Supportivtherapie in der Onkologie: Leitlinien werden zu wenig umgesetzt

Supportive Maßnahmen können nicht nur die Lebensqualität von Krebspatienten verbessern, sondern sind auch essenziell für den Erfolg der onkologischen Behandlung – allerdings nur, wenn sie auch umgesetzt werden. Daran hapert es noch gewaltig.

Empfehlungen zur Supportivtherapie in der Onkologie:

Zertifizierte Zentren setzen Leitlinien besser um 

In der Praxis werden diese Empfehlungen jedoch erschreckend selten umgesetzt, wie mehrere Studien gezeigt haben. Dabei wurden je nach Krankheitsbild Hämatologen/Onkologen und onkologisch spezialisierte Fachärzte in Praxen und Kliniken zur Umsetzung entsprechender Leitlinien befragt. Neben der grundsätzlich mangelhaften Implementierung fiel auf: Es gab auch Unterschiede zwischen den Fachdisziplinen, der jeweiligen Erfahrung der Ärzte sowie zwischen verschiedenen Einrichtungen.

Ein Beispiel: Eine leitliniengerechte G-CSF-Prophylaxe bei einem hohen Neutropenierisiko erfolgte bei > 80 % der zertifizierten Zentren, während sie nur in 72,4 % der nicht zertifizierten Zentren umgesetzt wurde. Bei einem mittleren Risiko erfüllten allerdings selbst die zertifizierten Zentren nur zu 53,8 % den Standard.

Bei der antiemetischen Prophylaxe sieht es nicht viel besser aus. Vor allem in der verzögerten Emesisphase wurden die Empfehlungen oft (bei 62,6 % der Chemotherapiezyklen) nicht eingehalten. Hämatologen/Onkologen waren verglichen mit anderen Fachrichtungen besonders nachlässig.

Osteoprotektion vor allem beim Lungenkarzinom unzureichend 

Bei der Osteoprotektion wird die Einhaltung der Leitlinien häufig vernachlässigt. Obwohl eine frühzeitige osteoprotektive Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab eindeutig mit einer Linderung knochenbezogener Beschwerden verbunden war, erhielten die meisten Patienten keine leitliniengerechte Behandlung – insbesondere unter Berücksichtigung der empfohlenen Supplementierung mit Kalzium und Vitamin D. Nur etwa 15 % der Patienten mit Lungenkarzinom wurden tatsächlich lege artis versorgt.

Auch bei sekundärem Antikörpermangel, bei chronischer lymphatischer Leukämie und multiplem Myelom zahlt sich die Einhaltung der Empfehlung für eine Immunglobulinsubstitution aus: Sie ging mit weniger und leichteren Infektionen einher. Trotzdem wurde die Leitlinie bei Hypogammaglobulinämie und Indikation zur IgG-Gabe in weniger als einem Viertel der Fälle befolgt.

Anämie selten erkannt und adäquat therapiert 

Bleibt zuletzt das Management der Anämie, der häufigsten Begleiterkrankung bei Krebs. Nur 29,6 % der Patienten wurden leitlinienkonform diagnostiziert, und lediglich 25,8 % erhielten eine entsprechende Therapie. Insgesamt wurden Eisen- und Erythropoese-stimulierende Agenzien zu selten verabreicht und Bluttransfusionen zu häufig. Letztere waren in 37,5 % der Fälle gemäß Leitlinien nicht indiziert.

Bei der Umsetzung einer leitliniengerechten Supportivtherapie für onkologische Patienten bleibt also noch viel zu tun. Das zeigt sich auch daran, dass Supportivmaßnahmen bei der Zertifizierung onkologischer Zentren bislang kaum eine Rolle spielen. Der Bedeutung dieser integralen onkologischen Begleittherapie wird das bei weitem nicht gerecht.

Quelle:
  1. Link H et al. Leitlinienadhärenz bei Anämiemanagement, Neutropenieprophylaxe, Osteoprotektion, Immunglobulinsubstitution und Antiemese. Onkologie 2024; 30: 592–600. https://doi.org/10.1007/s00761-024-01550-x.