Die bis zu sechswöchige stationäre Behandlung der infektiösen Endokarditis könnte sich in Zukunft drastisch reduzieren. Eine neue Untersuchung legt nahe, dass eine ambulante Therapie mit oralen Antibiotika genauso sicher ist.
Eine Endokarditis-Diagnose ist für den Patienten in den meisten Fällen mit einer langwierigen stationären Behandlung verbunden. Grund: Die aktuellen europäischen und amerikanischen Leitlinien empfehlen eine bis zu sechswöchige intravenöse Antibiotikagabe – oft bleiben die Patienten nach initialer Stabilisierung nur noch deshalb im Krankenhaus. Der lange stationäre Aufenthalt erhöht jedoch die Gefahr für Komplikationen (insbesondere Sekundärinfektionen). Die Frage ist, ob dieser Teil der Behandlung nicht in den ambulanten Bereich ausgelagert werden könnte. Dazu wäre die Gabe von oralen Antibiotika notwendig. Bisher existieren keine aussagekräftigen Studien zu dem Thema. Ein Forscherteam um Kasper Iversen hat daher die Wirkung von intravenös und oral verabreichten Antibiotika an 400 Patienten mit linksseitiger Endokarditis verglichen. Die randomisierte Multicenter-Studie lief von 2011 bis 2017.
Alle Patienten erhielten nach der Diagnose im Mittel für 17 Tage (mindestens jedoch für 10 Tage) eine den Leitlinien entsprechende intravenöse antibiotische Therapie. Danach wurde bei 201 Patienten die Therapie oralisiert, während die restlichen 199 Teilnehmer weiter intravenös behandelt wurden. Patienten mit Magen-Darm-Krankheiten wurden von der Studie ausgeschlossen. Die orale Antibiotikatherapie wurde mit einer Kombination aus zwei Wirkstoffen durchgeführt. Sie unterschied sich je nach Erreger und wurden speziell für die Studie entwickelt. Beispielsweise wurde gegen Streptokokken eine Kombination aus 4-mal täglich 1 Gramm Amoxicillin und 2-mal täglich 0,6 Gramm Rifampicin angewandt. Am Ende der Behandlung wurde der Therapieerfolg mittels transösophagealer Echokardiographie kontrolliert.
Die Baseline-Daten beider Gruppen waren allesamt vergleichbar. Das Durchschnittsalter betrug 67 Jahre und ca. 23% der Teilnehmer waren weiblich. Rund die Hälfte der Patienten litt an einer Aortenklappenendokarditis, bei gut einem Drittel wurde eine Mitralklappenendokarditis diagnostiziert. Patienten mit rechtsseitiger Endokarditis waren nicht vertreten, wären aber auch nicht ausgeschlossen wurden. Ein Viertel der Patienten hatte eine künstliche Herzklappe. Der mit Abstand häufigste Endokarditis-Erreger war Strepptococcus (ca. 50% aller Fälle), gefolgt von Enterococcus faecalis (24% aller Fälle).
Die Patienten mit oraler Antibiotikatherapie wurden nach der Randomisierung im Mittel für 17 weitere Tage behandelt. 80% von ihnen konnten rund 3 Tage nach Umstellung die Klinik verlassen und wurden ambulant weiterbetreut. Die Patienten in der Gruppe mit intravenöser Antibiotikatherapie wurden im Mittel für weitere 19 Tage unter stationärer Überwachung behandelt.
Nach Ende der Behandlung wurden beide Gruppen für 6 Monate weiter beobachtet. In diesem Zeitraum trat das primäre Outcome – eine Kombination aus Gesamtmortalität, ungeplanter Herzchirurgie, Embolie und Reinfektion mit dem gleichen Erreger – bei insgesamt 42 Patienten (10,5%) auf. In der Gruppe mit oraler Antibiotikatherapie waren 18 (9%) Patienten betroffen, in der Gruppe mit intravenöser Therapie 24 (12,1%) Patienten. Das Auftreten des primären Endpunkts war in beiden Gruppe vergleichbar (3,1%; 95%-Konfidenzinterval -3,4 bis 9,6; p = 0,4). Es machte keinen Unterschied, ob eine native oder künstliche Herzklappe von der Endokarditis betroffen war. Auch der zugrunde liegende Erreger spielte keine Rolle.
In Bezug auf Nebenwirkungen konnten ebenfalls keine Unterschiede festgestellt werden. So berichteten insgesamt 22 (6%) der Patienten über "Adverse Events", davon 10 (5%) aus der Gruppe mit oraler Antibiotikatherapie und 12 (6%) aus der Gruppe mit intravenöser Therapie (p = 0,66). Am häufigsten traten allergische Reaktionen auf (50%), gefolgt von Knochenmarksuppression (27%) und gastrointestinalen Beschwerden (14%).
Die Daten zeigen, dass die normalerweise bis zu sechswöchige stationäre Behandlung von Patienten mit linksseitiger Endokarditis nach rund der Hälfte der Zeit auf eine ambulante Therapie mit oralen Antibiotika umgestellt werden kann, ohne die Patientensicherheit zu gefährden. Die Befürchtung, dass orale Antibiotika nicht wirksam genug seien, konnte nicht bestätigt werden.
Die Verkürzung der Liegedauer würde nicht nur den Patienten zugutekommen, sondern auch den Krankenhausbetrieb entlasten und eine Menge Geld sparen. Die Patienten könnten schneller wieder mobilisiert werden – Probleme wie Muskelabbau und sekundäre Krankenhausinfektionen könnten reduziert werden. Sollten es die Ergebnisse in neue Leitlinien schaffen, werden aber nicht alle Patienten davon profitieren können. Da eine unsachgemäße Antibiotika-Einnahme im Fall einer Endokarditis unter Umständen Leben kosten kann, sollten nur Patienten mit entsprechender Compliance für die Oralisierung infrage kommen.
Quelle:
Iversen K et al. Partial Oral versus Intravenous Antibiotic Treatment of Endocarditis. Published on August 28, 2018. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa1808312