Antithrombotische Therapie nach akutem Koronarsyndrom (ACS) und/oder perkutaner Koronarintervention (PCI)
Auf dem diesjährigen digitalen Kongress der <em>European Society of Cardiology</em> (ESC) präsentierte Prof. Renato Lopes vom Duke University Medical Center, USA, aktuelle Daten zur antithrombotischen Therapie bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (nvVHF) und kürzlichem akuten Koronarsyndrom (ACS) und/oder perkutaner Koronarintervention (PCI).<sup>1,2</sup>
Auf dem diesjährigen digitalen Kongress der European Society of Cardiology (ESC) präsentierte Prof. Renato Lopes vom Duke University Medical Center, USA, aktuelle Daten zur antithrombotischen Therapie bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (nvVHF) und kürzlichem akuten Koronarsyndrom (ACS) und/oder perkutaner Koronarintervention (PCI).1,2
Wie lässt sich das Blutungsrisiko senken?
Patienten mit nvVHF und ACS und/oder PCI benötigen sowohl eine Plättchenhemmung zur Prävention von Stentthrombosen und Myokardinfarkt als auch eine orale Antikoagulation zur Prävention von Schlaganfällen. Durch diese antithrombotische Kombinationstherapie kann sich jedoch das Blutungsrisiko stark erhöhen.1-3
Innerhalb der letzten fünf Jahre wurde in vier großen klinischen Studien untersucht, ob eine Antikoagulation mit einem Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulans (NOAC) statt einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) das Blutungsrisiko dieser Patienten senken kann, ohne dabei das Risiko für thrombotische Ereignisse zu erhöhen.2,4-6 Als einzige dieser vier Studien verglich die AUGUSTUS-Studie durch ihr geschicktes Design sowohl ein NOAC (Apixaban§) mit einem VKA als auch gleichzeitig eine duale Plättchenhemmung mittels P2Y12-Inhibitor und Acetylsalicylsäure (ASS) mit einer einfachen Plättchenhemmung ohne ASS.1,2
Das Design von AUGUSTUS ermöglicht zusätzliche Einblicke
Die randomisierte, kontrollierte Phase-IV-Studie AUGUSTUS verglich bei 4.614 Patienten den Einsatz von Apixaban (5 mg 2 x tgl. oder 2,5 mg 2 x tgl. bei ausgewählten Patienten*) mit einem VKA (Ziel-INR 2,0–3,0). Nach einer zweiten Randomisierung erhielten die Patienten beider Gruppen entweder ASS (81 mg tgl.) oder Placebo. Alle Patienten erhielten zusätzlich einen P2Y12-Inhibitor. Die Behandlungsdauer betrug 6 Monate.
Der primäre Sicherheitsendpunkt, eine Kombination aus schweren und klinisch relevanten nicht schweren Blutungen, trat unter Apixaban signifikant seltener auf als mit einem VKA. Prof. Lopes betonte, dass dies sowohl für die Gesamtpopulation der Studie galt (10,5 % vs. 14,7 %; HR: 0,69; 95 %-KI: 0,58–0,81; p < 0,001 für Nicht-Unterlegenheit und Überlegenheit) als auch für die Subgruppen der Patienten mit medikamentös behandeltem ACS, mit PCI behandeltem ACS und mit elektiver PCI.1,2,7
Darüber hinaus zeigte die AUGUSTUS-Studie, dass die Gabe von ASS** gegenüber Placebo mit einem signifikant fast um das doppelte erhöhten Blutungsrisiko entsprechend dem primären Sicherheitsendpunkt assoziiert ist (16,1 % vs. 9,0 %; HR: 1,89; 95 %-KI: 1,59–2,24; p < 0,001). Ein erhöhtes Blutungsrisiko mit ASS bestand unabhängig von der Art der oralen Antikoagulation oder des Indexereignisses.1,2,7
Geringstes Blutungsrisiko mit Apixaban und P2Y12-Inhibitor ohne ASS
Bei der Kombination der Antikoagulation mit Apixaban und einfacher Plättchenhemmung mit einem P2Y12-Inhibitor ohne ASS bestand insgesamt das geringste Blutungsrisiko. Die absolute Risikoreduktion gegenüber der Kombination aus VKA und dualer Plättchenhemmung betrug hierbei 11,4 % und die number needed to treat (NNT) lag bei 9 Patienten (Abb. 1).
