Das Unternehmen, welches für die größte Medikamentenpreiserhöhung der US‑Geschichte verantwortlich ist, hat laut kürzlich im Bundesgericht entsiegelten Dokumenten Ärzte und Mitarbeiter bestochen, um die Verkaufszahlen zu steigern.
Mallinckrodt hat über Bestechungen die Verschreibungen für ein Medikament gesteigert, dessen Preis seit dem Jahr 2000 um mehr als 97.000% gestiegen ist; von 40 Dollar auf fast 39.000 Dollar pro Ampulle.1–3
Acthar Gel (Corticotropin-Depot-Injektion) erhielt 1952 die Zulassung zur Behandlung von Spastiken bei Kleinkindern und wird inzwischen bei vielfältigsten Erkrankungen eingesetzt, wie dem nephrotischen Syndrom, Psoriasis-Arthritis, rheumatoider Arthritis (RA), Sarkoidose, Optikusneuritis, ankylosierender Spondylitis und, besonders lukrativ, bei Multipler Sklerose (MS).
Dank der Preiserhöhung und dem aggressiven Push des Off-Label-Einsatzes, insbesondere bei RA und MS, ist es inzwischen ein Blockbuster-Medikament mit einem jährlichen Verkaufserlös von über einer Milliarde Dollar; die Mehrheit dessen von Medicare kommend.
Die Anschuldigungen stammen von zwei früheren Angestellten des 2014 für 5,6 Mrd. Dollar von Mallinckrodt übernommen Unternehmens Questcor Pharmaceuticals. Nachdem die US‑Regierung beschloss einzugreifen, wurde die ursprünglich 2012 beim Landesgericht Pennsylvania eingereichte Klage im März entsiegelt – ein Zeichen, dass die Aussagen als glaubwürdig befunden wurden.
Acthar Gel kostete bereits 2012 bis zu 150.000 Dollar pro Patient – deutlich mehr als eine generische Steroid-Alternative, die bei nur 800 Dollar lag. Acthars Hauptkonkurrent, Solu-Medrol, ist billiger, benötigt einen kürzeren Behandlungszeitraum und ist in den USA der Therapiestandard zur Behandlung von MS‑Exazerbationen. Die Anklage unterstellt, dass das Unternehmen deswegen zu Bestechungen im Wert von bis zu 500 Dollar griff, darunter kostenlose Reisen nach Las Vegas, opulente Dinner im Ritz-Hotel New York, Spa-Anwendungen, bezahlte Happy Hours und Starbucks-Gutscheine. Ein Sales-Mitarbeiter hatte vor einem der Whistleblower mit ihrem Erfolg von Karaoke-Ausflügen mit asiatischen Ärzten geprahlt.
Andere Methoden beinhalteten Forschungsgelder und Sprecherhonorare von 2.000 Dollar pro Vortrag und mehr für Ärzte, die das Medikament promoteten. Ein Arzt an der Universität Texas soll für jede Studie, die er mit Acthar durchführte, 500 Dollar pro Patient plus weitere Entlohnung für die Präsentation der Ergebnisse vor Ärzten landesweit erhalten haben. In der Anklage heißt es: "Diese Studien sind von zweifelhaftem wissenschaftlichen Wert, da sie weder placebokontrolliert, noch doppelblind waren. Keine davon wurde in Peer-Review-Zeitschriften publiziert und keine davon führte zu einem Antrag auf Erweiterung der FDA‑Zulassung und keine davon zeigte, dass Acthar Gel effektiver als Solu-Medrol ist."
Mallinckrodt widersprach dem Inhalt der Vorwürfe und äußerte Enttäuschung über die Entscheidung, die Anklage weiter zu verfolgen. Diese beträfe Altlasten von Questcor und man könne sich "keinen Einfluss darauf vorstellen, wie das Unternehmen heute Geschäfte führt". Die Firma kooperiert mit dem Justizministerium und nimmt an "fortgeschrittenen Verhandlungen zur Lösung" teil.
In der Klage sagen die Whistleblower aus, dass das Unternehmen die Regierung um Millionen von Dollar betrogen hat, die nicht hätten gezahlt werden sollen, sich daher bereichert hat und Patienten einer nicht zugelassenen, nicht sicheren und potentiell ineffektiven Anwendung von Acthar Gel ausgesetzt hat. "Questcor versuchte, die Schmiergeldzahlungen und illegalen Promotionen zu vertuschen, indem sie falsche Erklärungen der FDA gegenüber abgab und Angestellte dazu anwies, Beweise zu verbergen. [...] Die illegalen Praktiken, die Questcor seit 2007 betrieb, wurden seit der Fusion und Übernahme wissentlich fortgesetzt", heißt es dort.
Quellen:
1. CNN, W. D. Whistleblowers: Drug company bribed doctors to boost sales. CNN Available at: https://www.cnn.com/2019/04/30/health/mallinckrodt-whistleblower-lawsuit-acthar/index.html. (Accessed: 10th May 2019)
2. Dyer, O. Firm bribed doctors to prescribe overpriced drug, US alleges in suit. BMJ 365, l2043 (2019).
3. Insider, E. C., Business. A drugmaker is accused of using free Las Vegas trips, fancy dinners, spa treatments, and Starbucks gift cards to bribe doctors to sell more of its expensive drug. Business Insider Deutschland Available at: https://www.businessinsider.de/bribes-allegedly-helped-mallinckrodt-sell-acthar-lawsuit-2019-4. (Accessed: 10th May 2019)