Ibudilast bei progredienter Multipler Sklerose (MS)

Für progressive MS-Formen sind bisher kaum Therapieoptionen verfügbar. Eine kürzlich im 'New England Journal of Medicine' publizierte Phase‑II-Studie berichtet ein langsameres Voranschreiten des Parenchymschwundes unter Ibudilast im Vergleich zu Placebo.

Orales Ibudilast verzögert Parenchymverluste

Für progressive MS-Formen sind bisher kaum Therapieoptionen verfügbar. Eine kürzlich im 'New England Journal of Medicine' publizierte Phase‑II-Studie berichtet ein langsameres Voranschreiten des Parenchymschwundes unter Ibudilast im Vergleich zu Placebo.

Über ein Dutzend Therapien sind derzeit für die Therapie der Multiplen Sklerose (MS) zugelassen. Doch für die progressiven Verlaufsformen stehen bislang nur ein monoklonaler Antikörper (Ocrelizumab) und das Chemotherapeutikum Mitoxantron zur Verfügung.1,2
Daher gilt die Entwicklung effektiver Therapien als besonders dringend.

Ein Medikament, welches aufgrund dieses ungedeckten Bedarfs von der FDA ein beschleunigtes Zulassungsverfahren ("fast track") erhalten würde, ist Ibudilast.
Für diesen PDE‑Hemmer ist ein Einfluss auf die Regulation immunologischer Signalwege gezeigt, die das ZNS schädigen können. Es scheint Myelin-Reparatur zu fördern sowie Neuronen vor MS‑assoziierter Schädigung zu schützen.3 In den USA und Europa gilt es als neuartiger Wirkstoff, während es in Asien für Vertigo nach Schlaganfall und Asthma vermarktet wird.

Laut einer früheren klinischen Studie bei schubförmiger MS beugt es Hirnläsionen nicht vor, scheint aber den Progress der Hirnschrumpfung zu verlangsamen.3
Leider legen neueste Ergebnisse einer Phase‑II-Studie nahe, dass Ibudilast noch umfassender untersucht werden sollte, bevor es den dünnbesetzten Markt für progrediente MS erreichen kann.

Die 'SPRINT-MS'-Studie

Im Rahmen der 'SPRINT-MS'-Studie2 wurden 129 Patienten zu Ibudilast (≤ 100 mg p. o. täglich) und 126 zu Placebo für 96 Wochen randomisiert. In beiden Kohorten litt jeweils etwa die Hälfte der Patienten an einer primär progredienten und die andere Hälfte an einer sekundär progredienten MS.

Als Marker für die Hirnatrophie-Rate wurde die sog. parenchymale Fraktion des Hirnvolumens im MRT gemessen. Diese nahm unter Ibudilast um 0,0010 und unter Placebo um 0,0019 pro Jahr ab (p = 0,04), was ungefähr 2,5 ml (oder relativ zu Placebo 48 %) weniger Parenchymschwund über 96 Wochen unter Ibudilast entspricht.

Nebenwirkungen & Limitationen

Sowohl in der Placebo- als auch in der Ibudilast-Gruppe wurden von fast allen Patienten Nebenwirkungen berichtet (88 % versus 92 %, p = 0,26).
Zu den am häufigsten beobachteten zählten gastrointestinale Symptome, Kopfschmerzen und Depressionen. Es kam zu keinen opportunistischen Infektionen oder Todesfällen.

Knapp ein Drittel der Patienten nahm während der Studie Glatirameracetat (GA) oder Interferon-beta‑1 ein – Wirkstoffe, die ebenfalls das Voranschreiten von Parenchymverlusten bremsen.

Ist weniger Parenchymschwund mit klinischem Benefit gleichzusetzen?

Die Wissenschaftler geben zu bedenken, dass die klinische Relevanz dieses Resultates nicht sicher einzuordnen ist. Unter Ibudilast war zwar eine Halbierung der Hirnatrophie-Rate zu verzeichnen (48 %, zum Vergleich: unter Ocrelizumab sind es 17,5 %)1, aber es ist nicht bekannt, ob dies auch zu klinischen Unterschieden für Patienten mit progressiver MS führt.

Erstautor Dr. Robert Fox von der Cleveland Clinic äußerte dazu, dass diese Arbeit – da nur eine Phase‑II-Studie – nicht adäquat gepowert war, um eine Auswirkung auf den klinisch vorhandenen Grad der Behinderung zu erfassen.1 Er hofft, dass zukünftige Untersuchungen neben der Verlangsamung von Parenchymverlusten auch positive Effekte im Sinne einer Verzögerung des Fortschreitens neurologischer Ausfälle zeigen werden. Hierfür sind weitere, größere Studien vonnöten.

Referenzen:

1. Ibudilast Explored for Progressive Multiple Sclerosis in Phase 2 Trial. MD Magazine Available at: https://www.mdmag.com/medical-news/ibudilast-explored-for-progressive-multiple-sclerosis-in-phase-2-trial. (Accessed: 6th October 2018)

2. Fox, R. J. et al. Phase 2 Trial of Ibudilast in Progressive Multiple Sclerosis. New England Journal of Medicine 379, 846–855 (2018).

3. Phase 2 Clinical Trial of Oral Ibudilast Demonstrates Slowing of Brain Atrophy in Progressive MS. National Multiple Sclerosis Society Available at: http://www.nationalmssociety.org/About-the-Society/News/Phase-2-Clinical-Trial-of-Oral-Ibudilast-Demonstra. (Accessed: 6th October 2018)