Abb. 1: Häufigkeit schwerer oder klinisch relevanter nicht schwerer Blutungen mit VKA + ASS, Apixaban + ASS, VKA + Placebo oder Apixaban + Placebo, je in Kombination mit einem P2Y12-Inhibitor.1,2
Stentthrombosen nur innerhalb der ersten 30 Tage ein relevantes Risiko
ASS erhöhte zwar das Blutungsrisiko, senkte jedoch gleichzeitig das Risiko für Stentthrombosen und andere ischämische Ereignisse. Diese Effekte hielten sich jedoch nur innerhalb der ersten 30 Tage nach der Randomisierung die Waage – danach überwog das erhöhte Blutungsrisiko, während ischämische Ereignisse auch ohne ASS kaum noch auftraten, so Prof. Lopes. Dies zeigt eine aktuelle Post-Hoc-Analyse von AUGUSTUS.1,8 Bezogen auf den Vergleich von Apixaban und VKA zeigt eine Subgruppenanalyse von AUGUSTUS, dass definitive oder wahrscheinliche Stentthrombosen innerhalb von 6 Monaten nach Randomisierung unter Apixaban bei 13 Patienten (0,74%) und unter VKA bei 17 Patienten (0,97%) auftraten (HR: 0,76; 95 %-KI: 0,37–1,56).1,3,9,***
Fazit:
Im Vergleich zu einer Kombination aus VKA und dualer Plättchenhemmung lässt sich durch eine antithrombotische Therapie mit Apixaban und einem P2Y12-Inhibitor ohne zusätzliche ASS-Gabe** das Blutungsrisiko bei Patienten mit nvVHF und ACS und/oder PCI deutlich reduzieren (absolute Risikoreduktion von 11,4 %; NNT = 9). Durch das Auslassen von ASS nach 30 Tagen lässt sich das Blutungsrisiko reduzieren, während Stentthrombosen nach 30 Tagen nur noch selten auftreten.
§ Apixaban (ELIQUIS®) sollte bei gleichzeitiger Anwendung mit ASS oder P2Y12- Inhibitoren wie Clopidogrel mit Vorsicht angewendet werden, da diese Arzneimittel üblicherweise das Blutungsrisiko erhöhen.3
* Dosisanpassung bei Patienten mit nvVHF: Bei Patienten mit mindestens 2 der folgenden Kriterien: Alter ≥ 80 Jahre, Körpergewicht ≤ 60 kg oder Serumkreatinin ≥ 1,5 mg/dl (133 µmol/l) ist die empfohlene orale Dosis von Apixaban (ELIQUIS®) 2,5 mg 2 x täglich. Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance [CrCl] 15 – 29 ml/min) sollten ebenfalls Apixaban (ELIQUIS®) 2,5 mg 2 x täglich erhalten.3
** Bezieht sich auf Gabe von ASS nach Entlassung aus dem Krankenhaus.
*** Die Anzahl (Proportion) von Patienten mit definitiver oder wahrscheinlicher Stentthrombose innerhalb von 6 Monaten nach Randomisierung betrug 13 (0,74 %) unter Apixaban und 17 (0,97 %) unter VKA (HR: 0,76; 95 %-KI: 0,37–1,56) sowie 11 (0,63 %) unter ASS und 19 (1,08 %) unter Placebo (HR: 0,58; 95 %-KI: 0,28–1,22).9
- Lopes R. Presented at ESC Congress 2020, Amsterdam.
- Lopes RD et al. 2019. N Engl J Med 380(16):1509-1524. doi:10.1056/NEJMoa1817083
- Fachinformation Eliquis®, aktueller Stand.
- Gibson CM et al. 2016. N Engl J Med 375(25):2423-2434. doi:10.1056/NEJMoa1611594
- Cannon CP et al. 2017. N Engl J Med 377(16):1513-1524. doi:10.1056/NEJMoa1708454
- Vranckx P et al. 2019. Lancet 394(10206):1335-1343. doi:10.1016/s0140-6736(19)31872-0
- Windecker S et al. 2019. Circulation 140(23):1921-1932. doi:10.1161/circulationaha.119.043308
- Alexander JH et al. 2020. Circulation 141(20):1618-1627. doi:10.1161/circulationaha.120.046534
- Lopes RD et al. 2020. Circulation 141(9):781-783. doi:10.1161/circulationaha.119.044584