Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) zählt neben der koronaren Herzkrankheit (KHK) zu den häufigsten ischämischen Gefäßkrankheiten. Eine neue Studie zeigt, dass Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9-Inhibitoren (PCSK9-Inhibitoren) das pAVK-Risiko signifikant reduzieren. Der Effekt könnte über die Senkung von Lipoprotein(a) vermittelt sein.
Weltweit leiden mehr als 200 Millionen Menschen an einer pAVK. Betroffene PatientInnen sind in Ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. So kann selbst das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken zur Qual werden. Langjähriger Nikotinkonsum, Diabetes mellitus und Bluthochdruck sind die größten Risikofaktoren für die Entwicklung einer pAVK. Weiterhin scheinen erhöhte Lipidwerte eine Rolle zu spielen. Neben hohem Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) wurde in früheren Studien vor allem ein hoher Lipoprotein(a)-Wert mit einem erhöhten pAVK-Risiko assoziiert. Lipoprotein(a) gilt als „kleiner Bruder“ des LDLs. Es ist wie ein LDL-Partikel aufgebaut, an der Oberfläche befindet sich jedoch noch ein zusätzliches Protein, Apoprotein(a), das wie ein "molekularer Schwanz" an dem LDL-Partikel hängt. Lipoprotein(a) besitzt thrombogene, atherogene, und entzündungsfördernde Eigenschaften und ist ein wichtiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Der Lipoprotein(a)-Wert im Blut lässt sich – anders als bei LDL-C – nicht durch eine Lebensumstellung verändern. Vielmehr ist die Lipoprotein(a)-Konzentration genetisch festgelegt.
Die bei der pAVK standardmäßig eingesetzten Statine senken zwar den LDL-C-Wert, aber sie haben keinen Einfluss auf die Konzentration von Lipoprotein(a) im Blut. Daher sind neue Medikamente notwendig, die das Lipoprotein(a) gezielt absenken können. Seit rund vier Jahren ist mit den PCSK9-Inhibitoren eine neue Klasse von Lipidsenkern auf dem Markt, die als eines der ersten Medikamente genau diese Eigenschaft besitzt. Neben einer markanten LDL-C-Senkung führen die Antikörper auch zu einer rund 20–25%igen Abnahme von Lipoprotein(a) im Blut. Es stellt sich die Frage, ob sie dadurch auch das Risiko für die Entwicklung von pAVK-Ereignissen signifikant senken können.
Ein Team um Prof. Gregory Schwartz (University of Colorado, USA) führte daher eine post-hoc Analyse der doppel-blind randomisierten ODYSSEY-Studie durch, die die Wirksamkeit des PCSK9-Inhibitors Alirocumab an rund 19.000 Testpersonen mit akutem Koronarsyndrom überprüfte. Alle Testpersonen dieser Studie erhielten eine maximale Statintherapie und hatten ein akutes Koronarsyndrom erlitten.
Die ODYSSESY-Studie war so aufgebaut, dass die eine Hälfte der PatientInnen alle zwei Wochen eine Injektion mit Alirocumab 75 oder 150mg erhielt, während der anderen Hälfte ein Placebo injiziert wurde. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmenden lag bei 59 Jahren und rund 75% von ihnen waren männlich. In beiden Gruppen litten zu Studienbeginn ungefähr 4% der Teilnehmenden an einer pAVK. Die Studiendauer betrug im Mittel 2,8 Jahre. In dieser Zeit registrierten das Forschungsteam die Anzahl aller neu aufgetretenen pAVK-Ereignisse, die als Durchblutungsstörungen der Beine, periphere Revaskularisation und Amputation definiert wurden. Gleichzeitig wurde der LDL-C und Lipoprotein(a)-Spiegel im Blut gemessen. Vor Therapiestart lag der mittlere Lipoprotein(a)-Wert bei 21 mg/dl während der LDL-C-Wert bei durchschnittlich 75 mg/dl lag.
Im Beobachtungszeitraum der ODYSSEY-Studie erlitten 246 Testpersonen (1,3%) ein pAVK-Ereignis. Die Forschenden untersuchten in einem ersten Schritt, ob das Risiko, ein pAVK-Ereignis zu erleiden, mit dem Baseline LDL-C- oder Lipoprotein(a)-Spiegel korrelierte. Wie schon durch Vorstudien bekannt, schien insbesondere Lipoprotein(a) ein ausschlaggebender Risikofaktor zu sein. So war ein erhöhtes Lipoprotein(a) über 60 mg/dl mit einem rund doppelt so hohen Risiko für pAVK-Ereignisse assoziiert. Hohe LDL-C-Werte erhöhten das pAVK-Risiko dagegen nicht signifikant (P = 0,06).
In einem zweiten Schritt untersuchten die Forschenden, ob die Behandlung mit Alirocumab das Risiko für pAVK-Ereignisse senkte. Wie bereits in vorigen Studien beschrieben, reduzierte die zweiwöchentliche Gabe von Alirocumab den LDL-C-Wert um 71% und das Lipoprotein(a) um 24%. Teilnehmende mit höherem Baseline-Lipoprotein(a) wiesen dabei eine stärkere Lipoprotein(a)-Senkung auf. Die Therapie mit Alirocumab senkte das relative Risiko für pAVK-Ereignisse um 31% im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Bei Testpersonen mit vorbekannter pAVK betrug die relative Risikoreduktion sogar 41%, was einer absoluten Risikoreduktion von 8,6% entspricht, innerhalb von 3 Jahren ein pAVK-Ereignis zu erleiden. Interessanterweise war die Risikoreduktion bei jenen Teilnehmenden am größten, bei denen das Lipoprotein(a) durch die PCSK9-Inhibitor-Therapie am stärksten gesenkt wurde. So war ein um 1 mg/dl niedrigeres Lipoprotein(a) mit einer 0,9% Risikoreduktion assoziiert.
Die Daten der Studie zeigen, dass die regelmäßige Gabe von Alirocumab zu einer signifikanten Reduktion von pAVK-Ereignissen führt, wovon insbesondere Testpersonen mit bereits bekannter pAVK profitieren. Weiterhin deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Lipoprotein(a) eine kausale Rolle in der Entstehung einer pAVK spielen könnte. So wiesen jene Studienteilnehmenden die stärkste Risikoreduktion auf, bei denen auch die Lipoprotein(a)-Reduktion durch Alirocumab am stärksten war. Aktuell sind diese Erkenntnisse noch nicht in den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie abgebildet. Werden die Ergebnisse in weiteren Studien bestätigt, könnte ein erhöhtes pAVK-Risiko möglicherweise eine eigene Indikation für eine Behandlung mit einem PCSK9-Inhibitor darstellen. Denn aktuell sind dies die einzigen Medikamente, die den Lipoprotein(a)-Wert im Blut effektiv senken können.