dass die Bevölkerung über einen möglichen Zusammenhang besorgt war.11 Heute durchstöbern wir verschiedene interessante wissenschaftliche Artikel, die die Wahrheit hierüber ans Licht bringen werden.
In einer Fall-Kontroll-Studie aus dem Jahr 2001 wurden zwei große Kohorten amerikanischer Krankenschwestern untersucht. Einer MS-Patientin standen als Kontrollgruppe je 5 gesunde Patientinnen und 1 Brustkrebspatientin gegenüber. Es wurden die Daten von insgesamt 192 MS-Patientinnen und 645 Kontrollgruppenpatientinnen analysiert (534 gesunde Kontrollpatientinnen und 111 Brustkrebspatientinnen). Nach sorgfältiger Datenanalyse konnte die Hepatitis-B-Immunisierung in keinen Zusammenhang mit dem Auslösen eines MS-Schubs gebracht werden.12
In einer 2014 veröffentlichten iranischen Studie wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen immunologischen Risikofaktoren und dem Ausbruch einer Multiplen Sklerose untersucht. Überprüft wurden die Risikofaktoren Tonsillektomie, Appendektomie und Hepatitis-B-Impfung. Insgesamt wurden 250 Patienten (Z.n. Tonsillektomie, Z.n. Appendektomie und Z.n. Hepatitis-B-Impfung) mit einer gesunden Kontrollgruppe (250 Patienten) verglichen. Der Großteil der Patienten war mit 70% weiblich. Das mittlere Alter lag bei 33 Jahren. Es zeigte sich keine signifikante Assoziation zwischen den oben genannten immunologischen Risikofaktoren und der Entstehung einer MS.13
Eine Infektion mit Influenzaviren erhöht ja bekanntlich das Risiko für den Ausbruch einer Multiplen Sklerose. Wie sieht es aus mit einem möglichen Risiko durch Influenza-Impfung? Besteht dieses Risiko denn überhaupt?
Durch die immunsupprimierenden Medikamente sind MS-Patienten eher einer Infektion ausgesetzt als die gesunde Bevölkerung. Eine Influenza-Infektion kann daher mit einer enormen gesundheitlichen Belastung einhergehen. Als ob das nicht schon reicht, erhöht die Infektion mit einem Influenzavirus das Risiko einen MS-Schub zu erleiden.
Eine Influenza-Impfung bei MS-Patienten ist daher äußerst sinnvoll, denn sie reduziert das Risiko für einen Ausbruch einer erneuten MS-Episode. In einer Metanalyse aus dem Jahr 2011 zeigte sich kein erhöhtes Risiko für eine MS nach Influenza-Impfung.14,15
Auch von einer Impfung gegen Masern-Mumps-Röteln, Tuberkulose, Polio und Typhus geht kein Risiko für den Ausbruch einer MS aus. Dies zeigten Daten aus derselben Studie aus dem Jahr 2011.14
Alles in allem kann man sagen, dass bis auf die Gelbfieber-Impfung, sich eine Grundimmunisierung auf die Gesundheit von MS-Patienten positiv auswirken kann. Vor allem die jährliche Auffrischung der Influenza-Immunisierung ist hierbei wichtig.
Welchen Standpunkt vertreten Sie? Würden Sie Ihre MS-Patienten impfen lassen?
Referenzen: