Das Ziel der AIT liegt in der Entwicklung einer klinischen und immunologischen Toleranz durch Induktion von regulatorischen T-Zellen, welche die entzündliche/ allergische Th2-Immunreaktion auf das Allergen herunterregulieren. Im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Behandlung der allergischen Symptome kann die AIT als kausaler Therapieansatz nachweislich den Medikamentenverbrauch senken und war hierdurch in Studien auf lange Sicht kosteneffektiver.3 Allergische Rhinokonjunktivitis und allergisches Asthma bronchiale verursachen beträchtliche direkte, indirekte und intangible Kosten.2 Die allergischen Symptome werden durch eine AIT reduziert, was auch mit einer höheren Arbeitsproduktivität einhergeht. Schließlich wird der Einsatz einer AIT früh im Verlauf einer Allergie empfohlen, weil sie das Risiko eines Etagenwechsels zum allergischen Asthma bronchiale verringern kann.1,4
Die Wirksamkeit einer subkutanen (SCIT) und sublingualen Immuntherapie (SCIT) ist anhand systematischer Übersichtsarbeiten für bestimmte Indikationen, Allergene und Altersgruppen dokumentiert. Auch bei leichteren Symptomen kann eine AIT durchgeführt werden, um deren krankheitsmodifizierenden Effekt zu nutzen.
Neben der Evidenzlage zur AIT bei allergischer Rhinokonjunktivitis beleuchtet die Leitlinie auch umfassend die Daten zum allergischem Asthma bronchiale, wobei letztere eine größere Heterogenität aufweisen. Zu einigen pneumologisch besonders relevanten Punkten gibt die Leitlinie folgende Empfehlungen ab:1,2
Gräserpollen:
Bei gut oder partiell kontrolliertem saisonalen Asthma durch Gräserpollenallergie, so das Fazit der Leitlinie, sollte eine AIT in dieser Indikation bei Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen durchgeführt werden.
Die Effektivität der SCIT mit Gräserpollenextrakten bei saisonalem allergischem Asthma ist bei Erwachsenen gut und bei Kindern nur durch wenige Studien belegt. Für die Empfehlung einer SLIT bei durch Gräserpollen ausgelöstem allergischem Asthma gibt es derzeit nur begrenzte Evidenz. Real-World-Analysen liefern jedoch Hinweise, dass Betroffene nach SLIT weniger Asthmamedikamente benötigten und ein vermindertes Risiko für ein neu auftretendes Asthma haben.
Baumpollen:
Bei gut oder partiell kontrolliertem saisonalem Asthma, ausgelöst durch eine Betulaceae-Allergie, kann eine AIT in dieser Indikation bei Erwachsenen und Kindern durchgeführt werden.
Die Evidenzlage zur SCIT ist sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern gering, Hinweise auf eine Wirksamkeit liegen jedoch aus Real-World-Analysen vor. Untersuchungen zur SLIT kamen zu divergierenden Ergebnissen.
Hausstaub:
Bei Asthma, welches mit einer Hausstaubmilbenallergie assoziiert ist, kann eine SCIT oder SLIT erfolgen. Voraussetzung hierfür ist eine zumindest partielle Asthmakontrolle, unabhängig vom Therapieniveau. Diese sollte im Verlauf der Therapie immer wieder überprüft werden. In höheren Asthmatherapiestufen sollte die Indikation für die AIT von hinreichend erfahrenen allergologisch tätigen Pneumologen bzw. Kinderpneumologen gestellt und die Behandlung begleitet werden.
Die Sicherheit und Wirksamkeit von SCIT und SLIT bei durch Hausstaubmilben ausgelöstem Asthma ist bislang am besten untersucht, vor allem bei Erwachsenen. In Studien ist beispielsweise eine signifikante Reduzierung der Asthmamedikation sowie der Exazerbationen und eine Verbesserung der Asthmakontrolle durch eine SLIT beschrieben.1,2
Auswahl des Präparates und Sicherheit
Die Leitlinie unterstreicht, dass sich keine verallgemeinernden Aussagen zur Wirksamkeit aller Präparate einer Applikationsform treffen lassen, da Allergenkonzentrationen und Datenlage einzelner Präparate zu unterschiedlich sind. Auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI) findet sich eine tabellarische Übersicht einer präparatespezifischen Beurteilung der AIT-Produkte, welche die homologen Gruppen der Gräser-, Baumpollen und Hausstaubmilben-Allergene abdecken.1,2
Präparate für häufige Allergenquellen (Pollen von Süßgräsern außer Mais, Birke, Erle, Hasel, Hausstaubmilben, Bienen und Wespengift) müssen in Zulassungsverfahren auf Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit untersucht werden. Für seltenere Allergieauslöser (z.B. Beifuß, Esche, Alternaria, Tierallergene, Vorratsmilben) sind zuweilen Individualrezepturen erhältlich, die nicht der Therapieallergenverordnung unterliegen.5
Verschiedene Kontraindikationen gegen den Einsatz der AIT sind zu beachten. Aus pneumologischer Sicht ist ein unkontrolliertes Asthma die wichtigste Kontraindikation. Die Durchführung der AIT sollte durch Ärzte erfolgen, welche entweder die (Zusatz‑)Weiterbildung Allergologie oder ausreichende Erfahrungen mit dieser Therapie haben und zur Notfallbehandlung unerwünschter Arzneimittelwirkungen in der Lage sind.
Die Empfehlungen im Detail
Alle detaillierten Empfehlungen zur Indikationsstellung für den Beginn der AIT sowie der klinische Algorithmus zu fachgerechter Diagnostik und Therapiefestlegung sind in der Langfassung der Leitlinie festgehalten.
- Neue Leitlinie zur Allergen-Immuntherapie. springermedizin.de https://www.springermedizin.de/asthma-bronchiale/allergische-rhinitis/neue-leitlinie-zur-allergen-immuntherapie/24015214.
- Pfaar, O. et al. Guideline on allergen immunotherapy in IgE-mediated allergic diseases. Allergol Select 6, 167–232 (2022).
- Asaria, M. et al. Health economic analysis of allergen immunotherapy for the management of allergic rhinitis, asthma, food allergy and venom allergy: A systematic overview. Allergy 73, 269–283 (2018).
- Valovirta, E. et al. Results from the 5-year SQ grass sublingual immunotherapy tablet asthma prevention (GAP) trial in children with grass pollen allergy. Journal of Allergy and Clinical Immunology 141, 529-538.e13 (2018).
- Deutscher Allergie- und Asthmabund. Neue Leitlinie Hyposensibilisierung. https://www.daab.de/blog/2022/10/hyposensibilisierung-neue-leitlinie/.
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