Krebsbedingte Fatigue: Was hilft – und was nicht?

Bis zu 90 % aller Krebspatienten leiden während der Behandlung unter einer starken, unverhältnismäßigen Erschöpfung. Obwohl das Phänomen so häufig ist, sind die Mittel dagegen begrenzt. Doch für einige Maßnahmen gibt es eine gute Evidenz.

Was ist Fatigue?

Klar ist: Eine „One-Fits-All-Therapie“ kann es bei der Fatigue nicht geben. Zu heterogen ist dieses nach wie vor wenig verstandene Syndrom, als dass es eine einheitliche Behandlung für jeden Betroffenen geben könnte. Vielmehr setzen die therapeutischen Ansätze an verschiedenen Stellen an. Sie zielen darauf ab,

  1. die körperliche Aktivität zu erhöhen
  2. den emotionalen Stress zu senken sowie
  3. Coping-Strategien zu erlernen.     

Doch wie wird das am besten erreicht, und wie wirksam sind die einzelnen Maßnahmen?

Sport und Bewegung: klare Leitlinienempfehlung

Die ESMO (European Society for Medical Oncology)-Leitlinie Fatigue empfiehlt moderates Kraft- und Ausdauertraining auf der Basis eines hohen Evidenzlevels (I, B). Auch allgemeine körperliche Aktivität wird propagiert, allerdings ist die Evidenz hier weniger stark (Level II, B). Das American College of Sports Medicine (ACSM) empfiehlt sogar ein moderates bis anstrengendes Training. Die Intensität sollte sich jedoch stets nach der jeweiligen körperlichen Fitness richten.

Maßnahmen auf emotionaler und kognitiver Ebene

Sogenannte Body-Mind-Interventionen wie Yoga, Tai Chi und Qigong schließen neben der physischen auch die emotionale Dimension der Fatigue mit ein. Ein aktuelles Review aus zahlreichen randomisiert-kontrollierten Studien bescheinigte Yoga zum Teil signifikante Effekte. Die ESMO empfiehlt die Übungen derzeit mit einem Evidenzlevel II, C.

Primär auf Bewältigungsstrategien (Coping) zielen psychosoziale Interventionen ab. Sowohl Psychoedukation als auch die kognitive Verhaltenstherapie können dabei helfen, mit der Fatigue besser umzugehen. Als wirksam haben sich vor allem ein Gruppensetting und die Bearbeitung von Kognitionen erwiesen.

Medikamente bei Fatigue: geringe Evidenz

Eine medikamentöse Therapie wird bei Fatigue lediglich symptomorientiert eingesetzt, z. B. bei einer manifesten Depression, bei endokrinen Störungen oder einer Anämie. Die verfügbaren Studien sind jedoch limitiert und lassen keine klaren Positiv-Empfehlungen zu. Nicht empfohlen werden derzeit u. a. Modafinil/Armodafinil, Antidepressiva und Donepezil. Für Methylphenidat gibt es keinen Konsensus, und Steroide werden lediglich bei metastasierter Erkrankung zur Symptomkontrolle empfohlen (Evidenzlevel II, B).

Obwohl das Thema Fatigue infolge der Corona-Pandemie und (seltener) Post-Covid-Fälle mehr in den Fokus gerückt ist, kommt ihm bei (häufig betroffenen) onkologischen Patienten nach wie vor wenig Aufmerksamkeit zu. Es fehlen gut aufgesetzte, aussagekräftige Studien zu wirksamen Interventionen wie auch grundsätzlich ein Verständnis der dahinterstehenden pathophysiologischen Prozesse. Es ist zu hoffen, dass es beim nächsten DKK bereits mehr zu berichten gibt.

Quellen:
  1. Schmidt M: Aktuelle Evidenz zu effektiven Therapien bei Fatigue. Session Krebsbedingte Fatigue ‒ wie kann Betroffenen wirksam geholfen werden?, Deutscher Krebskongress 2024, Hannover, 21.-24.02.2024.
  2. Fabi A et al. Cancer-related fatigue: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis and treatment. Ann Oncol (2020); 31(0): 0-0.