Antikoagulanzien am Lebensende – wie entscheiden?

Forscher diskutierten auf dem ASH-Kongress über Antikoagulanzien bei geringer Lebenserwartung: Beginn, Fortführung oder Absetzen?

Was Sie über Antikoagulation am Lebensende wissen sollten:

Wenige Studien für den letzten Abschnitt des Lebens

Es gibt zahlreiche Publikationen und Leitlinien zum Thema Antikoagulation. Aber wenige bis keine, die sich mit den Menschen befassen, die sich am Ende ihres Lebens befinden. Doch was genau ist das Lebensende? Für Zwecke der medizinischen Entscheidungsfindung wird davon ausgegangen, dass ein Mensch sich im letzten Abschnitt des Lebens befindet, wenn mit einer Lebenserwartung von maximal 12 Monaten zu rechnen ist. Die University of California in San Francisco hat zu dem Thema ein Online-Tool entwickelt, das das Abschätzen der verbleibenden Lebenszeit zulässt. (https://eprognosis.ucsf.edu)

Auf dem diesjährigen ASH-Kongress in San Diego wurden mögliche Vorgehensweisen besprochen.

Was sind Time to Benefit und Time to Harm?

Insbesondere bei einer reduzierten Lebenserwartung ist es häufig schwierig zu entscheiden, ob eine neue oder zusätzliche Therapie begonnen werden kann, soll und darf. Wesentliche Faktoren, die in diesen Denkprozess mit einbezogen werden sollten, sind die Time to Benefit und die Time to Harm. 

Time to Benefit ist die Zeit, die ein Medikament braucht, um sein volles Wirkspektrum zu entfalten und positive Wirkungen auf die zu behandelnde Erkrankung oder Symptome zu haben. Die Time to Harm auf der anderen Seite ist der Zeitraum, der vergeht, bevor mögliche unerwünschte Wirkungen oder Komplikationen in Verbindung mit einer Therapie auftreten können.

Für Menschen, die sich am Ende ihres Lebens befinden, sei es krankheits- oder altersbedingt, kann es vorkommen, dass – insbesondere bei Antikoagulantien – die Time to Benefit erst nach dem erwarteten Lebensende eintritt, die Time to Harm, jedoch mit der Gabe des Medikamentes beginnt. Beispielsweise steigt die Blutungsneigung mit der Gabe von Gerinnungshemmern, aber die protektive Wirkung wird erst nach einiger Zeit erreicht – je nach Prognose unter Umständen erst nach dem Tod des Betroffenen.

Wie vorgehen am Lebensende? – Fazit

Es gibt hier keine One-Size-Fits-All-Lösung. Viele Faktoren, wie Wünsche des Patienten, Vorerkrankungen und zu erwartende verbleibende Lebenszeit verdienen in der Entscheidungsfindung für oder gegen den Beginn oder die Fortführung einer antikoagulativen Therapie Beachtung. Gemeinsam mit den Betroffenen sollte eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Die Wünsche und Erwartungen der Erkrankten spielen eine ebenso wichtige Rolle und sollten vorab besprochen werden.

Quelle

  1. Parks, Anna, MD, University of Utah, Kongress der American Society of Hematology 2024, Hematologic Challenges at End-of-Life, Anticoagulation at the End of Life: Whether, When and How to Treat, 7.12.2024