Das Varizella-Zoster-Virus: Ein Erreger mit vielen Gesichtern

Eine Varizella-Zoster-Infektion verläuft in unterschiedlichen klinischen Stadien mit vielen klinischen Erscheinungsbildern. Einige bergen ein höheres Risiko für Komplikationen.

Klinische VZV-Manifestationen: Varizellen

In der Kindheit führt VZV zu Varizellen, auch bekannt als Windpocken. Der Kontagiositätsindex liegt bei nahe 1,0 und der Erstkontakt mit VZV führt in 90 Prozent der Fälle zum Auftreten von Varizellen. Diese impfpräventable Kinderkrankheit ist die Folge der exogenen Erstinfektion. Bis zum Alter von 18 Jahren haben fast 95 Prozent der Gesellschaft bereits Bekanntschaft gemacht mit diesem Virus.1,2,3 Bei immungesunden Kindern kommt es äußerst selten zu Komplikationen durch Varizellen. Anders sieht es jedoch aus bei schwangeren Frauen und ihrem ungeborenen Kind. Bei der betroffenen schwangeren Frau kann es zu einer VZV-Pneumonie kommen. Je nach Entwicklungsstadium kann die transplazentare Übertragung des Virus auch schwerwiegende Folgen für den Fetus haben. Das fetale Varizellensyndrom besitzt eine Letalität von 30 Prozent.3

Klinische VZV-Manifestationen: Herpes Zoster 

Schätzungen zufolge erkranken jährlich rund 400.000 Menschen an einem Herpes Zoster.5,6 Bei Immunoseneszenz oder Immunsuppression kann VZV als Herpes Zoster auftreten samt den gefürchteten Komplikationen Zoster ophthalmicus und der postherpetischen Neuralgie. In diesem Fall liegt ein endogenes Rezidiv vor.1 Weitere Risikofaktoren für ein endogenes VZV-Rezidiv sind folgende Komorbiditäten: 

Die Inzidenz für den Herpes Zoster steigt mit zunehmendem Alter. Im Kinder- und Jugendalter kann es jedoch ebenfalls zum Auftreten eines Herpes Zoster kommen: neoplastische und metabolische Erkrankungen erhöhen im jungen Alter das Risiko für eine VZV-Reaktivierung. Im Erwachsenenalter zählen AIDS, COVID-19 und Stress zu den wichtigsten Risikofaktoren.1

COVID-19-Erkrankung erhöht das Risiko für das Auftreten eines Herpes Zoster

Neben dem Risikofaktor Lebensalter scheint auch eine COVID-19-Erkrankung in der Vergangenheit das Risiko für eine VZV-Reaktivierung deutlich zu erhöhen. In einer retrospektiven Kohortenstudie besaßen ≥ 50-jährige Personen, die zuvor an COVID-19 erkrankt waren ein um 15 Prozent erhöhtes Risiko im Verlauf einen Herpes Zoster zu erleiden. Verglichen wurden sie mit den ≥ 50-Jährigen, bei denen COVID-19 bisher noch nie diagnostiziert wurde. Dieser signifikante Unterschied fiel bei denjenigen Personen, die aufgrund eines schweren Verlaufs der COVID-19-Erkrankung hospitalisiert werden mussten, noch höher (21 Prozent) aus.7

Komplikationen einer VZV-Reaktivierung

Die häufigste Langzeitkomplikation der VZV-Reaktivierung ist die postherpetische Neuralgie, eine chronische Schmerzerkrankung, die auch als Post-Zoster-Neuralgie bekannt ist. Sie kann lebenslang bestehen bleiben und mit einer erheblichen Minderung der Lebensqualität einhergehen. Es ist wichtig, die Entstehung dieser Erkrankung zu verhindern, da die Behandlungsmöglichkeiten unzureichend sind. Die Post-Zoster-Neuralgie ist daher weiterhin ein Thema von klinischer Relevanz.8 Zu den seltenen Komplikationen der VZV-Reaktivierung gehören die Meningoenzephalitis sowie die Vaskulopathie. Letztere kann in einem Schlaganfall resultieren. Es gibt möglicherweise eine Assoziation zur Riesenzellarteriitis. Dies wird aktuell noch diskutiert, da die Evidenzlage noch hierzu nicht ganz klar ist. Bei seropositivem Befund und der Symptomatik einer Riesenzellarteriitis sollte dennoch eine zusätzliche Therapie (neben Glukokortikoiden) mittels Aciclovir erwogen werden.9

