Wochenrückblick: Gewalt gegen Ärzte und Arbeitslast im Fokus des MB-Monitors 2024

Der MB-Monitor 2024 zeigt alarmierende Arbeits- und Gewaltbedingungen in Kliniken. Hohe Arbeitslast und Gewalt gefährden die Arztgesundheit.

MB-Monitor 2024: Hohe Arbeitslast, Gewalt gegen Ärzte

Zunehmende Gewalt gegen Ärzte sowie hohe Arbeitsbelastung, die auch von Personalmangel verursacht ist, machen Medizinern in Krankenhäusern zu schaffen. Dies geht aus dem Ärzte-Monitor des Marburger Bundes 2024 hervor, in dessen Rahmen 43.919 Ärzte per Mail angeschrieben und 9649 online geantwortet hatten. Die Umfrage fand im September/Oktober 2024 statt. Überdurchschnittlich viele Ärzte sind weiblich, jünger und in Weiterbildung. Der Anteil der in Teilzeit tätigen ÄrztInnen hat dabei binnen zehn Jahren von 15 auf 36 Prozent zugenommen.

Arbeitsbelastung: Nur sechs Prozent arbeiten tatsächlich weniger als 29 Stunden; der Anteil derer, die länger als 49 Stunden arbeiten, liegt bei 52 Prozent, 17 Prozent arbeiten über 60 Stunden in der Woche. Das sind die Werte inklusive der Teilzeitbeschäftigten. Bei den Vollzeitkräften liegt der Anteil derer, die mehr als 49 Stunden arbeiten, bei 71 Prozent. Knapp ein Viertel der Ärzte berichtet, es gebe keine Arbeitszeiterfassung, weitere 32 Prozent sagen, sie sei manuell. 

Schlechte Arbeitsbedingungen und die Konsequenzen: Als Folge hoher Überstunden fühlen sich 49 Prozent häufig, weitere 11 Prozent sogar ständig überlastet. 59 Prozent halten die Personalbesetzung für (eher) schlecht. Der Anteil, derer, die über Abbau ärztlicher Stellen berichtet, ist gegenüber 2022 von 34 auf 42 Prozent gestiegen. Besonders betroffen: Kliniken in privater Trägerschaft, am wenigsten in Unikliniken. Die problematischen Arbeitsbedingungen führen dazu, dass der Anteil derer, die einen Berufswechsel erwägen von 25 auf 28 Prozent gegenüber 2022 gestiegen ist. Für 80 Prozent ist die hohe Arbeitsbelastung ausschlaggebend, für 72 Prozent widerspricht die Arbeitsrealität ihrem Anspruch an den Beruf. 

Bürokratie, IT-Mängel: 69 Prozent der Ärzte wenden täglich zwischen zwei und vier Stunden für Verwaltungstätigkeit auf, zwölf Prozent sogar mehr. Zwei Drittel bewerten die IT-Ausstattung als unbefriedigend. Einziger Lichtblick ist eine ausgeprägte Kollegialität: 86 Prozent bezeichnet sie als sehr gut oder eher gut, nur zwei Prozent als schlecht. 

Gewalterfahrung: Verbale Gewalt erfahren zwölf Prozent der Ärzte häufig, 33 Prozent manchmal. Bei körperlicher Gewalt liegen die Werte bei zwei und zehn Prozent. Zu 75 Prozent sind es Patienten, zu 52 Prozent auch deren Angehörige (das heißt in vielen Fällen sind sowohl Patienten als auch deren Angehörige gewalttätig). Häufigster Ort (39 Prozent) ist die Notaufnahme. 43 Prozent der Ärzte berichten von zunehmender Gewalt. Nur 20 Prozent haben keine Gewalterfahrung. 41 Prozent berichten, dass ihr Management keine Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Nur 17 Prozent berichten, dass von Gewalt betroffene Beschäftigte von ihrer Klinik oder geschultem Personal unterstützt und betreut werden.  

Laumann zieht Corona-Bilanz

In Reaktion auf einen 500 Fragen umfassenden Katalog hat das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium eine kritische Corona-Bilanz gezogen – und gesteht dabei auch Fehleinschätzungen und problematische Entscheidungen ein:

Grundrechtsentscheidungen: Die beiden ersten Wellen der Pandemie waren von teils scharfen Lockdowns (Beispiel Schulschließungen) geprägt. Die Gerichte in NRW mussten sich in knapp 600 Eilverfahren mit deren Verhältnismäßigkeit befassen. Nur zwölf Entscheidungen ergingen zugunsten der Kläger. In den Hauptsacheverfahren ist die Hälfte noch nicht entschieden, bei den 370 abgeschlossenen Verfahren wurde kein Urteil zugunsten eines Klägers getroffen.

