Viele vermeiden den Gang zum Arzt, sodass die Zahl der Betroffenen nicht genau zu ermitteln ist. Die LMU München geht von drei bis fünf Millionen betroffenen Männern aus. Oft hat das Phänomen mehrere ursächliche Auslöser. Geschätzte 80 Prozent aller Erektionsstörungen sind primär krankheitsbedingt. Und treffen kann es jeden Mann in jeder Lebensphase. Experten wissen: Erektionsstörungen können Frühwarnzeichen für innere Erkrankungen sein.
Dazu gehören Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Gefäßanomalien und Niereninsuffizienz. Umso wichtiger, dass sich Betroffene nicht verstecken, sondern zur Abklärung einen Arzt ins Vertrauen ziehen und Hilfe suchen. Die Frage ist also: Wie lässt sich ein niedrigschwelliger Zugang zu Informationen herstellen und welche Kommunikationskanäle können genutzt werden?
Dazu sprachen Expertinnen und Experten von der Charité und der Stiftung Männergesundheit, sowie ein Experte vom Berufsverband der Deutschen Urologie. Ein niedergelassener Urologe berichtet in seinem Impulsvortrag, warum die Thematik eine ganz besondere ist. Denn die Sexualität ist Teil einer Welt, "die immer schöner, perfekter und nach außen hin glänzender wird." Was nicht funktioniert, soll optimiert werden. Auch die Sexualität. Das ist der Boden, auf dem Irrtümer wachsen und Scham entsteht.
Bevor ein Mann den Weg zum Arzt findet, hat er ausgiebig gegoogelt, unzählige Tipps von guten Freunden gehört und sich oft auch PDE-5-Hemmer besorgt. Die betroffenen Männern werden in zwei Gruppen eingeteilt: Männer ab 50 Jahren und die jüngere Gruppe. Man kann diese Gruppen nach Ursachen unterteilen. Bei 80 Prozent der Betroffenen, meist über 50 Jahre alt, stehen krankheitsbedingte Ursachen im Vordergrund. So Bluthochdruck, Stoffwechsel- und Organerkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Zentralnervensystems, Multiple Sklerose, Operationen wie Tumoroperationen, Medikamentennebenwirkungen, sowie Risikofaktoren des Lebens, etwa falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Alkohol oder Nikotin.
Bei den Jüngeren zeigen sich oft psychische Ursachen, Stress im Beruf und in der Schule, Leistungsdruck, Konflikte in der Partnerschaft, Angsterkrankungen, Versagensängste, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen. Aber auch die Risiken unserer westlichen Lebensweise wie Alkohol, Übergewicht, Nikotin und Drogen. Jüngere Männer sind oft wenig aufgeklärt und entsprechend verunsichert. Die permanente Verfügbarkeit von Pornografie ist hier ein großes Problem. Das, was aus all dem folgt, ist "ein Straucheln im Nirvana der unendlichen Möglichkeiten". Und es gibt einen weiteren verunsichernden Faktor: "Den Umgang mit starken Frauen."
Einen möglichen Lösungsansatz sieht ein referierender Urologe darin, das Thema Männergesundheit mehr in den Fokus zu nehmen – gesunde Ernährung, gesunder Lebensstil. Aber auch bestimmte uralte Einstellungen sind kritisch zu sehen: Ein Mann setzt seinen Körper ein, um seine Ziele zu erreichen. Das bedeutet eben oft, er nimmt keine Rücksicht auf seinen Körper. Hier eine Änderung zu erreichen, das erfordert das Zusammenwirken vieler fachärztlicher Gruppen und der Gesundheitserziehung – natürlich neben der Behandlung von Grunderkrankungen. Experten plädieren dafür, die Vorsorge-Lücke zwischen der U-16 Untersuchung und dem Check-up 35 zu schließen, sodass auch junge Männer zum Arzt gehen können, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.
Wichtige medizinische Informationen für diese Gruppe müssen im Netz und in den sozialen Medien stattfinden. Es gibt auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Urologie und des Berufsverbandes immerhin eine "Jungensprechstunde". Urologinnen und Andrologen sieht der Experte als natürliche Ansprechpartner bei erektilen Dysfunktionen.
Zusammenfassend fordern die Urologen:
Ein Mitglied der Stiftung Männergesundheit bedankt sich in seinem Vortrag zunächst beim Tagesspiegel, das Thema Männergesundheit aufzugreifen wird, da es seiner Erfahrung nach politisch derzeit nicht von besonderem Interesse sei: "Damit lassen sich keine Wahlen gewinnen".
Der Experte bestätigt, dass die erektile Dysfunktion mit verschiedenen Risiken zusammenhängt. Aber die wenigsten wüssten, dass man vom Rauchen nicht nur Lungenkrebs, sondern auch eine erektile Dysfunktion bekommen kann. Rauchen ist infolge von erfolgreichen Kampagnen in den letzten zwanzig Jahren zurückgegangen – vor allem bei den Jüngeren. Es wird spannend sein zu sehen, ob sich das in den nächsten Jahrzehnten auf die Prävalenz der erektilen Dysfunktion auswirken wird. Aber das Grundprinzip muss auch hier eine solide Aufklärung sein.
Kaum jemand weiß derzeit, dass etwa die Hälfte der Fälle etwas mit Gefäßproblemen zu tun hat. Und der ärztliche Tipp “nehmen Sie ab und machen Sie mehr Sport”, ist selten zielführend. Doch eine der wenigen DIGAs, die von den gesetzlichen Kassen aktuell erstattet werden, ist eine relativ neue digitale Gesundheitsanwendung für erektile Dysfunktion. Die Idee ist eine tägliche Anleitung, um dieses Problem zu lösen.
Seit der Entwicklung der PDE-5-Hemmer vor 25 Jahren hat sich bei anderen Therapieformen wenig getan. Damals wurde gesetzlich entschieden, diese nicht von den Kassen zu übernehmen, was auch mehrfach gerichtlich bestätigt worden ist. Eine rationale Grundlage dafür sehen die Experten jedoch nicht. Man hätte vor allem Angst vor einer Kostenlawine gehabt – und das Thema zum Lifestyle-Problem erklärt. Das müsste aus ihrer Sicht inzwischen eigentlich differenzierter gesehen werden, und es sei weiter zu diskutieren, ob PDE-5-Hemmer verschreibungspflichtig sein müssen.
Die referierenden Expertinnen und Experten wünschen sich zusammenfassend:
In Kürze interviewt unsere Autorin einen Männergesundheits-Experten – bleiben Sie dran!