Therapiemanagement postherpetische Neuralgie: 3 Säulen

Die erste Säule ist die Prävention. Hierzu zählt die Identifizierung von Risikogruppen für eine VZV-Reaktivierung und die Verabreichung es passenden Impfstoffs. Die zweite Säule ist die frühzeitige Erkennung und Behandlung einer akuten HZ-Infektion, da eine Therapieverzögerung mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer postherpetischen Neuralgie assoziiert sein kann. Die dritte Säule ist eine adäquate Schmerztherapie. Diese ist multimodal und beinhaltet auch interventionelle Verfahren. Die erste Säule ist die wichtigste, da es sich bei der Post-Zoster-Neuralgie um eine therapierefraktäre Erkrankung handelt. Trotz der dritten Säule des Therapiemanagements ist die Verbesserung der Symptomatik meist nur vorübergehend und nicht ausreichend. Folgende Komplikationen können zusätzlich zur postherpetischen Neuralgie auftreten:

Welcher Impfstoff eignet sich zur Prävention eines Herpes Zoster samt Komplikationen?

Laut dem RKI sind in Deutschland zwei unterschiedliche Impfstoffe gegen Herpes Zoster zugelassen: 

Der attenuierte Lebendimpfstoff wird jedoch nicht als Standardimpfung durch die STIKO empfohlen. Dies liegt an der eingeschränkten Wirksamkeit und der begrenzten Wirkdauer. Zudem ist er nicht zugelassen für Personen mit einer Immunschwäche bzw. für immunsupprimierte Personen. Doch gerade diese Gruppe besitzt ein erhöhtes Risiko für einen Herpes Zoster und würde von der Impfung gegen VZV profitieren.10

Die STIKO empfiehlt für alle Personen mit einem Alter ≥ 60 Jahren sowie für vulnerable Personen mit einem Alter ≥ 50 Jahren die Immunisierung mit dem adjuvanten Totimpfstoff gegen VZV. Dies stellt eine effektive Möglichkeit dar, den Herpes Zoster und die damit assoziierte postherpetischen Neuralgie zu verhindern.10.11

Wird die Impfung durch das Gesundheitssystem übernommen?

Seit dem 1. Mai 2019 wird der adjuvantierte Herpes-zoster-subunit-Totimpfstoff Shingrix® für Personen mit einem Alter ≥ 60 Jahren sowie für gesundheitlich gefährdete Personen mit einem Alter ≥ 50 Jahren erstattet.11

Quellen:
  1. Patil A. et al. (2022). Herpes zoster: A Review of Clinical Manifestations and Management. Viruses. 2022 Jan 19;14(2):192. 
  2. Zoch-Lesniak B. et al. (2018). Trends in herpes zoster epidemiology in Germany based on primary care sentinel surveillance data, 2005-2016. Hum Vaccin Immunother. 2018 Jul 3;14(7):1807-1814. 
  3. Neumeister B. et al. (2009). 35.2 Varicella-Zoster-Virus (VZV). Teil III 4 Virologie: 35 Herpesviren. Mikrobiologische Diagnostik. 
  4. Batram M. et al. (2021). Burden of Herpes Zoster in Adult Patients with Underlying Conditions: Analysis of German Claims Data, 2007-2018. Dermatol Ther (Heidelb). 2021 Jun;11(3):1009-1026.
  5. Gross GE. et al. (2020). S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie [S2k guideline for the diagnosis and therapy of zoster and post-zoster neuralgia]. GMS Infect Dis. 2020 Mar 12;8:Doc01. German. 
  6. Ultsch B. et al. (2013). Epidemiology and cost of herpes zoster and postherpetic neuralgia in Germany. Eur J Health Econ. 2013 Dec;14(6):1015-26. 
  7. Bhavsar A. et al. (2022). Increased Risk of Herpes Zoster in Adults ≥50 Years Old Diagnosed With COVID-19 in the United States. Open Forum Infect Dis. 2022 Mar 9;9(5):ofac118.
  8. Gruver C. et al. (2023). Postherpetic Neuralgia. StatPearls.
  9. https://www.gelbe-liste.de/neurologie/neurologische-manifestationen-zoster-reaktivierung
  10. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Herpes_zoster/FAQ-Liste.html
  11. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/05/02/gkv-guertelrose-impfung-wird-ab-sofort-erstattet#:~:text=Nun%20ist%20der%20Beschluss%20zum,Totimpfstoff%20von%20den%20Kassen%20erstattet.