Qualitätstransparenz für Kliniken ist notwendig und möglich: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (rechts) am Dienstag vor der Bundespressekonferenz mit den Professoren Michael Hallek, Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrates, Jens Scholz, Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika, und Reinhard Busse, Gesundheitsökonom an der TU Berlin.
Nachdem die Unions-geführten Länder ihre Weigerung, das strittige Krankenhaus-Transparenz-Gesetz auf die Tagesordnung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat zu setzen, aufgegeben haben, "ist die Krankenhausreform wieder zurück auf der Spur". Darüber wird nun im Vermittlungsausschuss am 21. Februar beraten. Das, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Dienstag vor Journalisten in Berlin, ermögliche es, das Gesetz am 22. März im Bundestag zu beraten.
Neben der Schaffung eines Qualitäts-Atlas – erste Daten dazu sollen bereits im Mai veröffentlicht werden – bringt dieses Gesetz den Krankenhäusern zusätzliche Liquiditätshilfen in einem Volumen von sechs Milliarden Euro. Ferner, so Lauterbach, sollen die Basisfallwerte so angehoben werden, dass damit auch die Tarifsteigerungen für Ärzte in vollem Umfang refinanziert werden können. Nach Angaben des Ministers befinden sich derzeit rund 120 Kliniken in einer Insolvenz oder stehen kurz davor.
In diesen Monaten entscheide sich, wie das deutsche Gesundheitssystem die rund 19 Millionen älter werdenden Babyboomer in Zukunft versorgen wird. Es sei ein "immenser Reformstau entstanden, der zu bestürzenden Verhältnissen geführt hat", so Lauterbach. Das gelte auch für die Versorgung in Notfallambulanzen und durch Rettungsdienste, die ebenfalls in den nächsten Monaten grundlegend reformiert werden sollen.
Der erste Reformschritt, das Krankenhaus-Transparenz-Gesetz, hat nun mit einer Studie des Gesundheitsökonomen Professor Reinhard Busse von der TU Berlin eine weitere wissenschaftliche Unterfütterung bekommen. Das Problem: Daten zur Ergebnisqualität von Krankenhäusern stehen erst mit mindestens zwei Jahren Verzögerung zur Verfügung. Die Frage ist, ob die historischen Daten zum Zusammenhang zwischen Struktur- und Ergebnisqualität in die Zukunft extrapoliert und insofern eine gute Grundlage für eine aktuelle Entscheidung zur Wahl eines Krankenhauses durch den einweisenden Arzt oder den Patienten gemacht werden können.
Busse und sein Forscherteam haben dazu erstmals in Deutschland über längere Zeiträume Daten aus den Qualitätsberichten der Krankenhäuser sowie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK untersucht. Dazu wurden die Krankenhäuser nach ihren durchschnittlichen Qualitätsergebnissen in einem Jahr in Quintile eingeteilt und dann daraufhin untersucht, ob sich die Qualität der fünf Quintile auch zwei Jahre später noch relevant unterscheidet. Betrachtet wurden dabei sieben wichtige Behandlungsindikationen mit jeweils acht geeigneten Indikatoren: Herzinfarkt (200.000 Patienten), Schlaganfall (280.000), Hüftfraktur (170.000), ambulant erworbene Pneumonie (450.000) jeweils mit dem Zielparameter "Sterblichkeit im Krankenhaus" sowie Entwicklung eines Dekubitus, Hüftersatz (160.000) in Bezug auf Re-Intervention nach Komplikation. Da das Alter von Patienten sowie deren Komorbiditäten je nach Krankenhaus variieren können, wurden alle Daten risikoadjustiert.
Die Ergebnisse der Studie zeigen eine beachtliche Stabilität historischer Daten: Krankenhäuser im besten Quintil eines Jahres (t – 2) erzielen auch nach zwei Jahren, also im Jahr der Datennutzung und der Wahl eines Krankenhauses für die untersuchten Behandlungsgebiete, um 30 bis 79 Prozent bessere Behandlungsergebnisse als Kliniken des schlechtesten Quintils. Bei den vier Indikationen mit dem Zielparameter Mortalität betragen die Unterschiede zwischen 30 und 38 Prozent, bei der Re-Intervention und Implantat-Fehllage zwischen 44 und 50 Prozent und beim Dekubitus sogar 79 Prozent. Busse hält fest:
"Würden sich nur fünf Prozent aller Patienten umentscheiden und sich in einem der Krankenhäuser des besten Quintils behandeln lassen, würde dies rechnerisch pro Jahr dazu führen, dass 550 Patienten mit Herzinfarkt weniger versterben, bei einem Schlaganfall 740."
Der Onkologe Professor Michael Hallek, zugleich Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrates, sieht den Zusammenhang zwischen Fallzahl/Strukturqualität und dem Behandlungsergebnis als gut belegt an. Hallek sieht sein Fachgebiet dabei vor einer doppelten Herausforderung: aufgrund der demografischen Entwicklung eine stark steigende Zahl von Krebskranken und zugleich mehr Behandlungsmöglichkeiten aufgrund von Innovationen. Das erfordere Konzentration und Rationalisierung in zertifizierten Zentren, aber auch unbedingt deren Vernetzung mit der ambulanten Medizin und Krankenhäusern der Grundversorgung.
Dazu müsse die Universitätsmedizin gestärkt werden, so Professor Jens Scholz vom Verband der Universitätsklinika in Deutschland. Es sei unmöglich, dass eine Vielzahl von Krankenhäusern beispielsweise Schlaganfallpatienten adäquat versorgen könnte; denn dies erfordere für eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung unter Beachtung der tarifvertraglichen Vereinbarungen mindestens fünfeinhalb spezialisierte Ärzte. Dies könne nur in Zentren realisiert werden. Diese Zentren benötigten allerdings eine koordinierte Zusammenarbeit mit anderen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten. Eine derartige Koordination und Arbeitsteilung unter der Federführung von Universitätskliniken habe sich während der Pandemie etabliert und bewährt, so Scholz.