Eine aktuelle Metaanalyse aus den USA und Deutschland ging der Frage nach, ob die chirurgische Hämatomausräumung das funktionelle Ergebnis verbessert.
Spontane intrazerebrale Blutungen (ICBs) stellen uns immer wieder vor Herausforderungen und zuweilen auch Frustrationen. Die chirurgische Hämatomausräumung scheint naheliegend – doch bei supratentoriellen ICBs konnten klinische Studien bislang kein Vorgehen oder keine Untergruppe von PatientInnen identifizieren, bei denen eine OP klar indiziert ist. Anders bei Kleinhirnblutungen, welche lange Zeit als Läsionen verstanden wurden, die besonders auf operative Intervention ansprechen. Dies stütze sich jedoch auf kleine Fallserien und anekdotische Evidenz. Daten aus randomisierten Studien fehlten dazu bislang, da Patientinnen und Patienten mit Kleinhirnblutungen in größeren chirurgischen Studien nicht vertreten waren.1
Um diese Lücke ein wenig zu schließen, wertete eine im Oktober 2019 im Journal of the American Medical Association veröffentlichte Metaanalyse Daten aus vier Beobachtungsstudien aus.2 Besonderes Augenmerk galt dem funktionellen Outcome, gemessen an der modifizierten Rankin-Skala (mRS, 0 = keine Behinderung, 6 = Tod). Einen mRS von 0–3 werteten die Autoren als gutes Ergebnis.
Aus 578 PatientInnen mit spontaner zerebellärer ICB bildeten sie zwei gleich starke Gruppen, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Läsionsvolumen und Einnahme von Antikoagulantien gematched waren: jeweils 152 PatientInnen in der operativ und konservativ behandelten Kohorte. Sekundärer Endpunkt war das Überleben.
Der Anteil der Patienten mit günstigem Outcome nach 3 Monaten unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant: nach chirurgischer Evakuierung waren es 30,9% und nach konservativer Behandlung 35,5%. Jedoch ging die OP mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit nach 3 Monaten (78,3% vs. 61,2%) und 12 Monaten (71,7% vs. 57,2%) einher.
Hinsichtlich des Hämatomvolumens wurde ein Cut‑off-Wert von 12–15 cm3 identifiziert. Unterhalb dieser Größe war die chirurgische Intervention mit einer deutlich reduzierten Wahrscheinlichkeit für ein gutes funktionelles Resultat assoziiert (30,6% vs. 62,3%).
Weitere Arbeiten sollten untersuchen, ob sich in Abhängigkeit von unterschiedlichen Hämatomgrößen andere Zusammenhänge ergeben.
Generalisierbarkeit und breite Anwendbarkeit von Therapien der zerebellären ICB wären zwar wünschenswert, doch wie beim ischämischen Apoplex entspräche dies nicht der Biologie des Krankheitsbildes, heißt es im zugehörigen Editorial.1 Die ersten Studien zu Bildgebung, Biomarkern und Embolektomie beim Schlaganfall zeigten ebenfalls keinen Benefit. Die Entwicklung erfolgte schrittweise, über jahrelange wiederholte innovative Studien. Auch für ICBs müssen Methoden und Evidenz dafür gefunden werden, wie wir PatientInnen auf individualisierte Art und Weise behandeln können, abhängig von ihrem Rehabilitationspotential.
Referenzen:
1. Hemphill, J. C. & Amin-Hanjani, S. Cerebellar Intracerebral Hemorrhage: Time for Evidence-Based Treatment. JAMA 322, 1355–1356 (2019).
2. Kuramatsu, J. B. et al. Association of Surgical Hematoma Evacuation vs Conservative Treatment With Functional Outcome in Patients With Cerebellar Intracerebral Hemorrhage. JAMA 322, 1392–1403 (2019).