PD Dr. med. Gudrun Goßrau, Vizepräsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Fachärztin für Neurologie und spezielle Schmerztherapie am Universitätsklinikum Dresden, erörtert in einer DMKG-Pressekonferenz die wesentlichen Punkte der Trigeminusneuralgie-Leitlinie.
Die Lebenszeitprävalenz liegt zwischen 0,16 und 0,7 %. Auf Deutschland bezogen sind das nach konservativer Berechnung über 160.000 Patienten. Es handelt sich im Wesentlichen um ein mittleres Erkrankungsalter von 53 bis 57 Jahren, meistens findet das Erstauftreten ab dem 50. Lebensjahr statt. Es ist zu erwarten, dass sich mit dem demografischen Wandel das Aufkommen der Erkrankung und die Inanspruchnahme von Ärzten weiter verändert. Frauen sind mit 60 % deutlich öfter als Männer betroffen. Ganz selten sind jüngere Patienten betroffen, oft mit einer genetischen Komponente. In diesen Fällen muss genau untersucht werden, ob eine sekundäre Form, also eine andere Grunderkrankung, vorliegt.
Neue Erkenntnisse der Pathophysiologie haben zu einer neuen Klassifizierung geführt. Zu unterscheiden sind:
Klassische Trigeminusneuralgie mit Nachweis einer neurovaskulären Kompression mit morphologischen Veränderungen der Wurzel des Trigeminus Nervs.
Sekundäre Trigeminusneuralgie mit nachgewiesener Grunderkrankung, die die Neuralgie verursachen kann, beispielsweise Multiple Sklerose oder raumfordernde Läsionen. Das betrifft bis zu 15 % der Patienten.
Idiopathische Trigeminusneuralgie - hier sind keine Auffälligkeiten in elektrophysiologischen Tests oder im MRT zu finden.
Abzugrenzen sind Trigeminusneuropathien, die im klinischen Verlauf anders ausfallen. Sie zeigen vor allem einen Dauerkopfschmerz und keinen attackenförmigen Schmerz - häufig posttraumatisch oder nach Herpes Zoster.
Allerdings kann die Diagnosestellung erschwert sein, da die Trigeminusneuralgie nicht immer nur mit den paroxysmalen Gesichtsschmerz-Attacken beginnt, sondern bei einem Teil der Patienten am Beginn und auch im Verlauf mit zusätzlichen Dauerschmerzen im Gesichtsbereich einhergeht.
Entscheidend ist hier, wie der Schweregrad eines festgestellten Gefäß-Nervenkontakts ausgeprägt ist.
Zu den Kernstücken der neuen Leitlinie gehört ein klinisches Flussdiagramm, in dem sich Behandler orientieren können, was bei einem Verdacht auf Trigeminusneuralgie zu geschehen hat. Wichtig ist, die Behandlung schnell zu starten - in erster Linie medikamentös. Eine ausführliche neurologische Untersuchung ist unabdingbar. Für die richtige Klassifikation ist eine Bildgebung erforderlich. Auch das Vorgehen bei therapierefraktären Patienten wird erörtert. Hier sollte eine weitere, auch bildgebende Diagnostik, sowie gegebenenfalls eine neurochirurgische Vorstellung erfolgen.
Im Flussdiagramm sind die medikamentösen Therapien übersichtlich aufgeführt. Studiendaten zeigen, dass Carbamazepin und Oxcarbazepin die erste Wahl der Therapie sind. Carbamazepin ist zugelassen, während Oxcarbazepin nur off label einsetzbar ist. Wenn die erste Wahl wegen Nebenwirkungen oder Interaktionen mit anderen Medikamenten nicht möglich ist, ist auf die zweite Wahl zu wechseln. Hier ist in einer großen Palette von Medikamenten lediglich Phenytoin für die Trigeminusneuralgie zugelassen. Auch bei Therapiemöglichkeiten der 3. Wahl ist das Thema off label use vorherrschend. Patienten, die nach mehreren Therapieversuchen weiter therapierefraktär sind, sollten für eine neurochirurgische Vorstellung offen sein. Das ist vor allem eine Option, wenn ein Gefäß-Nervenkontakt nachgewiesen ist.
Eine Reihe von interventionellen Therapien steht zur Verfügung - wie mikrovaskuläre Dekompression, perkutane Verfahren oder Radiochirurgie.