Wochenrückblick: AOK-Sparprogramm und GKV-Finanzen - Vertragsärzte in Aufruhr

Die AOK schlägt umfassende Sparmaßnahmen zur Stabilisierung der GKV-Finanzen vor und löst damit massive Proteste der Vertragsärzte aus.

GKV-Finanzen: AOK-Sparprogramm verärgert massiv die Vertragsärzte

Wenige Tage nach der Bundestagswahl hat der AOK-Bundesverband ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der GKV-Finanzen vorgelegt. Dieses stieß auf massive Verärgerung bei den Vertragsärzten und rief Proteste seitens der KBV sowie der Verbände der Haus- und Kinderärzte hervor. Grund: Die AOK fordert, die Aufhebung der Budgetierung des haus- und kinderärztlichen Honorars mit angeblichen Folgekosten von 770 Millionen Euro jährlich unverzüglich rückgängig zu machen. Das seien „Honorargeschenke ohne Mehrwert für die Versorgung“ gewesen. Außerdem sollten die Zuschläge für die Terminvermittlung (150 Millionen Euro) gestrichen werden.

Der Kassenverband sieht die größten Einsparpotenziale in der Arzneimittelversorgung. Vorgeschlagen werden die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 7 Prozent, was die Staatshaushalte mit 7 Milliarden Euro belasten würde, sowie die Erhöhung des allgemeinen Herstellerrabatts von 7 auf 16 Prozent, was den Kassen eine Entlastung von 1,8 Milliarden Euro brächte. Zudem sollen die Umlage für pharmazeutische Dienstleistungen der Apotheker (150 Millionen Euro) gestrichen und der AMNOG-Erstattungsbetrag rückwirkend ab Marktzugang festgelegt werden (100 Millionen Euro). Im Heilmittelbereich werden Einsparungen von 600 Millionen Euro gefordert. 

Im Krankenhausbereich summiert sich das Forderungsvolumen auf 3,5 Milliarden Euro: Aufhebung der Prüfquoten bei Krankenhausabrechnungen (1,1 Milliarden Euro), Beendigung der Doppelfinanzierung bei Pflegebudgets (500 Millionen Euro) und Aufhebung der vollen Tarif-Refinanzierung (500 Millionen Euro). Notwendig sei ferner die konsequente Umsetzung der Krankenhausreform und das zügige Nachholen der Reform der Notfallversorgung. 

Am weitreichendsten sind allerdings die Forderungen an den Staat: So müssten aus dem Bundeshaushalt kostendeckende Pauschalen für Bürgergeldempfänger gezahlt werden (10 Milliarden Euro). In der Pflegeversicherung sei eine Dynamisierung des Bundeszuschusses erforderlich, ferner die Rückerstattung von Pandemiekosten sowie die Übernahme der Ausbildungsumlage (insgesamt 9,75 Milliarden Euro). Zusammen mit der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes belaufen sich die Forderungen an den Staat auf 26,75 Milliarden Euro, das sind mehr als fünf Prozent des Bundeshaushaltes, in dem ohnehin schon jetzt eine Deckungslücke klafft.

Deutlich weniger strikt fallen die Forderungen des Ersatzkassenverbandes aus: Grundsätzlich müsse wieder sichergestellt werden, dass Ausgaben- und Einnahmenzuwächse im Gleichgewicht stehen. Dringend notwendig seien Reformen der Krankenhäuser, der Notfallversorgung und dessen Zugang über digital vernetzte Leitstellen und die Reform des Rettungsdienstes. In der ambulanten Versorgung sollten Steuerungselemente durch Haus- und Fachärzte sowie telemedizinische Ersteinschätzungen implementiert werden. Gefordert werden ferner faire Arzneimittelpreise unter Berücksichtigung der Forschungskosten. 

KBV verbessert Terminvergabe

Am vergangenen Montag ist eine neue Version des Terminservice unter der Nummer 116 117 an den Start gegangen, die Patienten eine schnellere und präzisere Vermittlung von Facharztterminen ermöglichen soll. Die neue Software wurde von kbv.digital in Zusammenarbeit mit den KVen entwickelt. Sie bietet präzisere Suchfunktionen und erleichtert Umbuchungen, zudem wurden die Filter- und Favoritenfunktionen erweitert. Die neue Version wird nun für drei Monate erprobt, während die bisherige Software in diesem Zeitraum weiterhin aktiv bleibt. Mitarbeiter in den Terminservicestellen erhalten in dieser Zeit Schulungen in Webinars. 

Allgemeinmedizin: KV Sachsen erhöht Förderung für Medizinstudenten

Die KV Sachsen hat ab diesem Jahr die Förderung von Studenten, die sich für ein Wahltertial Allgemeinmedizin im Rahmen des Praktischen Jahres entscheiden und dies außerhalb der Städte Leipzig, Dresden und Radebeul absolvieren, von 500 auf 992 Euro erhöht. Die Förderung von Studenten in diesen Städten wird von 200 auf 496 Euro aufgestockt. Das Ziel ist, die angehenden Mediziner noch vor Abschluss ihrer Ausbildung mit der Allgemeinmedizin bekannt zu machen und damit das Interesse für die hausärztliche Versorgung zu stärken. Auch die Lehrpraxen werden gefördert und erhalten pro Studierendem 800 Euro.

WHO sieht besorgniserregenden Trend in Europa

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt in ihrem jüngsten Europabericht vor einer Gesundheitskrise auf dem alten Kontinent. Viele Indikatoren der einst weltweit führenden Gesundheitssysteme seien rückläufig. Besorgniserregend sei der schlechte Gesundheitszustand von Kindern: Jeder fünfte Jugendliche leide unter psychischen Problemen; Suizid ist bei den 15- bis 29-Jährigen die häufigste Todesursache. Fast jedes dritte Schulkind sei übergewichtig, jedes achte fettleibig. Zehn Prozent der Kinder zwischen 13 und 15 Jahren konsumieren Tabakprodukte. Die WHO werde dafür eine eigene Strategie vorlegen, kündigte Regionaldirektor Hans Henri Kluge an.

Viele Staaten erreichten auch nicht das Ziel, verfrühte Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes oder chronische Atemwegserkrankungen um 25 Prozent zu senken. Jeder sechste Mensch in der Region Europa/Zentralasien, für die die WHO-Direktion in Kopenhagen zuständig ist, stirbt vor dem 70. Lebensjahr. Mitursächlich dafür sei ein hoher Alkoholkonsum von durchschnittlich 8,8 Litern pro Erwachsenem jährlich, eine unverändert hohe Quote von Rauchern von 25,3 Prozent sowie unzureichender Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln. Als neue Belastung erweise sich der Klimawandel, der schätzungsweise durch anhaltende Hitzeperioden 175.000 Todesopfer fordere. Hinzu kommen Desinformationen, die zu Impfgegnerschaften führen und dadurch vermeidbare Infektionen zunehmend begünstigen.