Kasuistik: Hautläsionen am Körper – Was plagt den Patienten?

Ein 24-jähriger Patient ist vor kurzem aus dem Urlaub zurückgekehrt und wird mit auffälligen Hautläsionen in der Praxis vorstellig. Können Sie die richtige Diagnose stellen?

Urtikariell anmutenden Läsionen an Armen, Beinen, Rumpf und Hals

Anamnese:

Der 24-jährige Lehramtsstudent war mit einigen Freunden in Nordschweden wandern. Zuletzt hatten sie einige Tage in einem Bauernhaus übernachtet. Dort hatte er solche Freude an einer Katze mit ihren Jungen gehabt, dass er die Tiere kurzerhand mit ins Schlafzimmer genommen hatte. Am Vortag zurückgekehrt, stellt er sich nun mit heftig juckenden, ubiquitär am Körper verteilten Hautläsionen vor. Er vermutet Mückenstiche.  

Hautbefund:

Die urtikariell anmutenden Läsionen finden sich an den Armen, Beinen, aber auch am Rumpf und am Hals. Auffällig ist die teils lineare Konfiguration (Abb.1). Dermatoskopisch sind teils zentrale Hämorrhagien nachweisbar (Abb. 2). Es bestehen keine Systemzeichen wie Fieber oder reduzierter Allgemeinzustand.                                                                                                                

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Abb. 1: Am rechten Handrücken und angrenzenden Unterarm finden sich multiple, bis 1 cm durchmessende urtikarielle Plaques. Ähnliche Läsionen auch an der rechten Hand. Ähnliche gruppiert und auch teilweise länglich konfigurierte entzündliche Läsionen finden sich auch an den Knöcheln der Beine, am seitlichen Rumpf sowie an den Halsseiten. 

Wie lautet Ihre Diagnose?

Therapie und Verlauf:

Die juckenden, auffällig konfigurierten und an hauptsächlich frei getragenen Hautarealen manifestierten, juckenden Plaques ließen von Beginn an an Stichreaktionen denken. In Frage kamen Mücken, Flöhe und Bettwanzen.

Tatsächlich bietet Nordschweden mit seinen Süßwasser-Seen und Sumpfgebieten den Mücken günstigere klimatische Bedingungen als der Süden. Die wichtigsten Vertreter der rund 50 Stechmücken-Arten in Schweden sind Anopheles, Aedes, Culiseta und Culex. Je nach individueller Immunreaktivität können die Stichmarken auch urtikariell anmuten. Allerdings findet sich dabei eine eher zufällig regellose Anordnung der Stiche unter Beteiligung des Kopfes. Da der Patient auf Nachfrage berichtete, auch freien Oberkörpers gewandert zu sein, hätten auch dort Stichstellen zu finden sein müssen.

Das Vorliegen von Flohstichen erschien vor dem Hintergrund der Kätzchengeschichte nicht ganz abwegig. Tatsächlich ist der Menschenfloh (Pulex irritans) unter hygienischen Verhältnissen sehr selten. Hunde- und eben Katzenflöhe (Pulex canis, Pulex felis) dagegen sind häufig, insbesondere nach engem körperlichen Kontakt, wie im vorliegenden Fall. Die Stiche sind allerdings zumeist in Dreiecksform angelegt („breakfast, lunch, dinner“). Außerdem besteht zumeist eine besonders starke und schon makroskopisch sichtbare ausgeprägte hämorrhagische Komponente im Zentrum der Einzeleffloreszenz. Zudem sind die Flöhe auch schon bei den befallenen Tieren zu bemerken.

Blieben noch die Bettwanzen. Cimex lectularius lebt in Bettnähe (meistens nicht im Bett selbst!) in Möbelritzen, hinter Tapeten, ins Vorhängen usw. Erst nachts rücken die lichtscheuen Anthropoden zum Blutsaugen aus, sie werden von der Körperwärme und dem CO2-Ausstoß ihrer menschlichen Opfer angelockt. Charakteristisch ist, dass die nicht textilbedeckten Körperstellen betroffen sind, also Arme Beine und Hals wie im vorliegenden Fall. Die lineare Konfiguration ist das Ergebnis der Abfolge von Probierstichen bis die Vene gefunden wird und der finale Saugstich gelingt.  Es ist auch oft so, dass bei mehreren Schläfern nur einer „ausgesucht“ wird (Abb. 2).


Abb. 2: Cimex lectularius beim Stichakt, bei dem der Saugrüssel die Haut durchbohrt (Quelle Foto: ©  Piotr Naskrecki/dpa).

Ein weiteres Charakteristikum des Wanzenstiches ist, dass sich die Hautreaktion erst mit einiger Latenz, so etwa nach 24 bis 48 Stunden, entwickelt. Flohstiche und Mückenstiche sind zumeist eher präsent.

Wanzen, Flöhe und Mücken saugen nicht nur Blut, sondern in Vorbereitung dessen „injizieren“ sie mit ihren Stechrüsseln auch einen ganzen „Cocktail“ von biogenen Proteinen in die Haut. Diese wirken teils gerinnungshemmend, was die hämorrhagische Komponente erklärt. Zudem sorgen lokalanästhetisch wirkende Proteine dafür, dass der Juckreiz erst eintritt, wenn die Anthropoden sich bereits wieder zurückgezogen haben. Und schließlich bewirkt die allergene Wirkung eine individuell ganz unterschiedliche Iktusreaktion. In selteneren Fällen kann es auch zu Systemreaktionen mit Fieber und Unwohlsein oder sogar zu anaphylaktischen Komplikationen kommen. Bei Wanzenstichen finden sich vergleichsweise diskretere Hämorrhagien (Abb. 3).  

