DGIM-Kongress 2024: Wo steht die Alzheimer-Therapie?

Anlässlich des jährlichen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) im April 2024 sprach Prof. Christine von Arnim (Universitätsmedizin Göttingen) über Aktuelles zur Therapie der Alzheimer-Demenz.

„Alter Wein in neuen Schläuchen“1

Frühere diagnostische Marker

Die Alzheimer-Erkrankung beginnt Jahre vor der Manifestation einer Demenz. Der erste Biomarker, der messbar wird, ist Aβ42 im Liquor (die aus 42 Aminosäuren bestehende Form des Amyloid-β). Etwas später im zeitlichen Verlauf kommt Amyloid im PET (nach neuesten Entwicklungen auch im Blut) dazu, gefolgt von Tau-Protein im Liquor. Beim Amyloid lägen wir inzwischen so 15–20 Jahre vor Ausbruch der Erkrankung, sagt von Arnim.

Leitlinien-Update 2023: Ist etwas neu für die Praxis?

2023 ist eine aktualisierte Leitlinie erschienen. So richtig neu sei eigentlich nichts, schickt Prof. von Arnim vorweg. Aber an einigen Stellen beruhten die Empfehlungen nun auf mehr Evidenz und die Darstellung sei angepasst worden.
Ein Schwerpunkt – und die Referentin betont, wie wichtig es ist, diesen zuerst zu nennen – liegt auf nicht-pharmakologischen Interventionen.

Bei MCI (mild cognitive impairment), leichter und mittelschwerer Demenz empfiehlt die Leitlinie 

Im vierten Stadium, bei schwerer Demenz, wird weiterhin körperliches Training empfohlen, um die Alltagsfunktion zu verbessern.3 Selbst durchgeführte, computerbasierte kognitive Trainingsprogramme werden generell nicht empfohlen.

Zugelassene Medikamente immer wieder in der Kritik

Bei den medikamentösen Optionen gibt es bis dato weiterhin keinen entscheidenden Durchbruch. Es werde immer wieder kritisch diskutiert, was die derzeitigen Medikamente bringen, so Prof. von Arnim. Bspw. führten die Acetylcholinesterase-Hemmer lediglich zu einer Verlangsamung der Verschlechterung. Sie räumt ein, dass die Medikamente einen geringen Effekt haben und das Ansprechen auch individuell variabel ausfällt und betont, dass insbesondere für die frühen Stadien (MCI/ leichte kognitive Störung) Therapieoptionen fehlen.

Amyloid-Antikörper: Enttäuschte Hoffnungen, aber neue Zulassungen erwartet

Prof. von Arnim rekapituliert im dritten Teil ihres Vortrages kurz die Neuentwicklungen der letzten Jahre, von denen viele auf Amyloid-Antikörper fokussierten.
Aufgrund einer vielversprechenden, aber kleinen Phase-I-Studie ging Aducanumab seinerzeit direkt in Phase-III-Studien. Nachdem es jedoch die Endpunkte in der 'ENGAGE'-Studie verfehlte, folgten lange Diskussionen vor den Zulassungsbehörden und in der restlichen Fachwelt, wir berichteten. Die europäische Zulassungsbehörde EMA lehnte 2023 die Zulassung ab und die Vermarktung wurde seitens des Herstellers 2024, wenige Wochen vor dem DGIM-Kongress, eingestellt.

Prof. von Arnim setzte mit seither entwickelten Antikörpern fort, die ebenfalls das Gehirn von Amyloidplaques im PET „leerräumen“ sollen.
So verzögerte Lecanemab in einer Zulassungsstudie den Krankheitsverlauf um 27 %.4 In Europa sei Anfang 2024 eine Entscheidung bezüglich der Zulassung erwartet worden, die Entscheidung darüber wurde jedoch verschoben.
Für Donanemab berichteten die 'TRAILBLAZER'-Studien ebenfalls eine Verlangsamung der Verschlechterung von Gedächtnis- und Alltagsfunktion (Verzögerung des Krankheitsverlaufes um 22 % oder etwa 4–8 Monate).5 Um für den Studieneinschluss geeignet zu sein, mussten die Patienten im PET nicht nur Amyloid- sondern auch Tau-positiv sein. Auch hier warte ein Zulassungsantrag bei der FDA schon länger auf eine Entscheidung.

Zu den Nebenwirkungen der genannten Substanzen: Vor Therapiebeginn und im Verlauf alle 2–3 Monate während der Therapie seien MRTs zur Dosisanpassung notwendig. Hierdurch können sog. ARIAs (Amyloid-related Imaging Abnormality) detektiert werden, worunter fokale Ödeme (ARIA-E) oder Hämorrhagien (ARIA-H) im Gehirn zu verstehen sind, die symptomatisch oder asymptomatisch sein können. Als weitere Herausforderungen dieser Therapien nennt von Arnim abschließend die Identifikation geeigneter Patienten sowie die notwendige intravenöse Gabe alle 2–4 Wochen, die initial im stationären Setting stattfinden muss.

Fazit

Die Alzheimer-Therapie bleibt ein herausforderndes Feld, das weiterhin auf Durchbrüche in der medikamentösen Behandlung wartet. Nicht-pharmakologische Ansätze und individualisierte Therapieoptionen gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung, um Patienten in verschiedenen Krankheitsstadien bestmöglich zu unterstützen.