Starke Kopfschmerzen und Sehstörung im Winter

Plötzliche Sehstörungen, starke Kopfschmerzen, Kauschmerzen – dazu Fieber und Gewichtsverlust: Was steckt hinter den Symptomen einer 51-jährigen Patientin?

Rätselhafte Beschwerden: Was steckt dahinter?

An einem kalten Wintertag sucht die 51-jährige Frau S., begleitet von ihrem Ehemann, die Notaufnahme auf. Sie klagt über starke Kopfschmerzen, die seit vier Tagen im Bereich der linken Schläfe bestehen, und berichtet über neu aufgetretene Sehstörungen, die sie seit dem Morgen bemerkt hat. Seit einem Jahr ist bei ihr eine Polymyalgia rheumatica bekannt, die für drei Monate mit Kortison behandelt wurde. Da die Symptome rasch sistierten, wurde die Medikation abgesetzt. 

In den letzten Wochen fühlte sie sich zunehmend abgeschlagen und bemerkt eine ungewollte Gewichtsabnahme. Zusätzlich gibt sie an, seit Kurzem Schmerzen beim Kauen verspürt zu haben, was die Nahrungsaufnahme erschwert. Sie arbeitet in der Verwaltung und lebt mit ihrem Mann und ihrem Hund in einer kleinen Wohnung in der Innenstadt.

Klinische Untersuchung

Laborwerte

Parameter

Ergebnis

Referenzbereich

Entzündungsmarker

CRP

120 mg/L

<5 mg/L

BSG

80 mm/h

<20 mm/h

Blutbild

Hämoglobin

11.0 g/dL

12–16 g/dL

Leukozyten

9.5 Tsd./µL

4.0–10.0 Tsd./µL

Thrombozyten

450 Tsd./µL

150–400 Tsd./µL

Autoantikörper 

ANA

Negativ

Negativ

Bildgebung 

Farbkodierte Doppler Sonographie der linken Schläfe: Deutliche entzündliche Veränderung und Schwellung der Temporalarterienwand mit hochgradiger Stenosierung des Gefäßlumens.

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Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

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Auflösung:

Diagnose

Arteritis temporalis (Riesenzellarteriitis) bei einer Patientin mit bekannter Polymyalgia rheumatica.

Was ist die Riesenzellarteriitis?

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist mit einer anderen rheumatischen Erkrankung, der Polymyalgia rheumatica (PMR), „verwandt“. Beide können unabhängig voneinander auftreten, werden jedoch häufig gemeinsam oder überlappend diagnostiziert. Die beiden Erkrankungen treten praktisch nie vor dem 50. Lebensjahr auf, wobei die Prävalenz der PMR bei etwa ein bis zwei pro 1000 liegt. Die Polymyalgia rheumatica äußert sich typischerweise durch ausgeprägte Muskelschmerzen im Schulter- und Beckengürtelbereich, begleitet von deutlich erhöhten Entzündungsparametern und allgemeinen Symptomen wie z.B. Abgeschlagenheit. 

Etwa 10 bis 20 Prozent der PMR-Patienten entwickeln im Verlauf auch eine Riesenzellarteriitis. Umgekehrt weisen 40 bis 60 Prozent der Patienten mit Riesenzellarteriitis typische Polymyalgie-Symptome auf. Zu den charakteristischen Anzeichen der Arteriitis temporalis, die klinisch besonders bedeutsam sind, gehören neu aufgetretene Schläfenkopfschmerzen, Schmerzen beim Kauen und Sehstörungen wie verschwommenes Sehen, plötzlicher Sehverlust oder gelegentlich Doppelbilder. Insgesamt entwickeln 20 bis 50 Prozent der Patienten mit Riesenzellarteriitis visuelle Symptome, die einer raschen Diagnosestellung bedürfen.

Therapie und Verlauf

Unter der initialen Behandlung mit hochdosiertem Prednisolon (60 mg/Tag) zeigte die Patientin bereits innerhalb von 48 Stunden eine deutliche Besserung der Kopfschmerzen und Sehstörungen. Auch die Entzündungsmarker begannen sich schrittweise zu normalisieren. Nach zwei Wochen mit stabilem klinischen Verlauf wurde die Patientin in die ambulante Betreuung entlassen. Sie erhielt ein reduziertes Prednisolon-Regime mit regelmäßigen Kontrollen der Entzündungsparameter und klinischen Symptome. Zur Minimierung des Rezidivrisikos wurde eine Erhaltungstherapie mit Prednisolon in einer Dosis von 10 mg/Tag über einen Zeitraum von zwei Jahren empfohlen.

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