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Abb. 3: Die teils schon makroskopisch sichtbaren Hämorrhagien lassen sich dermatoskopisch deutlich darstellen, sie sind im Gegensatz zur urtikariellen Rötung nicht wegdrückbar.

In Gesamtschau von Anamnese und Klinik hat sich der Patient also eine Cimicosis von der Schwedenreise „mitgebracht“.

Da sich die Wanzen wieder in ihre Verstecke zurückziehen, bedarf es einer ausschließlich antiinflammatorischen Therapie. Im vorliegenden Fall wurde eine externe steroidale Behandlung mit Mometason-Creme zweimal täglich im Wechsel mit Lotio zinci oxidati durchgeführt. Anfänglich wurde zusätzlich antipruritisch mit Ebastin 20mg 1—-/ d p.o. therapiert. Ebastin durchdringt nicht die Blut-Hirn-Schranke und hat daher keine sedierende Effekte wie andere Antihistaminika.

Wanzenbefall nimmt zu, bei fehlender Meldepflicht gibt es allerdings kaum belastbare statistische Daten. Auch ins eigene Heim können Wanzen über den Kauf alter Möbel, gebrauchter Matratzen aber auch über eigenes Reisegepäck eingeschleppt werden. Wanzenbefall in der Häuslichkeit ist anhand bestimmter Hinweise zu ermitteln: Dazu zählen Blutspuren und Kotspuren (dunkle Punkte), Häutungshüllen und klebrige weiße Eier in der Tapete, auf Fußböden oder in den Matratzen. Bei massiver Präsenz kann sich  ein marzipanartiger Geruch entwickeln. Die Entwesung ist Aufgabe des „Kammerjägers“ , der vorzugsweise mit Raumerhitzung über 55°C die Wanzen vernichtet. Zusätzlich werden Wanzennester abgesaugt, mit Insektiziden besprüht oder mit CO2 und Stickstoff begast. Die Wanzen können 2 bis 3 Monate ohne Nahrung überleben.Auf Reisen sollten Koffer und Taschen geschlossen bleiben, die Unterkunft sollte hinsichtlich der oben genannten Wanzenzeichen überprüft werden.

Lange Zeit galten Bettwanzen als lästig und schienen allenfalls unangenehme allergische Reaktionen oder gelegentlich bakterielle Superinfektionen in Kratzexkoriationen zu verursachen. Inzwischen gilt es allerdings als erwiesen, dass Cimex lectularius auch Trypanosoma cruzzi, den Erreger der potenziell tödlichen Chagaskrankheit, übertragen kann. Dieser von dem brasilianischen Arzt und Infektiologen Carlos Chagas 1907 entdeckte Parasit ist vor allem in Lateinamerika gefürchtet, kann er doch beispielsweise in Herzmuskelzellen oder in den Magen-Darm-Trakt eindringen. Nach jahrelanger Latenz kann es zu Herzinsuffizienz, Krampfanfällen und durch Nervenzerstörung zu Megaösophagus, Megakolon und Peritonitis mit bis zu 10%iger Letalität kommen. Er wird üblicherweise durch Raubwanzen übertragen, jedoch haben Forscher der Universität Pennsylvania gezeigt, dass Bettwanzen sich sowohl an mit der Chagas-Krankheit erkrankten Mäusen anstecken können als auch dann ihrerseits den Parasiten an gesunde Mäuse weitergeben können. Dabei wird Trypanosoma cruzzi nicht über den Speichel der Parasiten, sondern über deren Kot übertragen, in dem er in die juckende Haut „eingekratzt“ wird. Noch gibt es hierzulande keinen Nachweis für eine derartige, durch Bettwanzen übertragene Infektion.

Fazit:

Bettwanzen sind ein deutlich unterschätztes Problem. Sie können auf Reisen in nahezu allen touristischen Quartieren lauern und darüberhinaus noch als „blinde Passagiere“ zum Reisemitbringsel werden. Die linienartig angeordneten, heftig juckenden Stichmarken sind charakteristisch, erfordern aber die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu Mücken- oder Flohstichen. Die lichtscheuen und nachtaktiven Ektoparasiten greifen ausschließlich nächtlich an. Die Behandlung ist antiinflammatorisch und antipruriginös. Die Entwesung der Unterkunft oder gar der eigenen Häuslichkeit erfordert den Kammerjäger. Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Wanzen über die teils heftigen Stichreaktionen hinaus auch potenziell lebensbedrohliche Krankheiten übertragen können.

Literaturverzeichnis:

1. Czaika et al.: Kurzlehrbuch Dermatologie: Infektionskrankheiten der Haut, Erkrankungen durch Parasiten. Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, 3. Aufl. 2023, S77ff.

2. Rahlenbeck S: Cimikose: Bettwanzen – Weltweit auf dem Vormarsch. Etsch Arztebl 2015: 112(19)

3. Wissen: Stumpfe M: Bettwanzen: Schmuddelkleider locken sie an. 29.09.2017, 23:30 Uhr)

4. Kuhn C, Zander Pan A: Bettwanzen - erkennen, vorbeugen, bekämpfen. Bundesumweltamt, Ratgeber.

5. Salazar et al.: Bed bugs (Cimex lectularis) as vectors of Trypanosoma cruzi. In: Am J Trop Med Hyg. pii, 2014, 14-0483.

6. Carlos Chagas: Amerikanische Trypanosomiasis (Chagas’sche Krankheit): Kurze ätiologische und klinische Betrachtungen. s. l., s.n., 1925. 14 S