Die Geschichte des Kondoms – Eine Zeitreise

Jeder kennt sie: Kondome. Doch nur wenige kennen den Ursprung des kleinen Gummis. Wir werfen einen Blick zurück zu den Anfängen der männlichen Verhütungsmittel.

Internationaler Tag des Kondoms

Im Jahr 2009 ernannte die US-amerikanische Organisation AIDS Healthcare Foundation den 13. Februar zum Tag des Kondoms, mit dem Ziel, weltweit über AIDS aufzuklären und die Menschen zu motivieren, Verhüttungsmittel zu verwenden.

Die Geschichte der Verhütung

Altertum: Verhütungsmittel in antiken Gesellschaften

Bereits 6.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung zeigten einige ägyptische Skulpturen eine Art Hülle, die an einer strategischen Stelle der männlichen Anatomie platziert wurden, ohne dass wir bis heute wirklich wissen, welche Bedeutung dieser Genitalschutz hat. Denn er könnte sowohl auf ein Ritual als auch auf ein echtes Verhütungsmittel oder gar einen Schutz vor Geschlechtskrankheiten hindeuten. Kurz gesagt: die exakten Ursprünge des männlichen Verhütungsmittels sind unklar.

Condom_ancienne_égypte.jpgIn den weit gefassten antiken Gesellschaften bestand – ganz traditionell – die allgemeine Tendenz, dass die Geburtenkontrolle in erster Linie eine Angelegenheit der Frau war, weshalb eine Reihe von Verhütungsmethoden entwickelt wurde. Einige waren reiner Aberglaube, andere Kräutermedizin, wie das berühmte Silphium aus der Kyrenaika, und wieder andere waren potenziell wirksam, wie das Pessar, eine Art Pfropfen aus Gras, Stoff oder Schwamm, das bereits der römische Arzt Celsus in seinen Schriften erwähnte.

Ob es in der griechischen und römischen Antike Kondome – so wie wir sie heute kennen – für Männer gab, ist noch umstritten, da dafür bisher keine konkreten Belege existieren. Doch es gibt Hinweise darauf, dass die Griechen und Römer gelegentlich einen einfachen Schutz verwendeten; eine Art Hülle, die den Penis ummantelt. Was das Material angeht, so erwähnt eine Legende, die mit König Minos in Verbindung gebracht wird, die Verwendung von Fisch- oder Ziegenblasen, während andere Quellen von Schafs- oder Lammdärmen sprechen, die an einem Ende zusammengenäht und am anderen Ende an einem Band befestigt wurden, das um den Penis gebunden wurde.

Renaissance: Syphilis als Treiber der Innovation

Um die ersten konkreten und nachgewiesenen Spuren eines Kondom-Prototyps zu finden, muss man sich der Renaissance in Italien zuwenden; einer Zeit, in der Frankreich versuchte, das Königreich Neapel und das Herzogtum Mailand zu erobern. Inmitten dieser elf aufeinanderfolgenden Kriege mit Italien finden sich die ersten Aufzeichnungen der Syphilis-Epidemie – eine hochansteckende Krankheit, die in Frankreich bis heute auch als "die Pocken" bekannt ist. 

In dem 1564 veröffentlichten Werk "De Morbo Gallico" des italienischen Anatoms Gabrielle Falloppio geht es zwar um die Symptome und Ursachen der Syphilis, doch es enthält auch die erste Beschreibung eines Utensils, das Falloppio erfunden haben soll: eine Art Leinenhülle, die nicht den gesamten Penis, sondern nur die Eichel bedeckt, wobei das Ganze durch eine kleine Schnur, die unter der Basis der Vorhaut geknüpft wird, an Ort und Stelle gehalten wird. Der Text deutet darauf hin, dass das Kondom nach Fallopios Version weder ein Prophylaktikum noch ein Verhütungsmittel per ser, sondern eine Art der Pflege war.

