Erfahrungen junger Krebspatient:innen
Kinder und Heranwachsende mit malignen Erkrankungen sind keine kleinen Erwachsenen und bedürfen daher einer altersgerechten Informationsstrategie. Selbst junge Frauen und Männer < 39 Jahre, die in der Regel einer Beratung zur Fertilitätssicherung vor Therapiebeginn bedürfen, fühlen sich oft nur unzureichend informiert, so eine aktuelle Studie aus Großbritannien.
Zu wenig altersgerechte Informationen – auch zur Kryokonservierung
Kinder und Heranwachsende mit malignen Erkrankungen sind keine kleinen Erwachsenen und bedürfen daher einer altersgerechten Informationsstrategie. Selbst junge Frauen und Männer < 39 Jahre, die in der Regel einer Beratung zur Fertilitätssicherung vor Therapiebeginn bedürfen, fühlen sich oft nur unzureichend informiert, so eine aktuelle Studie aus Großbritannien.
Die Forschenden untersuchten in ihrer qualitativen Studie die Situation junger Menschen mit Krebsdiagnose im Alter zwischen 25 und 39 Jahren. Die Diagnose "Krebs" war dabei innerhalb der vergangenen fünf Jahre gestellt worden. Die Teilnehmenden wurden befragt oder nahmen an Fokusgruppen teil. Die so gewonnenen Daten wurden mithilfe einer thematischen Analyse beurteilt.
Es ist nicht leicht, altersgerechte Informationen zu finden
Insgesamt nahmen 65 junge Erwachsene an der Studie teil. Es konnten sieben Themen sowie 13 Unterthemen identifiziert werden:
- Verzögerte Diagnose: Häufig waren die jungen Menschen durch ihre Lebensumstände, familiäre Verpflichtungen sowie die Arbeit daran gehindert, Arzttermine wahrzunehmen (Patientenfaktoren). Hinzu kam, dass Symptome bei jungen Erwachsenen mit Krebs häufig nicht oder erst spät einer möglichen Krebserkrankung zugeordnet wurden. Sind Tumorerkrankungen in so jungen Jahren einfach zu selten?
- Sichere Navigation im Gesundheitssystem: Die jungen Menschen mit Krebs waren vielfach überwältigt von der Komplexität des Gesundheitssystems. Darüber hinaus überforderte sie die schnelle Entscheidungsfindung kurz nach der Diagnose. Viele Betroffene erlebten zu diesem Zeitpunkt erstmals eine schwere, lebensbedrohende Erkrankung und wünschten sich daher deutlich mehr Informationen. Sehr viele spürten zudem, dass das Management der Therapie aufgrund der Vielzahl der notwendigen Termine zusätzlich auf ihren Schultern lastete.
- Patientenkommunikation: Junge PatientInnen wünschten sich in erster Linie mehr klinische Informationen und auch mehr Beratung zu den möglichen Optionen und deren Folgen für das weitere Leben. Auch wünschten sich die Menschen mehr Anteil an ihren medizinischen Unterlagen. Sie möchten selbst erfahren dürfen, ob eine Behandlung anschlägt oder nicht. Daneben spielten Nebenwirkungen und deren Einfluss auf den Alltag eine große Rolle. Dabei kam es den jungen Menschen nicht allein auf die unmittelbaren Nebenwirkungen an, sondern eben auch auf die möglichen Langzeitfolgen.
- Internet als doppelschneidiges Schwert: Die Informationsflut im Internet überforderte die jungen Erwachsenen in der Regel. Es fiel zudem offensichtlich schwer, zwischen validen Informationen und "Fake News" zu unterscheiden. Auch fanden die Betroffenen häufig keine altersgerechten Informationen. Auf der anderen Seite wurden Foren mitunter als Informationsquelle genutzt und gaben den Teilnehmenden der Studie durchaus auch psychologischen Halt: "Es tut gut, zu sehen, dass Du nicht alleine bist, dass es andere wie Dich gibt und die genau dasselbe durchgemacht haben."
- Fruchtbarkeitserhalt: In der Altersgruppe der Heranwachsenden sowie der jungen Erwachsenen haben Fruchtbarkeit und Kinderwunsch häufig noch keinen festen Platz in deren Denken. Dennoch ist es notwendig, aufgrund der die Fruchtbarkeit schädigenden Therapien (Radiatio, Chemotherapie) über dieses Thema zu sprechen und einen Fruchtbarkeitserhalt im Sinne eines Einfrierens von Spermien oder Eizellen anzubieten. Die jungen Menschen mit Krebs überfordert diese zusätzliche Informationsflut häufig und sie fühlen sich gedrängt, umgehend zwischen einer möglichen Elternschaft oder einer sofortigen Tumortherapie – und damit dem eigenen Überleben – wählen zu müssen.
Anmerk. d. Red.: Am 1. Juli 2021 ist die Umsetzung der Kryorichtlinie in Deutschland in Kraft getreten. Maßnahmen der Fertilitätsprotektion werden damit nun in der Gebührenordnung abgebildet. Der EBM ist dementsprechend um das Kapitel 8.6 ergänzt worden.
- Psycho(onko)logische Unterstützung: Insbesondere für jüngere Betroffene ist die Krebserkrankung eine große psychische und auch soziale Belastung. So wünschten sich nicht wenige Betroffene mehr Unterstützung und Beratung u. a. zu Bewältigungsstrategien oder zum Umgang mit Familie und Freunden. Hinzu kommt der Wunsch, auch in der Klinik nicht isoliert zu sein, sondern mehr Umgang mit anderen jungen Betroffenen zu haben. Ebenso wünschten sich die jungen Erwachsenen mit Krebs mehr Hilfe im Umgang mit der Erkrankung – die Wahrnehmung der Krankheit als Schwäche hilft nicht auf dem Weg zurück in ein normaleres Leben.
- Weg zu altersgerechter Unterstützung: Oft leiden die jungen Menschen mit Krebs unter der finanziellen Not, welche die lange Therapiedauer und die damit verbundenen Einschränkungen bei der Erwerbstätigkeit verursachen können. Hier wünschten die Studienteilnehmer mehr "aktive" Informationen zu finanziellen Unterstützungsprogrammen oder zur Antragsstellung. In der Regel sind die Anträge einfach schmerzlich lang und sehr arbeitsaufwendig. Überdies fehlen altersgerechte Informationen zu Ernährung und Rehabilitation.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Praxis?
Jungen Erwachsenen mit Krebs fehlt es oft an Orientierung in der Gesundheitslandschaft. Darüber hinaus haben sie nur geringen bis keinen Zugang zu relevanten, altersgerechten Informationen sowie zu einer bedarfsgerechten Unterstützung.
Daher sei davon auszugehen, dass die Betroffenen zukünftig besonders von maßgeschneiderten Informationen und einem Zugang zu altersgerechten Dienstleistungen und Beratungsangeboten profitieren würden, so die Autorinnen und Autoren der vorliegenden Studie.
Quelle:
Lidington E et al., Beyond Teenage and Young Adult Cancer Care: Care Experiences of Patients Aged 25e39 Years Old in the UK National Health Service. Clinical Oncology 2021; 33: 494e506.