Adrenalin, ein Lebensretter zulasten der Gehirndurchblutung? Eine neue placebokontrollierte Studie legt dies jedenfalls nahe. So hat Adrenalin zwar das Überleben nach einem Herzstillstand verbessert, doch die Patienten zeigten auch schwerere neurologische Defizite.
Bei einem Herz-Kreislaufstillstand muss schnellstens gehandelt werden. Während die Basismaßnahmen von jedem Bürger beherrscht werden sollten, sind die erweiterten Maßnahmen (Advanced-Life-Support, ALS) dem Rettungspersonal vorbehalten. Neben Defibrillation, Intubation und Sauerstoffgabe gehört auch die parenterale Verabreichung von Adrenalin zum ALS. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie empfehlen die Gabe von 1mg alle 3 bis 5 Minuten nach der dritten erfolglosen Defibrillation bzw. sofort bei einem nicht-defibrillierbaren Rhythmus.
Adrenalin führt zu einer α-Rezeptor-vermittelten Vasokonstriktion der kleinen Arteriolen, was den diastolischen Blutdruck erhöht und damit auch die Chance einer erfolgreichen Reanimation. Gleichzeitig kann die Beeinträchtigung der Mikrozirkulation das Gehirn irreversibel schädigen. Zudem aktiviert Adrenalin die Thrombozytenaggregation und kann Thrombosen begünstigen. Einige Experten vermuten daher, dass Adrenalin mehr negative als positive Effekte haben könnte. Eine Forschergruppe der englischen Universität Warwick ist dem auf den Grund gegangen und hat die Wirkung von Adrenalin auf das Überleben und den neurologischen Outcome in einer groß angelegten randomisierten doppelblinden Kontrollstudie untersucht.
In die PARAMEDIC2-Studie wurden 8014 Patienten eingeschlossen, die zwischen 2014 und 2017 einen Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses erlitten hatten. Nach durchschnittlich 7 Minuten war ein Notfallteam am Einsatzort. Blieben kardiopulmonale Reanimation und/oder Defibrillation erfolglos, erhielten die Patienten zusätzlich alle 3 bis 5 Minuten entweder Injektionen mit 1 mg Adrenalin oder mit 0,9% Natriumchlorid. Die Randomisierung erfolgte 1:1 – 4015 Patienten erhielten Adrenalin, 3999 Patienten das Placebo. Bei erfolgreicher Wiederbelebung wurden die Patienten im Nachhinein über die Studie aufgeklärt und konnten ihr Einverständnis zur Datenauswertung geben. Beide Therapiegruppen waren vergleichbar, das Durchschnittsalter betrug 70 Jahre, ein Drittel der Probanden war weiblich und vier von fünf Patienten hatten einen schockbaren Herzrhythmus.
Einen Monat nach erfolgter Reanimation lebten in der Adrenalin-Gruppe noch 3,2% der Patienten während in der Placebo-Gruppe nur noch 2,4% der Patienten am Leben waren. Die Gabe von Adrenalin erhöhte die Überlebenswahrscheinlichkeit um 47% (Odds Ratio [OR] 1,47; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,09 – 1,97%; p = 0,02). Auch nach 3 Monaten waren in der Adrenalin-Gruppe noch signifikant mehr Menschen am Leben (3% im Vergleich zu 2,2% in der Placebo-Gruppe).
In einem zweiten Schritt haben die Wissenschaftler den neurologischen Outcome der Patienten analysiert. Dazu nutzten sie die modifizierte Rankin-Skala, die das Ausmaß einer Behinderung nach einem Schlaganfall beschreibt. Sie reicht von 0 (keine Symptome) über 3 (mittelschwere Beeinträchtigung) bis zu 6 Punkten (Tod infolge des Apoplex). Die Forscher stratifizierten die Daten nach günstigem (≤ 3 Punkte) und schwerwiegendem neurologischen Outcome (4-5 Punkte). Die Anzahl der Patienten mit einem günstigen neurologischen Outcome lag im Mittel bei 2% und war zwischen der Adrenalin- und Placebo-Gruppe vergleichbar (OR 1,19; 95%-KI 0,85 – 1,68). Drei Monate nach Reanimation fanden sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Gruppen (OR 1,39; 95%-KI 0,97 – 2,01). In der Adrenalin-Gruppe trugen jedoch mehr Patienten schwerwiegende neurologische Schäden davon (31% gegenüber 17,8% aus der Placebo-Gruppe).
Mittels eines bayesschen Verfahrens haben die Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der die Gabe von Adrenalin die absolute Überlebenswahrscheinlichkeit nach Herzstillstand im Vergleich zum Placebo um 1% erhöht. Sie lag bei 37%, schrumpfte jedoch nach Adjustierung für den neurologischen Outcome auf 1,9%.
Die Daten der Studie zeigen, dass die Gabe von 1 mg Adrenalin während einer Reanimation das Überleben der Patienten signifikant erhöht, wenn auch nur marginal. So müssen 112 Patienten mit Adrenalin behandelt werden, um ein Menschenleben zu retten. Eine weit bessere Wirkung erzielen die frühe kardiopulmonale Reanimation (Number needed to treat [NNT] = 15) und die frühzeitige Defibrillation (NNT = 5). Gegen die Adrenalingabe spricht zudem, dass es laut Studie häufiger zu schweren neurologischen Schäden kommen kann. Bleibt abzuwarten, ob die deutschen Leitlinien ihre Empfehlungen im Zuge der neuen Erkenntnisse anpassen.
Quelle:
Perkins GD et al. A Randomized Trial of Epinephrine in Out-of-Hospital Cardiac Arrest A Randomized Trial of Epinephrine in Out-of-Hospital Cardiac Arrest. The New England Journal of Medicine. Published on 2018-07-18. DOI: 10.1056/NEJMoa1806842