Condom,_England,_London,_Eng..Fallopio kann sich damit rühmen, das Thema im Westen auf die Tagesordnung gesetzt zu haben, wo zu dieser Zeit eine große Vielfalt an Penishüllen in Umlauf gebracht wurde. Die Tatsache, dass die meisten Theologen die Verwendung dieser Hüllen verurteilen, zeigt, dass sie bereits als Verhütungsmittel verwendet wurden – was natürlich im Widerspruch zu den Vorschriften der Kirche stand. Was die Materialien betrifft, so wurde mit dem gearbeitet, was man hatte: geöltes Leinen, aber auch tierische Blasen und Gedärme, die seit jeher von Handschuhmachern und Wurstfabrikanten verwendet werden.

Im Zeitalter der Aufklärung: Sex im Fokus

Im 18. Jahrhundert tauchte das Kondom in literarischen Quellen auf – es gibt unzählige mehr oder weniger direkte Hinweise auf ein Produkt, das nach wie vor handwerklich hergestellt wird, aber nun im wahrsten Sinne des Wortes maßgeschneidert ist. Wie die Materialien variiert auch die Größe, um einerseits den anatomischen Besonderheiten der einen oder anderen Person gerecht zu werden und andererseits die Kunden zufriedenzustellen. Denn diese haben zwar den doppelten Nutzen von Kondomen – Krankheitsprophylaxe und Empfängnisverhütung – verstanden, tragen sie aber aus zwei Hauptgründen nur ungern: Sie sind wenig flexibel, unangenehm anzuziehen und nur schwer in Position zu halten, sie schränken das Gefühlserlebnis ein und gelten darüber hinaus als unzuverlässig – und zu Recht. Neben der natürlichen Porosität einiger Stoffe kommen zusätzlich kleine Löcher, die natürlich entstehen, wenn man bestimmte Produkte mehrmals verwendet, wäscht und trocknen lässt, bevor man sie dann bis zur nächsten Verwendung sorgfältig aufbewahrt. 

Neben einigen wendigen erfahrenen Anwendern kommt in einer Zivilisation, die von den Geboten der Kirche durchdrungen war, noch eine Form der Schmach hinzu: Verhütung ist Sünde, Sex zum Vergnügen ist Ausschweifung. Die meisten Ärzte hielten sich auch daran. Daniel Turner, ein berühmter englischer Arzt, wandte sich 1787 gegen das Kondom, das in seinen Augen keine der ihm zugeschriebenen Rollen erfüllte: Das Kondom war in Bezug auf die Empfängnisverhütung wenig wirksam und hatte in seinen Augen den enormen Nachteil, dass es seine Benutzer zu mehr riskanten Sexualkontakten verleitete, in der irrsinnigen Annahme, vor Syphilis oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten geschützt zu sein.

Das Kondom: Vom Luxusgut zur Massenware

Jahrhunderte hindurch und unabhängig vom verwendeten Material bleibt das Kondom aufgrund des teuren Herstellungsprozesses ein Luxusprodukt. Der Weg vom Schafsdarm zur Handarbeit bis hin zum fertigen Anwendungsprodukt ist mühsam und nur wenige Männer außerhalb der aristokratischen und bürgerlichen Kreise konnten sich den "Luxus" leisten. Frauen dagegen hatten keine bis kaum Möglichkeiten, ein männliches Verhütungsmittel zu erwerben. Für Frauen im Prostitutionsgewerbe lag der Preis für ein Präservativ bei gleich mehreren Monatsgehältern.

Doch bald sollte sich die wirtschaftliche Lage ändern. Das Kondom wurde allmählich zu einem Industrieprodukt, denn der US-amerikanische Chemiker Charles Goodyear hatte im Jahr 1839 ein revolutionäres Verfahren entdeckt: die Vulkanisation, mit der Rohgummi in elastisches und widerstandsfähiges Kautschuk umgewandelt werden konnte. Auf der monumentalen Liste der daraus resultierenden Anwendungen stand das Kondom schnell ganz oben, da Kautschuk auch waschbar und damit wiederverwendbar ist. Als ein gewisser Macintosh, der sich bis dahin auf die Herstellung von Regenmänteln und Luftballons spezialisiert hatte, den richtigen Riecher hatte und 1870 mit der industriellen Produktion von Gummikondomen begann, kam es zu einem echten Epochenwechsel bei der Empfängnisverhütung und der Bekämpfung von sexuell übertragbaren Krankheiten. 

