Übersetzt aus dem Französischen
Sie wurden "HeLa" genannt, die Tumorzellen - ein Akronym der ersten beiden Buchstaben ihres Vor- und Nachnamens. Sie halfen Jonas Salk, seinen Polio-Impfstoff zu testen, trugen zum Aufschwung der Virologie bei und halfen, die Auswirkungen der Strahlung einer Atombombe nachzuvollziehen. Sie spielten auch eine Rolle bei der Entwicklung von Medikamenten gegen HIV, Hämophilie, Leukämie und Parkinson. Wir verdanken ihnen Fortschritte bei der In-vitro-Fertilisation. Auch heute noch liefern sie uns entscheidende Informationen für die Genkartierung und sogar für die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Humane Papillomavirus oder COVID-19. Die Zellen von Henrietta Lacks sind sogar schon in den Weltraum gereist.
Henrietta Lacks wurde 1920 geboren und wuchs in Virginia auf. Sie baute Tabak auf den Feldern an, die ihre Vorfahren einst als Sklaven bewirtschaftet hatten. 1951 entdeckte ein Gynäkologe am Johns-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore (Bundestaat Maryland, USA) eine Verhärtung von der Größe eines Fünf-Cent-Stücks an ihrem Gebärmutterhals. Verwunderlich war, dass einige Monate zuvor bei der Entbindung von Frau Lacks - der Geburt ihres fünften Kindes - keine Anomalie festgestellt wurde.
Damals wurde diese Art von Krebs mit Radium behandelt, das in ein Röhrchen gefüllt und in den Gebärmutterhals eingenäht wurde. Am ersten Tag der Behandlung schnitt der Chirurg zwei kleine Gewebestücke aus Henrietta Lacks heraus, ohne dass sie es bemerkte. Eines stammte aus dem Tumor, das andere aus dem benachbarten gesunden Gewebe. Die Proben wurden anschließend an das Labor von Dr. George Gey geschickt, der mit menschlichen Zellen das erreichen wollte, was anderen 1943 bereits mit Mäusezellen gelungen war: sie im Labor unendlich wachsen zu lassen.
Sechs Monate nach Beginn dieser ersten Radiumbehandlung starb Henrietta Lacks. In Dr. Geys Labor überlebten die Zellen des gesunden Gewebes nur wenige Tage. Die Tumorzellen hingegen wuchsen stetig und verdoppelten sich alle vierundzwanzig Stunden. Später sollte man verstehen, dass sie deshalb unsterblich sind, weil sie durch mehrere Kopien des HPV-Virus verändert wurden.
Im Labor stellte sich heraus, dass die Tumorzellen so aggressiv waren, dass sie andere Zellen in Zellkulturen einnahmen. Die Forscher dachten damals, dass normale Zellen spontan krebsartig werden; tatsächlich waren ihre Zellkulturen aber mit den HeLa-Zellen kontaminiert.
Laut WHO wurden "weltweit mehr als 55 Millionen Tonnen HeLa-Zellen verteilt, die in mehr als 75.000 Studien verwendet wurden". In den USA kostet ein Fläschchen dieser Zellen 861 US-Dollar. Dieses Geld haben Lacks' Familie und ihre Nachkommen nie gesehen. In dem Buch "The Immortal Life of Henrietta Lacks" berichtet die Schriftstellerin Rebecca Skloot, dass die Mitglieder der Familie Lacks nicht einmal genug Geld hatten, um sich ihre eigene Gesundheitsversorgung leisten zu können.
Die Familie hatte im vergangenen Jahr einen amerikanischen Biotechnologie-Riesen verklagt, weil dieser Produkte hergestellt und verkauft hatte, deren Forschungsbasis auf die Zellen zurückzuführen waren, die Henrietta Lacks ohne ihre Zustimmung entnommen wurden. Seitdem bekannt wurde, dass Wissenschaftler ihrer Mutter gegen ihren Willen Zellen entnommen und hinter dem Rücken ihrer Nachkommen vermarktet hatten, herrscht in der Familie Lacks ein tiefes Misstrauen.
Die Kinder von Henrietta wuchsen mit grausamen und absurden Geschichten über ihre Mutter auf; darüber, was die Ärzte mit ihr gemacht hatten, dass Henriettas Klone oder Hybriden auf der Erde herumliefen und dass sie im Einschlaggebiet einer Atombomb lebte. Ein Cousin ersten Grades von Henrietta erklärte Skloot: "Niemand hier hat je verstanden, wie sie gestorben ist und wie dieses Ding immer noch lebt."
In den Jahrzehnten nach dem Tod von Henrietta Lacks werden die Sorge und auch der Zorn ihrer Familie von der Rassenfrage genährt. 1951 wurde Henrietta in die Abteilung für "farbige Frauen" aufgenommen. Zwangsläufig hinterfragt ihre Familie die Art und Weise, wie sie behandelt wurde. Dieses Misstrauen wurde durch den Tuskegee-Skandal in den 1970er Jahren noch verstärkt. Tuskegee ist der Name einer klinischen Studie, die ohne ihr Wissen an Schwarzen Amerikannerinnen und Amerikanern unter dem Deckmantel der medizinischen Versorgung durchgeführt wurde, um mehr über die Entwicklung von unbehandelter Syphilis zu erfahren.
Die medizinische Forschung beschäftigte sich damals kaum mit ethischen Fragen. 1954 behauptete der Virologe Chester Southam gegenüber einem Dutzend Krebspatienten, er wolle ihr Immunsystem testen. In Wirklichkeit injizierte er ihnen HeLa-Zellen, um die Entwicklung ihrer Krankheit besser verstehen zu können. Später wiederholte er diese Injektionen bei Gefangenen oder gynäkologischen Patientinnen. Insgesamt 600 Menschen wurde gesagt, dass es sich um Krebsvorsorgetests handele.
Es wurde ein langer Weg zurückgelegt. Die biomedizinische Forschung wird nun kontrolliert, unterliegt Protokollen und wird von einer Ethikkommission bestätigt. Für die Gewebespende ist eine informierte Einwilligung des Patienten erforderlich.
Dennoch wollte der Generaldirektor der WHO 2021 im Beisein des 87-jährigen Sohnes von Frau Lacks betonen: "Was Henrietta passiert ist, war falsch.... [sie] wurde ausgenutzt. Sie ist eine von vielen Women of Color, deren Körper von der Wissenschaft missbraucht wurde. Sie hat dem Gesundheitssystem vertraut, um sich behandeln lassen zu können. Aber das System hat ihr etwas weggenommen, ohne dass sie es wusste". Ghebreyesus ging noch weiter und sprach offen über die Black Lives Matter-Bewegung: "Wir sind davon überzeugt, dass in der Medizin und in der Wissenschaft das Leben von People of Color zählt. Das Leben von Henrietta Lacks zählte - und zählt noch immer".
“Henrietta Lacks, 1920 - 1951. Mehr als eine Zelle. An all die unerkannten Schwarzen Frauen, die einen Beitrag zur Menschheit geleistet haben, ihr werdet nie vergessen werden.”