Fortschritte auf der Suche nach blutbasierten Biomarkern für die Früherkennung der Pathologien könnten ermöglichen, Menschen mit Demenzrisiko zu identifizieren und sie bspw. in Studien zur Prävention oder Hinauszögerung des Erkrankungsbeginns einzuschließen.
Forschende suchen seit Jahrzehnten nach Plasma-Biomarkern zur Erkennung von Veränderungen des Gehirns, die nicht invasiv, besser verfügbar und kosteneffektiver sind als Liquor- und PET-Untersuchungen. Doch zerebrale Proteine im Blut zu messen, ist mit zahlreichen Schwierigkeiten behaftet, darunter die aufgrund der Blut-Hirn-Schranke niedrigen Konzentrationen dieser Moleküle, mögliche Interferenzen mit der komplexen Plasmamatrix, Wechselwirkungen mit Medikamenten und Kopathologien, die in einer alternden Bevölkerung üblich sind, und die Empfindlichkeit der Proben gegenüber den Transport- und Verarbeitungsbedingungen.
Mit dem Aufkommen sensitiverer Testverfahren in den letzten Jahren hat es beachtliche Fortschritte in der Biomarker-Forschung für M. Alzheimer gegeben. Eine der wichtigsten Erkenntnisse daraus ist die Existenz eines ausgedehnten präklinischen Stadiums, das sich über zwei Dekaden erstreckt und in dem sich Plaques und Tangles im Gehirn ablagern, ohne zu kognitiven Symptomen oder funktionellem Abbau zu führen.1
Ein ultrasensitiver Plasma-Immunoassay für an Thr181 phosphoryliertes Tau (p‑tau181), einem hochspezifischen Biomarker für die Pathologie der Alzheimer-Krankheit, wurde entwickelt und in vier klinischen prospektiven Kohorten getestet. Diese umfassten insgesamt 1.131 Personen, darunter ältere PatientInnen in verschiedenen Stadien der Alzheimer-Krankheit, altersgleiche Kontrollen, PatientInnen mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen oder vaskulärer Demenz und gesunde junge Erwachsene.2 Die Resultate legen nahe, dass blutbasiertes p-tau181 die Tau- und Amyloid β-Neuropathologie vorhersagen, Alzheimer von anderen neurodegenerativen Erkrankungen differenzieren und den klinischen Verlauf prognostizieren kann.3
Die diagnostische Genauigkeit von p‑tau217 war der anderer Alzheimer-Biomarker noch überlegen, einschließlich p-tau181, Neurofilament-Leichtketten im Plasma und strukturellem Neuroimaging (MRI). P-tau217 wurde in drei Querschnittskohorten mit insgesamt 1.402 Personen untersucht, darunter wiederum ältere PatientInnen in verschiedenen Alzheimer-Stadien, altersgematchte Kontrollen und PatientInnen mit anderen neurodegenerativen Störungen.4 Die Studie umfasste auch eine autosomal-dominante Alzheimer-Form mit TrägerInnen (und altersgleichen Nicht-TrägerInnen) der Glu280Ala (E280A) Mutation im PSEN1-Gen (Präsenilin 1). Der blutbasierte p‑tau217-Assay zeigte eine mit Tau-PET und Liquor-P‑tau217 vergleichbare Genauigkeit sowie eine gute Fähigkeit, eine klinisch diagnostizierte Alzheimer-Krankheit von anderen neurodegenerativen Erkrankungen zu unterscheiden und er differenzierte Individuen mit und ohne Alzheimer-Neuropathologie (bestätigt entweder durch Autopsie oder MRT und Liquor-Untersuchung). Die Plasma-p-tau217-Spiegel waren bei TrägerInnen der PSEN1-Mutation in jungem Alter (Alter ≥25 Jahre) deutlich erhöht.3
Die Plasmaspiegel von p‑tau217 könnten sich als Frühmarker eignen, da diese in einer weiteren aktuellen Studie bereits in präklinischen Stadien erhöht waren, noch bevor unlösliche Tau-Aggregate im PET detektierbar wurden.5
Diese Ergebnisse unterstützen den sich abzeichnenden Konsens auf dem Gebiet, dass blutbasierte Biomarker Aβ-induzierte Veränderungen in der Tau-Phosphorylierung und -Sekretion nachweisen, die wahrscheinlich der Aggregation von hyperphosphoryliertem Tau zu paarigen helikalen Filamenten vorausgehen, welche neurofibrilläre Tangles bilden und PET-Liganden binden.1
All dies darf jedoch nicht vergessen lassen, dass fast alle bisherigen Arbeiten in Speziallaboren unter Verwendung von Assay-Plattformen durchgeführt wurden, die (noch) nicht für den breiten klinischen Einsatz zur Verfügung stehen. Die Blutprobenentnahme erfolgte streng standardisiert und erfordert eine schnelle Zentrifugation und das Einfrieren von Plasmaproben – Verfahren, die die derzeitigen Möglichkeiten der meisten klinischen Labore übersteigen. Die Validierung der Biomarker wurde größtenteils an streng ausgewählten Forschungskohorten mit geringer ethnischer Vielfalt durchgeführt. Daher sind weitere Arbeiten nötig, um die diagnostische Leistung in realen klinischen Umgebungen zu evaluieren.1
Wenn dies gelingt, könnten Bluttests in großen Populationen zur frühen und genauen Erkennung von Alzheimer über das gesamte klinische Spektrum hinweg eingesetzt werden, von Risikopersonen ohne kognitive Symptome bis hin zu Patienten mit Demenz.3
Referenzen:
1. Thijssen, E. H. & Rabinovici, G. D. Rapid Progress Toward Reliable Blood Tests for Alzheimer Disease. JAMA Neurology (2020) doi:10.1001/jamaneurol.2020.4200.
2. Karikari, T. K. et al. Blood phosphorylated tau 181 as a biomarker for Alzheimer’s disease: a diagnostic performance and prediction modelling study using data from four prospective cohorts. Lancet Neurol 19, 422–433 (2020).
3. Kivipelto, M. & Mangialasche, F. Dementia research in 2020: moving forward despite the COVID-19 pandemic. The Lancet Neurology 20, 3–5 (2021).
4. Palmqvist, S. et al. Discriminative Accuracy of Plasma Phospho-tau217 for Alzheimer Disease vs Other Neurodegenerative Disorders. JAMA 324, 772–781 (2020).
5. Janelidze, S. et al. Associations of Plasma Phospho-Tau217 Levels With Tau Positron Emission Tomography in Early Alzheimer Disease. JAMA Neurol (2020) doi:10.1001/jamaneurol.2020.4201.