Condom_advertisement_1918.jpgDas Wort "rubber" (englisch für Gummi) wurde zum Synonym für Kondome, die von nun an großflächig verkauft wurden, von Lebensmittelgeschäften über Apotheken bis hin zu Drogerien. Die meisten Menschen gingen üblicherweise zu Randzeiten in die Geschäfte, um diskret das kostbare Produkt zu kaufen. Getragen von der Reklame, die oft – und übrigens bis heute – auf das Skandalon des schmutzigen Humors setzt, wurde das Kondom der neuen Formel zur großen Freude seiner Benutzer schnell in die alltäglichen Sitten aufgenommen.

Die Rückkehr der Moral

Es ist anzumerken, dass natürlich nicht alle die Verbreitung eines Produkts begrüßen, das sehr schnell beschuldigt wurde, negative Auswirkungen auf die Geburtenrate einerseits und auf die öffentliche Moral und die Sitten andererseits zu haben. In der gesamten westlichen Welt wurden Kondome mit Einschränkungen belegt, und die USA sind das beste Beispiel dafür. Während man dort 1870 Kondome buchstäblich überall kaufen konnte – auch im Versandhandel –, verabschiedete der Kongress 1873 den Comstock Act, ein Gesetz, das die Werbung und den Versandhandel "für jeden Artikel unmoralischer Natur oder für jede Droge, jedes Medikament oder jeden Artikel zur Verhütung von Schwangerschaft" illegal machte. In einem Land, in dem die Verbraucher oft weit entfernt von den städtischen Zentren leben, ist dies eine Art, das Kondom zu vernichten, ohne dafür die Verantwortung zu übernehmen, da Washington dies den Bundesstaaten überlässt. 30 Bundesstaaten verbieten in den 1870er Jahren die Herstellung und den Verkauf von Kondomen, was für die Schwarzmarkthändler, die Kondome unter der Hand verkaufen, eine willkommene Abwechslung ist – so wie die Bootlegger die Prohibition nutzen, um geschmuggelten Alkohol zu verkaufen.

Anderswo ist es oft das gleiche Lied, wobei es manchmal zu hübschen Paradoxien kommt, wie in Deutschland und Italien, wo der Verkauf von Kondomen als Verhütungsmittel verboten, zur Vorbeugung von Krankheiten aber erlaubt ist. Auch in England passen sich Händler und Hersteller an und machen es sich zur Gewohnheit, Kondome als Prophylaxe anzupreisen, wobei zumindest scheinbar der mehr rekreative Aspekt des Kondoms vergessen wird. Und in vielen Haushalten hat das Kondom seinen Platz im Medizinschrank, um Paaren, die keine Kinder haben möchten, dabei zu unterstützen. Zwischen 1890 und 1900 zeigte eine in New York durchgeführte Studie, dass 45 % der Frauen in der Stadt Kondome benutzten, um eine ungewollte Schwangerschaft zu vermeiden.

Was das Kondom dem Krieg verdankt

Es waren jedoch die beiden Weltkriege, die die Behörden zum Umdenken veranlassten. In einer Zeit, in der die Entdeckung von Latex eine neue Generation von Kondomen hervorbrachte1, die dünner und angenehmer zu tragen waren, wurde die Gesundheit der Soldaten zu einem wichtigen Thema, da kein Offizier die Hälfte seiner Truppen nach einem Urlaub auf der Seite liegen sehen wollte. Das Kondom wurde daher zusammen mit anderen "pharmazeutischen" Produkten in das Gepäck der deutschen Soldaten aufgenommen. Die US-amerikanischen Truppen kamen bei ihrer Ankunft an der Westfront im Jahr 1917 nicht in den Genuss des Kondoms. Das Ergebnis war dementsprechend: 1918 stellte die US-Armee fest, dass 400.000 ihrer Männer aus Europa mit einer STI zurückgekehrt waren – Gonorrhöe oder Syphilis im Allgemeinen.

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Abb. Hinweis zur Benutzung von Präservativen im deutschen Soldatenbordell in Brest, Frankreich, 1940.

