Autismus: Diagnostik durch die Augen?

Nicht immer wird ein Autismus sicher festgestellt und behandelt. Daher sind neue, einfache und zuverlässige Methoden zur Diagnosestellung wichtig. Eine aktuelle Studie stellt nun einen möglichen Marker vor.

Was Sie über Eye-Tracking und Autismus wissen sollten:

Weshalb braucht man neue Diagnostikmethoden für Autismus?

Die Diagnose einer Spektrumstörung wird nicht leichtfertig gestellt – und das ist auch richtig so. In der Regel sind viele Untersuchungen bei verschiedenen Spezialistinnen und Spezialisten notwendig, um abschließend eine Autismuserkrankung auszuschließen oder festzustellen. 

Obwohl in Deutschland regelmäßige Untersuchungen aller Kinder stattfinden, müssen Ärztinnen und Ärzte sich häufig auf das verlassen, was die Eltern oder die Kinder selbst ihnen erzählen. Gegebenenfalls werden Symptome nicht berichtet. In solchen Fällen wäre eine zuverlässige und nicht-invasive Diagnostik hilfreich. Darüber hinaus besteht in manchen Ländern eine Versorgungslücke. In den USA beispielsweise hat nicht jedes Kind eine ausreichende Krankenversicherung und die Wartezeit auf Termine bei Psychologen kann lang sein. Zwar gibt es hier in manchen Staaten spezialisierte Hausärzte, die bei der Diagnosefindung eine wesentliche Rolle spielen, doch sind diese bei weitem nicht für alle Kinder zugänglich. 

Augenmessungen als Marker?

In den USA wird Autismus in der Regel im Alter von 4 Jahren diagnostiziert – obwohl bereits im zweiten Lebensjahr eine sichere Feststellung möglich ist. Ein Forscherteam aus Indiana in den Vereinigten Staaten hat nun untersucht, ob eine Testbatterie von Blickerfassungsmessungen dazu beitragen kann, diese Lücke zu schließen. Sie stellten sich die Frage, ob diese Tests eine Autismuserkrankung zuverlässig genug erkennen könnten. 

Dazu untersuchten sie mit den entsprechenden Tests Kinder, die von den spezialisierten Hausarztzentren geschickt wurden, aber nicht alle entsprechende Krankheitszeichen zeigten. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden zusätzlich von speziell geschulten Psychologen untersucht, die anhand der aktuellen Leitlinien eine Diagnose stellten oder ausschlossen. Ihre Einschätzung fungierte hier als Kontrolle, ob die Erkrankung vorlag oder nicht. Die Ergebnisse wurden dann in Bezug auf mögliche Zusammenhänge ausgewertet. 

Zuverlässige Ergebnisse

Das Ergebnis: das Eye-Tracking an sich hatte eine Spezifität und Sensitivität von über 70 Prozent. Wurden die Ergebnisse dieser Tests kombiniert mit den Untersuchungsergebnissen der Hausärzte sowie deren Einschätzung der Diagnosesicherheit (sehr wahrscheinlich bis nicht wahrscheinlich), konnten Sensitivität und Spezifität auf etwa 90 Prozent gesteigert werden. 

Fazit für die Praxis

Eye-Tracking könnte ein gut geeigneter Biomarker für Autismus sein. Wird es in einem multimodalen Vorgehen eingesetzt, scheint es sehr spezifisch und sensitiv zu sein. Blickerfassung könnte eine mögliche Option sein, um die Erkrankung schnell, nicht-invasiv und zuverlässig zu diagnostizieren.
 

Quelle:

Keehn B, Monahan P, Enneking B, Ryan T, Swigonski N, McNally Keehn R. Eye-Tracking Biomarkers and Autism Diagnosis in Primary Care. JAMA Netw Open. 2024;7(5):e2411190. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.11190