AML: Leitlinie Antimykotische Prophylaxe bei Targettherapie
Zielgerichtete Behandlung und Vorbeugung von Mykosen bei akuter myeloischer Leukämie (AML): Was gilt es zu beachten?
Mykose-Prophylaxe bei der Chemotherapie in Kürze:
- Eine antimykotische Prophylaxe (AFP) während der Chemotherapie ist dringend angeraten.
- Zur AFP sollten Triazol-Antimykotika (höchste Evidenz für Posaconazol) zum Einsatz kommen.
- Konditional kann eine AFP, abhängig von Patienten-individuellen Risikofaktoren, auch während der Mono- oder Erhaltungstherapie bei AML erfolgen.
- Es ist sorgfältig auf Anzeichen von Medikamentenwechselwirkungen zu achten; hierzu zählt v. a. die QT-Verlängerung.
- Die empfohlenen Dosisreduktionen unter der AFP sind: Venetoclax auf 25%, Midostaurin und Gilteritinib unverändert bei 100% (falls keine Nebenwirkungen auftreten), Quizartinib auf 66% bzw. Ivosidenib auf 50%.
- Nach dem Beenden der AFP muss bei zuvor reduzierter Targettherapie die Dosierung der Medikation auf das normale Maß angehoben werden.
Antimykotika während der Targettherapie: für wen, wann und wie?
Die antimykotische Prophylaxe (antifungal prophylaxis, AFP) während einer remissionsinduzierenden Chemotherapie (RIC) bei Patienten mit AML wird in den Behandlungsleitlinien ausdrücklich empfohlen, zumal sie nachweislich die Gesamtüberlebensrate der Betroffenen verbessert. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht aber etwas komplizierter aus. Insbesondere beim Einsatz der neuen zielgerichteten Therapeutika (Targettherapie) wie Venetoclax oder Ivosidenib besteht die Gefahr von Wechselwirkungen und Erhöhung des Wirkspiegels aufgrund einer Inhibition des Cytochroms P450 durch die AFP, bei der vornehmlich Triazol-basierte Substanzen wie Voriconazol und Posaconazol zum Einsatz kommen. Diese potenziellen Arzneimittelwechselwirkungen führen zu Unsicherheiten im klinischen Management.
Eine Orientierungshilfe mit vielen praxisnahen Hinweisen zu diesem Thema ist die Leitlinie der EHA/CGH. Die wichtigsten Fragen, wie etwa bei welchem der Targettherapeutika eine AFP empfehlenswert ist, ob es einer Dosisadaptation bedarf und wie es um Nebenwirkungen (v. a. die QT-Verlängerung) aussieht, wurden in der Arbeit adressiert. Die zentralen Aussagen hierzu in Bezug auf die geläufigsten zielgerichteten Wirkstoffen wurden vom Hauptautor Dr. med. Jannik Stemler (Universitätsklinik Köln) auf dem EHA-Kongress 2022 vorgestellt:
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Azacitidin oder Decitabin
Während der Behandlung mit Azacitidin oder Decitabinkann eine AFP konditional erfolgen; insbesondere sollte sie bei vorbehandelten Personen, lang anhaltender Neutropenie, RIC und als Sekundärprophylaxe nach Mykose in der Vorgeschichte in Betracht gezogen werden.
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Venetoclax
Eine AFP unter Venetoclax-Medikation wird bedingt empfohlen, wobei Triazol-Antimykotika zu bevorzugen sind. Unter einer Prophylaxe muss die Venetoclax-Dosis um mindestens 75% reduziert werden, da die Bioverfügbarkeit durch die AFP signifikant steigt.
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Midostaurin
Wird Midostaurin eingenommen, ist eine AFP unter Vorbehalt angeraten. Dies gilt speziell während der RIC. Wechselwirkungen sind keine Seltenheit, weshalb aufmerksam auf klinische Anzeichen einer kardiovaskulären Toxizität (z. B. QT-Prolongation) geachtet werden muss. Ob eine Dosisadaptation von Midostaurin notwendig ist, kann bei der aktuellen Datenlage nicht beantwortet werden. Eventuell könnte hier aber eine therapeutische Spiegelbestimmung hilfreich sein.
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Gilteritinib
Während der Behandlung mit Gilteritinib ist es vertretbar, sich je nach individuellem Risikoprofil für oder gegen eine AFP zu entscheiden. Allerdings profitieren nur wenige der Behandelten von der vorbeugenden Therapie. Eine Dosisanpassung ist nicht indiziert, obwohl die Bioverfügbarkeit von Gilteritinib unter der Einnahme von Triazol-Antimykotika steigt; dies scheint aber nicht klinisch signifikant zu sein.
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Quizartinib
Auch hier lautet die Empfehlung, dass eine AFP konditional verabreicht werden kann (v. a. während einer RIC). Falls eine Prophylaxe eingenommen wird, sollte die Quizartinib-Dosierung um ein Drittel gesenkt werden.
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Ivosidenib
Analog zu Gilteritinib ist es unter Ivosidenib vertretbar, sich abhängig von der jeweiligen Risikokonstellation gegen oder zugunsten einer AFP zu entschließen. Wird die vorbeugende Therapie mit einem Antimykotikum eingeleitet, ist häufig eine QT-Prolongation die Folge. Demnach ist die regelmäßige Rhythmuskontrolle unter der Behandlung essenziell. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine Dosisreduktion des Ivosidenibs um 50% zu erfolgen hat, um eine toxische Bioverfügbarkeit zu vermeiden.
Fazit für die Praxis
Wie Dr. Stemler betonte, lassen die Daten, die für die Metaanalyse ausgewertet wurden, nur einen niedrigen Evidenzgrad zu. Dennoch hilft die Arbeit beim Therapiemanagement der AML und bei der Entscheidung, ob nun eine AFP eingeleitet werden sollte oder nicht. Anzumerken bleibt, dass sich die Empfehlungen auf Triazol-Antimykotika beziehen, da für andere Substanzen kaum eine Evidenz vorliegt. Zudem darf nicht vergessen werden, die evtl. reduzierte Targettherapie so bald wie möglich wieder aufzudosieren nachdem die antimykotische Prophylaxe abgesetzt ist – eigentlich eine logische Maßnahme, die aber im hektischen Klinikalltag manchmal untergeht.
Referenzen:
1. Stemler, Jannik, Dr. med., Universitätsklinik Köln, Vortrag: Overview of Guidelines: Antifungal prophylaxis in adult acute myeloid leukemia treated with novel target therapies. Sitzung: EHA Guidelines on Antifungal prophylaxis and therapy in patients with AML treated with new agents, EHA Kongress 2022, Wien, 16.06.2022.
2. Stemler J et al. Antifungal prophylaxis in adult patients with acute myeloid leukaemia treated with novel targeted therapies: a systematic review and expert consensus recommendation from the European Hematology Association. Lancet Haematol. 2022 May;9(5):e361-e373. doi: 10.1016/S2352-3026(22)00073-4. Erratum in: Lancet Haematol. 2022 Jun;9(6):e398. PMID: 35483397.