Tumorschmerz V3.0: aktualisierte und innovative Praxis-Leitlinie

Seit Erscheinen der Erstfassung der DGS-Leitlinie im Jahr 2013 sind zehn Jahre vergangen – Zeit für eine Revision. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. hat ihre Empfehlungen grundlegend überarbeitet.

3 Säulen: Externe Evidenz, Alltagstauglichkeit und Patientenbeteiligung

Gleich im ersten Kapitel steht die Patientenautonomie. Jeder Tumorpatient hat Anspruch auf eine umfassende Beratung und individualisierte Behandlung. Schmerztherapie in diesem Sinn ist mehr als die Reduktion der körperlichen Beschwerden. Sie umfasst sämtliche Schmerzqualitäten und zielt auf die subjektive Lebensqualität der Betroffenen.

Was gehört zur schmerzmedizinischen Diagnostik?

Entsprechend breiten Raum nimmt die Diagnostik ein. Es muss differenziert werden zwischen akuten und chronischen, nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen. Darüber hinaus lassen sich organisch manifeste von subjektiv erlebten Symptomen unterscheiden. 

Zum sogenannten "total pain"- Konzept im palliativen Bereich gehören somit neben körperlichen auch psychologische, soziale, spirituelle und juristische Aspekte. Hilfreich für die Diagnostik sind Fragebögen wie das "Brief Pain Inventory". Es gilt als Mindeststandard für die Erhebung der verschiedenen Schmerzqualitäten.

WHO und DGS: Wozu zwei Leitlinien bei Tumorschmerz?

Die DGS setzt sich mit ihrer neuen Praxis-Leitlinie bewusst von der 2019 erschienenen WHO-Leitlinie ab und sieht sie als Ergänzung zu den rein evidenzbasierten Empfehlungen. Zudem fokussiert sie im Gegensatz zum weltweiten Anspruch der WHO auf die spezifischen nationalen Gegebenheiten in Deutschland und kommt somit zu teils abweichenden Beschlüssen.

So werden Wirkstoffe wie Paracetamol und Acetylsalicylsäure, die zwar weltweit verfügbar sind, aber klinisch wenig überzeugen, nicht primär empfohlen. Stattdessen gilt Hydromorphon aufgrund seiner guten Verträglichkeit und seines breiten Einsatzgebietes bei neuropathischen, nozizeptiven und viszeralen Schmerzen als bevorzugte Substanz.

Neu aufgenommen wurde das atypische Opioid Tapentadol, das vor allem bei neuropathischen Schmerzursachen wirkt und in der Regel keine Obstipation auslöst. Auch D,L-Methadon bekam eine Empfehlung (Evidenzgrad B), sollte allerdings aufgrund seiner interindividuell unterschiedlichen Wirkung nur von erfahrenen Schmerzmedizinern eingesetzt werden.

Was bedeutet personalisierte Schmerztherapie?

Eine adäquate, personalisierte Schmerztherapie nimmt auch Begleiterkrankungen in den Blick. Insbesondere bei Leber- oder Niereninsuffizienz muss die Behandlung entsprechend angepasst werden. Auch Nebenwirkungen sind zu berücksichtigen und können den ursprünglichen Therapieplan durchkreuzen. Schließlich sind die Besonderheiten geriatrischer Patientinnen und Patienten zu beachten. Ihnen ist in der neuen Leitlinie ein eigenes Kapitel gewidmet.

Leitlinie Tumorschmerzen: Im Einklang mit Patientenbedürfnissen

Die Behandlung von Tumorschmerzen geht über die reine Pharmakotherapie hinaus. Die aktualisierte DGS-Leitlinie trägt der umfassenden Lebenswirklichkeit onkologischer Patientinnen und Patienten Rechnung und versteht Schmerz in all seinen Qualitäten als komplexes Phänomen. Zugleich ist sie konkrete Praxisanleitung im besten Sinn, die Anwendererfahrungen und Patientenansprüche gleichermaßen miteinbezieht. Ihre 117 Empfehlungen sind somit ein nützlicher Begleiter für den klinischen Alltag.
 

Quellen: