Antibiotika bei HNO-Infektionen: ja oder nein?

Antibiotika können Leben retten, bei unsachgemäßem Gebrauch aber auch großen Schaden anrichten. In Zeiten zunehmender Resistenzbildung sollten sich HNO-Ärzte gut überlegen, wann sie wem welches Antibiotikum verschreiben.

Gefahren beim nicht indizierten Einsatz von Antibiotika:

Fast die Hälfte der ambulanten Antibiotikaverordnungen bei Kindern entfällt auf akute Hals-, Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen. Dabei werden sie oft durch Viren hervorgerufen. Und auch wenn Bakterien mit im Spiel sind, verlaufen die meisten Infektionen selbstlimitierend. 

Anders sieht es bei schweren bakteriellen Infektionen aus. Hier können Antibiotika Komplikationen und potenziell letale Verläufe verhindern. Entsprechend zweitrangig sind daher eventuelle Nebenwirkungen oder Resistenzen. Wichtig ist jedoch, Substanzen auszuwählen, die die Erreger auch wirklich abdecken und möglichst schnell eliminieren.

Scores zur Einschätzung der akuten Tonsillopharyngitis 

Doch wie lassen sich leichte, viral bedingte, von möglicherweise schweren bakteriellen Infektionen unterscheiden? Bei der akuten Tonsillopharyngitis lässt sich die Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Genese anhand probater Scores gut abschätzen. Dabei spielen folgende Kriterien, die mit je einem Punkt bewertet werden, eine Rolle:

Je nachdem, wie viele dieser Kriterien erfüllt sind, ist eine Infektion mit A-Streptokokken (Streptococcus pyogenes), dem häufigsten bakteriellen Erreger der akuten Tonsillopharyngitis, mehr oder weniger wahrscheinlich. Erst bei mindestens drei Punkten sollte eine Antibiose überhaupt erwogen werden. Wenn sie indiziert ist, ist Penicillin V Mittel der Wahl, alternativ Cephalosporine der Gruppe 1 oder Makrolide.

Otitis media und Rhinosinusitis meist viral bedingt 

Auch die akute Otitis media (AOM) und die Rhinosinusitis (ARS) sind meist viral bedingt und werden entsprechend primär symptomatisch behandelt. Antibiotika sind hingegen schwer erkrankten Patienten mit starken Schmerzen oder relevanten Vorerkrankungen vorbehalten. Hiervon profitieren insbesondere:

Vorherrschend bei AOM und ARS sind Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae. Daher sollte Amoxicillin als Erstlinientherapie zum Einsatz kommen. Alternativen sind Cefpodoxim, Cefuroximaxetil, Makrolide, Clindamycin, Cotrimoxazol und Doxycyclin.

Eine chronische Rhinosinusitis ist dagegen ganz klar keine Indikation für eine antibiotische Therapie, da es sich hierbei schlicht nicht um eine Infektionskrankheit handelt. Sie wird mit Kochsalznasenspülungen und kortisonhaltigem Nasenspray sowie ggf. einer endoskopischen Nasennebenhöhlenoperation behandelt.

Rezept „on demand“ hilft, Antibiotika einzusparen

Akute Infektionen der oberen Atemwege sind meist viral bedingt und sollten nur bei schwerem Verlauf und Hinweisen auf eine bakterielle Genese antibiotisch behandelt werden. Dabei gilt: so gezielt und so kurz wie möglich. Wer sich als Arzt nicht sicher ist, kann ein Rezept „on demand“ verordnen: Der Patient erhält es, soll es aber nur dann einlösen, wenn sich die Beschwerden nicht bessern oder sogar zunehmen. Auch damit lässt sich die unnötige und schädliche Einnahme von Antibiotika effektiv reduzieren.

Quelle:
  1. Olzowy B. Kalkulierte antibiotische Therapie bei bakteriellen HNO-Infektionen: Wann sind Antibiotika bei HNO-Infektionen angemessen? HNO-Nachrichten 2024; 54 (6): 34-38.