Umdenken bei der Therapie der akuten, unkomplizierten Zystitis: Laut Leitlinie ist, in Abhängigkeit vom Schweregrad, nun eine symptomatische Therapie als Alternative zur Antibiose möglich. "Zystititden - ein Update" war Thema eines Satelliten-Symposiums auf der 70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) in Dresden.
Harnwegsinfektionen (HWI) sind sehr häufig - die Inzidenz liegt bei 250 Millionen Fälle pro Jahr weltweit, so Dr. Jakhongir Alidjanov, Gießen. Bislang gibt es kein einfaches Tool für die genaue Diagnose und Verlaufskontrolle der akuten Zystitis. Der ACSS-Fragebogen für Patienten soll das ändern, er erfasst auch Symptome und Schweregrad.
Diverse Studien haben die hohe diagnostische Verlässlichkeit des ACSS für die für die akute Zystitis nachgewiesen. Auch ist die Verlässlichkeit des ACSS- Fragebogens ist hoch genug, um die Diagnose einer akuten Zystitis bei Patientinnen zu stellen. Dabei ist die Symptomschwere bei der Diagnose von besonderer Bedeutung, betonte Alidjanow. Typische Scores des ACSS sind häufiges Wasserlassen, Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen, Restharngefühl, Balsenschmerzen, Blut im Urin. Je höher der Gesamtscore ausfällt (≥ 9), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer akuten Zystitis.
Die Diagnose über den ACSS ist zeitsparend und kann zur alltäglichen klinischen Anwendung und auch in der Praxis empfohlen werden. Die Verwendung des ACSS kann eine Vereinheitlichung bei erhobenen (klinischen) Daten bringen. Alidjanow hob hervor, dass weitere gutgeplante Studie mit einheitlicher Terminologie, Standards und Protokollen wünschenswert sind, um die Diagnosestellung der AZ weiter zu verbessern und vergleichen zu können.
Wie die leitliniengerechte Therapie von akuten, unkomplizierten Zystitiden aussieht, stellte Dr. Jennifer Kranz, Eschweiler, vor. Entsprechend der S3-Leitlinie wird eine Zystitis angenommen, wenn sich die akuten Symptome nur auf den unteren Harntrakt begrenzen, z.B. neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen, imperativer Harndrang, Pollakisurie, Schmerzen oberhalb der Symphyse. Als unkompliziert wird eine HWI eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen, die eine HWI bzw. gravierende Komplikationen begünstigen.
Bei Frauen, die
kann das Vorliegen einer unkomplizierten Zystitis mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden (Evidenzgrad IIa).
Bei der akuten, unkomplizierten Zystitis sollte eine antibiotische Therapie empfohlen werden. Bei Patientinnen mit leichten bis mittelgradigen Beschwerden kann die alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patienten ist notwendig.
Kranz erinnert daran, dass die Antibiotika-Resistenzen ein zunehmendes globales Problem darstellen. Die Resistenz von E. colil gegenüber Ciprofloxacin ist von 10,3% auf 14,7% gestiegen. Zunehmend zeigen sich auch Resistenzen gegenüber Cotrimoxazol und Ampicillin. Ziel der Leitlinie ist deshalb auch die Vermeidung eines eines unangemessenen Einsatzes bestimmter Antibiotikaklassen.
Kranz hebt hervor, dass die Indikation zu einer Antibiotikatherapie kritisch gestellt werden, um unnötige Therapien zu vermeiden und Resistenzentwicklungen zu reduzieren (Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad V). Bleibt eine unkomplizierte Harnwegsinfektion auf die Harnblase begrenzt, so ist auch bei rezidivierenden Episoden nicht mit gravierenden Komplikationen zu rechnen (Evidenzgrad IIc). Die Spontanheilungsrate einer akuten unkomplizierten Zystitis ist hoch und liegt klinisch bei 28%, klinisch & mikrobiologisch bei 37%.
Bei unkomplizierter Zystitis soll vorzugsweise eines der folgenden Antibiotika eingesetzt werden: Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam, Trimethoprim.
Folgende Antibiotika sollen bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden: Cefpodoxim-Proxetil, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol, Levofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin.
Die Auswahl eines Antibiotikums sollte diese Kriterien berücksichtigen:
Alternative Therapieoptionen bei akuten, unkomplizierten Zystitiden stellte PD Dr. Winfried Vahlensieck, Bad Nauheim, vor.
Vorteile der nicht-antibiotischen, symptomatischen Therapie:
Nachteile der nicht-antibiotischen Therapie:
Schlussfolgerungen:
Neue Studiendaten zur Behandlung der akuten, unkomplizierten Zystitis mit einem Phytotherapeutikum stellte Prof.Dr. Florian Wagenlehner, Gießen, vor. In der randomisierten, doppelblinden multinationalen Phase-III-Studie CanUTI-7 wurde die Effektivität des Phytotherapeutikums BNO1045 bei akuter, unkomplizierter Zystitis untersucht. Eingeschlossen waren 659 Patienten, die entweder auf 7 Tage BNO1045 (2 Dragees 3/Tag) + 1x Fosfomycin Placebo (n=325) oder auf 1x Fosfomycin (3g) + 7 Tage RTL Placebo (n=334) randomisiert wurden.
Primärer Endpunkt war die Nicht-Unterlegenheit von BNO 1045 (RTL) im Vergleich zu Fosfomycin Trometamol hinsichtlich des Bedarfs einer zusätzlichen Antibiotika-Therapie. Sekundärer Endpunkt war der Rückgang der Symptome. Unter Fosfomycin erreichten 89,77 % der Patienten den primären Endpunkt (keine zusätzliche Antibiotika-Therapie zwischen Tag 1 und 38) und unter BNO 1045 waren es 83,51% der Patienten. Wagenlehner wertet die Studienergebnisse als evidenzbasierte, nicht antibiotische Therapieoption für die Primärtherapie der akuten, unkomplizierten Zystitis.
Referenzen:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologe, "Satellitensymposium Bionorica: Paradigmenwechsel in der Therapie von akuten, unkomplizierten Zystitiden – ein Update", Kongresszentrum Dresden, 26. bis 29. September 2018.