Die Lektion wurde gelernt: Ab den 1930er Jahren erhält jeder Soldat regelmäßig eine Packung Kondome, die bald so alltäglich war wie eine Packung Tabak. Außerdem findet das Kondom zu der Zeit seine Heimkehr in den alltäglichen Gebrauch: Inmitten der Großen Depression, als viele US-amerikanische Haushalte es sich nicht mehr leisten konnten, mehrere Kinder zu ernähren, wurden in den USA täglich 1,5 Millionen Kondome verbraucht.

Um die Geburtenrate wieder anzukurbeln und den enormen menschlichen Aderlass des Ersten Weltkriegs auszugleichen, verbot Frankreich in den 1920er Jahren zwar den freien Verkauf von Kondomen und allen anderen Verhütungsmitteln, doch die industrielle Entwicklung war bereits in Fahrt gekommen. In der Zwischenkriegszeit rüsteten alle europäischen Armeen ihre Soldaten weiterhin bedenkenlos aus und profitierten dabei von der Automatisierung der Fabriken und dem Verfall der Stückkosten für Kondome. Der Zweite Weltkrieg führte zu einer weiteren Banalisierung eines Produkts, das nun von allen Generalstäben beworben wurde.

Ein Kondom für alle Fälle

In den 50er und 60er Jahren hatten die Auswirkungen der Entdeckung des Penicillins die Verbreitung des Kondoms als Schutzmittel eingeschränkt. Da es möglich war, bestimmte Geschlechtskrankheiten – allen voran Syphilis – wirksam zu behandeln, hatte der medizinische Fortschritt in gewisser Weise zu einer Lässigkeit geführt. Das Kondom, das im Laufe der Zeit und dank der von den US-Staaten eingeführten Qualitätskontrollverfahren immer zuverlässiger wurde, wurde dennoch in den dreißig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges weiterhin häufig verwendet und blieb bis zur Erfindung der Pille das wirksamste Verhütungsmittel. Selbst als sich die Pille durchsetzte, blieb sie das zweithäufigste Verhütungsmittel und trug dazu bei, dass ältere Methoden – vom klassischen Rückzug bis zur Ogino-Methode – allmählich begraben wurden. 

Im Klartext heißt das, dass viele Menschen darauf achten, immer ein Kondom griffbereit zu haben, sei es in der Nachttischschublade oder im Portemonnaie. Einige Länder brechen sogar Rekorde: Japan, das seit den 1960er Jahren immer noch Weltrekordhalter ist, hat die höchste Anzahl der jährlich pro Kopf verbrauchten Kondome – und das aus gutem Grund: Die Pille wurde dort erst 1999 zugelassen und wird auch heute noch nur von 5-10 % der Frauen verwendet.

Dennoch, das Unbehagen bleibt und die Moral mischt sich immer noch ein: In vielen Ländern bleibt die Werbung für Kondome lange Zeit verboten2 oder stark eingeschränkt, ebenfalls aus moralischen Gründen. Ob man es nun sagt oder nicht, das Kondom bleibt mit einer Form der Lockerung der Sitten verbunden, die von den konservativsten Teilen der westlichen Gesellschaften nur schwer ertragen werden kann.

Condom_self-service_shanghai..Erst mit der Entdeckung des AIDS-Virus Anfang der 1980er Jahre änderte sich die Lage gegen Ende des Jahrzehnts allmählich. Die allgemeine Verbreitung großer Kampagnen zur öffentlichen Gesundheit, die von der Mehrheit der Ärzteschaft unterstützt wurden, trugen in den 1990er Jahren dazu bei, ein Produkt zu enttabuisieren, das lange Zeit mit einem ausschweifenden Sexualleben in Verbindung gebracht wurde. Und auch wenn die COVID-19-Pandemie der Kondom-Industrie einen Schlag versetzt hat, wird der Markt für Kondome wohl nicht so schnell wieder erschlaffen.

Anmerkungen:

  1. Die Youngs Rubber Company brachte als erstes Unternehmen ein Latexkondom auf den Markt, den Trojan. Das Unternehmen Durex wurde 1932 gegründet.

  2. In Frankreich wurde das Kondom erst 1987 zugelassen. In den USA durften Kondome lange Zeit nur in sogenannten "Liebesmagazinen" verwendet werden.