Antikoagulation bei eingeschränkter Nierenfunktion
Mit steigendem Alter erhöht sich aufgrund der Alterungsprozesse sowie chronischer und akuter Erkrankungen nicht nur das Risiko für Thrombosen und Blutungen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für Nierenfunktionsstörungen. Bei Patient:innen mit Nierenfunktionsstörungen besteht generell ein erhöhtes Blutungsrisiko.
Prof. Dr. Carl-Erik Dempfle
IMD Gerinnungszentrum, Mannheim MVZ
Mit steigendem Alter erhöht sich aufgrund der Alterungsprozesse sowie chronischer und akuter Erkrankungen nicht nur das Risiko für Thrombosen und Blutungen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für Nierenfunktionsstörungen. Bei Patient:innen mit Nierenfunktionsstörungen besteht generell ein erhöhtes Blutungsrisiko. Hinzu kommt, dass viele gerinnungshemmende Medikamente renal eliminiert werden, sodass bei eingeschränkter Nierenfunktion höhere Wirkspiegel sowie eine längere Wirkdauer und dadurch ein höheres Blutungsrisiko besteht.1 Daher liegen substanzspezifische Vorgaben zum Einsatz bei Nierenfunktionsstörungen vor (siehe Abbildung).
Herausforderungen meistern
Bei niedermolekularen Heparinen zeigt sich eine Abhängigkeit vom mittleren Molekulargewicht. So werden Präparate mit niedrigem Molekulargewicht stärker renal eliminiert. Fondaparinux ist bei stark eingeschränkter Nierenfunktion kontraindiziert; für andere Präparate werden individuelle Dosisanpassungen und Vorsichtsmaßnahmen empfohlen.
Dabigatran darf ebenfalls bei stark eingeschränkter Nierenfunktion nicht eingesetzt werden. Da in den meisten Zulassungsstudien (z. B. Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban) Patient:innen mit stark eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) ausgeschlossen wurden, sind die Erfahrungen für diese Patient:innengruppe begrenzt und ein Einsatz wird nur unter besonderer Vorsicht empfohlen. Apixaban zeigt in dieser Gruppe den geringsten Effekt einer Nierenfunktionsstörung auf die Wirkspiegel.
VKA (Phenprocoumon, Warfarin) sind, mutmaßlich aufgrund des besonderen Blutungsrisikos und erhöhter Rate vaskulärer Komplikationen, bei schwerer Niereninsuffizienz kontraindiziert.
Während einer gerinnungshemmenden Therapie sollte die Nierenfunktion regelmäßig anhand einer Bestimmung des Serum-Kreatinins oder der glomerulären Filtrationsrate überwacht und Medikament sowie Dosierung bei Bedarf angepasst werden.
Anwendung von Antikoagulanzien in der VTE-Prophylaxe bei eingeschränkter Nierenfunktion gemäß aktueller Fachinformation.
Sicherheit im Blick
Die möglicherweise veränderte Arzneimittel-Pharmakodynamik sollte auch bei der Bewertung potenzieller Arzneimittelinteraktionen berücksichtigt werden, da Polypharmazie insbesondere bei älteren Patient:innen eine Rolle spielt.2 Zu beachten sind neben einer Beeinflussung der Nierenfunktion auch direkte Effekte auf Wirkung und Metabolismus der Gerinnungshemmer.
Individuelle Wünsche im Wandel
Bei Polypharmazie befürchten viele Betroffene mögliche Nebenwirkungen, weshalb immer häufiger der Wunsch nach einer „natürlicheren“ Behandlung besteht. Aber stellen natürliche Heilmittel wirklich eine valide Alternative zur herkömmlichen Antikoagulation mit Arzneimitteln dar? Mehr dazu erfahren Sie im nächsten Beitrag.
- Aursulesei V, Costache, II. Anticoagulation in chronic kidney disease: from guidelines to clinical practice. Clin Cardiol 2019;42(8):774-82
- Leiss W, Méan M, Limacher A, et al. Polypharmacy is associated with an increased risk of bleeding in elderly patients with venous thromboembolism. J Gen Intern Med 2015;30(1):17-24