Obgleich Alkoholabusus und das Rauchen noch immer die Hauptursache für oropharyngeale Karzinome darstellen, wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger auch humane Papillomviren in den Läsionen nachgewiesen. Eine aktuelle Studie belegte unlängst den Zusammenhang zwischen dem HPV-Status und dem Rachenkrebsrisiko bei Menschen nach aktivem Oralsex.
Oralsex gilt bereits seit Längerem insbesondere unter jüngeren Menschen als eine wenig riskante Sexualpraktik. Jedoch weit gefehlt – die Mundschleimhaut bietet mit ihrem feucht-warmen Milieu eine ähnlich gute Eintrittspforte für sexuell übertragbare Infektionen (STI) wie beispielsweise die Genital- oder die Analschleimhaut. Neben Treponema pallidum, Herpesviren und Gonokokken finden auch humane Papillomviren in der oralen Mucosa infizierbare Zellen.
Eine Studie aus den USA zeigte nun, dass eine HPV-Infektion in der Mundhöhle das Lebenszeit-Risiko für oropharyngeale Tumoren bei Menschen mit häufigem Oralverkehr erhöhen kann. In dieser Fall-Kontroll-Studie füllten die PatientInnen mit Kopf-Hals-Tumoren Fragebögen aus, die unter anderem deren sexuelles Verhalten abfragten.
Insgesamt schloss die Studie 163 PatientInnen mit Kopf-Hals-Tumoren sowie 345 Kontrollen ein. Im Ergebnis zeigte sich, dass insbesondere die Zahl der Oralsex-PartnerInnen im Leben einen Einfluss auf das Risiko hat, ein Oropharynx-Karzinom zu entwickeln.
Bei mehr als 10 PartnerInnen steigt das Risiko für ein HPV-assoziiertes Oropharynx-Karzinom demnach um das 4,3-Fache (OR = 4,3; 95%-KI: 2,8–6,7) an. Wurden die Zahl der sexuellen PartnerInnen und das Rauchen als Risikofaktoren für Hals-Kopf-Tumoren herausgerechnet, so blieben zwei weitere wesentliche Risikofaktoren bestehen: Zum einen ein junges Einstiegsalter, zum anderen eine hohe jährliche Oralsex-Frequenz.
Während das Risiko (odds ratio; OR) bei Menschen, die jemals im Leben Oralsex hatten um den Faktor 4,4 größer ist, sind diejenigen, die in einem Alter < 18 Jahren den ersten Oralsex hatten, bereits etwa 1,8-mal stärker gefährdet, ein Oropharynx-Karzinom im späteren Leben zu entwickeln.
Insbesondere HPV-16 scheint mit dem oropharyngealen Karzinom assoziiert zu sein. Ein positives Ergebnis für das E6-Protein von HPV-16 oder jedes anderen E-Proteins des Virus war mit einem höheren Lebenszeitrisiko assoziiert.
Diese aktuelle Studie belegt einmal mehr, wie wichtig es ist, in der Krebsvorsorge auch die Sexualanamnese mitzuberücksichtigen. Menschen, die bereits sehr früh als Heranwachsende sexuell aktiv waren und die zudem des Öfteren die Sexpartnerin oder den Sexpartner gewechselt haben, tragen unter anderem ein höheres Risiko für HPV-Infektionen und somit auch für eine Reihe dadurch verursachter Tumorerkrankungen. Neben dem Oropharynx-Karzinom können dies z. B. Gebärmutterhalskrebs, Peniskarzinome oder Analkrebs sein.
In der täglichen Praxis ist darüber hinaus wichtig: Teenager und Heranwachsende, die noch keinen Kontakt mit HPV hatten, profitieren möglicherweise von der für beide Geschlechter ab einem Alter von 9 Jahren empfohlenen nonavalenten HPV-Impfung. Diese verhindert eine Infektion mit einigen der tumorassoziierten Viren, darunter HPV-16 und HPV-18, und reduziert das Risiko für Genitalwarzen, welche vornehmlich durch HPV-6 und HPV-11 hervorgerufen werden.