Wirtschaftshilfen: Das Land zahlte 4,5 Milliarden Euro an Soforthilfen an 430.000 Empfänger; 283.000 Schlussbescheide sind ergangen, darunter 225.000 mit Rückforderungen. Das verursacht Unmut und sei überdies eine bürokratische Herausforderung.

Pflegeheime: Kritisch wertet das Laumann-Ministerium die scharfen Lockdowns mit rigorosen Kontaktsperren. 1395mal mussten die Behörden gegen Impfverweigerer durch Tätigkeitsverbote einschreiten. 2700mal wurden Bußgeldverfahren eingeleitet werden.   

Kinder und Jugendliche: Als Folge von Lockdowns und Schulschließungen stiegen die Zahlen an ambulanten Behandlungsfällen bei psychischen Auffälligkeiten, Depressions- und Angstsymptomen stark. Sie gingen gegen Ende 2022 wieder zurück, aber nicht auf das Vor-Corona-Niveau. Für Online-Therapieangebote und deren technische Infrastruktur stellte NRW  2020 vier Millionen Euro zur Verfügung; die Zahl der Sitze für Psychotherapeuten auf dem Land wurde um 34 erhöht. 

Impfungen: Dafür gab das Land 1,1 Milliarden Euro aus, die Hälfte davon erstattete der Bund. 2138 Anträge auf einen Impfschaden wurden registriert, 119 davon wurden anerkannt. Die Zahl der verabreichten Impfdosen lag im zweistelligen Millionenbereich. 

Klimaschutz: Kliniken bräuchten 31 Milliarden Euro für Investitionen

Um ihre Klimaziele zu erreichen, müssten Krankenhäuser in Deutschland rund 31 Milliarden Euro in ihre Gebäude und Technik investieren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Institute for Health Care Business im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Nach dem 2021 verabschiedeten Bundesklimaschutzgesetz sind auch Krankenhäuser dazu verpflichtet, bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 65 Prozent zu senken und bis 2040 klimaneutral zu sein. Als größter Teil des Gesundheitswesens trägt der Krankenhaussektor erheblich zur Belastung der Umweltressourcen bei. Der Gesundheitssektor verursacht sechs Prozent aller CO2-Emmissionen und verbraucht fünf Prozent der Rohstoffe. Im Unterschied zu anderen Branchen haben bislang nur wenige Krankenhäuser damit begonnen, in den Klimaschutz zu investieren.    

Europäisches Patentamt: Krebsforschung lässt nach

Die Innovationskraft von Deutschland und Europa in der Krebsforschung geht im internationalen Wettbewerb zurück. Dies geht aus Daten des Europäischen Patentamtes (EPA) hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurden. Zwar führt Deutschland mit fast 54000 krebsbezogenen Patentfamilien, die zwischen 2010 und 210 international veröffentlicht wurden, in Europa an, aber sowohl Deutschland wie auch Deutschland verlieren im Vergleich zu den USA und China durchschnittlich fünf Prozentpunkte am Anteil weltweiter Patentanmeldungen. Insgesamt handelt es sich dabei um einen wachstumsstarken Bereich, insbesondere in der zellulären Immuntherapie, für die die Patentanmeldungen zwischen 2015 und 2021 jährlich im Schnitt um 37,5 Prozent stiegen, in der Gentherapie um 31 Prozent und in der Bildanalyse um 20 Prozent. Andererseits liegt Europa mit rund 1500 Unternehmensneugründungen im Bereich der Krebstherapie von vor den USA (1350). Mit 208 Start-ups steht Deutschland in Europa auf dem dritten Platz, hinter UK (290) und Frankreich (246). Junge Unternehmen stehen in Deutschland im Unterschied zu den USA in einem strukturellen Nachteil: der Schwierigkeit, durch Skalierung und Wachstum zu größerer Reife zu kommen. Öffentliche Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft, das DKFZ oder die Uni Heidelberg tragen zu 40 Prozent zu Innovationen bei.   

Zahl der Totgeburten steigt signifikant

Die Rate der Totgeburten ist in Deutschland zwischen 2010 und 2021 von 2,8 auf 3,7 je 1000 Geburten gestiegen. Das hat das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock ermittelt. Ein ähnlicher Anstieg sei innerhalb von Europa nur in Belgien zu verzeichnen, in allen anderen Ländern gehe die Rate der Totgeburten zurück. Das steigende Alter der Mütter und ein höherer Anteil von Mehrlingsgeburten können nach Auffassung der Forscher den Anstieg allein nicht erklären. Totgeburten seien vielmehr auch ein Qualitätsmerkmal für die Gesundheitsversorgung eines Landes.

Personalie

Erwin Rüddel, seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und von 2018 bis 2021 Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, ist am vergangenen Montag im Alter von 69 Jahren plötzlich verstorben. Rüddel gehörte der CDU an und war seit 2009 stets mit einem Direktmandat im Wahlkreis Neuwied ins Parlament gewählt worden.