Apixaban bei krebsassoziierter VTE: beeinflusst eine Nierenfunktionsstörung die Wirksamkeit und Sicherheit?
In der Studie CARAVAGGIO<sup>1</sup> zeigte Apixaban (ELIQUIS<sup>®</sup>) ein gutes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei der Behandlung und Rezidivprophylaxe krebsassoziierter venöser Thromboembolien (VTE). Aber gilt das auch, wenn die Patient:innen eine moderate Niereninsuffizienz aufweisen?
Venöse Thromboembolien (VTE: Tiefe Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE)) sind eine häufige Komplikation bei Patient:innen mit Krebserkrankung2 und stellen in dieser Population die zweithäufigste Todesursache dar.3 Selbst unter Antikoagulation haben Krebspatient:innen ein gegenüber Patient:innen ohne Krebserkrankung gesteigertes Risiko für VTE bzw. VTE-Rezidive sowie für schwere Blutungen.4 Wichtig ist daher eine effektive und verträgliche Antikoagulation.
Beeinflusst eine Nierenfunktionsstörung die Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban?
Nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOACs) weisen einen variablen, aber erheblichen Grad an renaler Ausscheidung auf (Apixaban 27 %, Rivaroxaban 33 %*, Edoxaban 50 %, Dabigatran 85 %). Daher kann eine Nierenfunktionsstörung mit erhöhten Plasmaspiegeln dieser Wirkstoffe verbunden sein, was zu einem gesteigerten Blutungsrisiko führen kann.
Aktuell ist die Datenlage zu der Frage, welche Auswirkungen eine Niereninsuffizienz auf das Nutzen-Risiko-Profil der einzelnen NOACs bei der Behandlung speziell von Krebspatient:innen mit VTE hat, noch gering. In einer Subgruppenanalyse6 der CARAVAGGIO-Studie1 wurde nun u.a. der Effekt einer moderaten Niereninsuffizienz (geschätzte glomäruläre Filtrationsrate (eGFR) ˂ 60 mL/min und ≥ 30 mL/min) auf die Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban† versus dem niedermolekularen Heparin (NMH) Dalteparin bei Patient:innen mit krebsassoziierter VTE untersucht.
Näheres zur CARAVAGGIO-Studie entnehmen Sie bitte nachfolgendem Akkordeon oder dieser Infografik.
Die multinationale, prospektive, randomisierte, offene Studie mit verblindeter Endpunktauswertung (PROBE-Design) evaluierte über sechs Monate 1:1 randomisiert die Wirksamkeit und Sicherheit von
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Apixaban (10 mg 2 x täglich bis Tag 7, gefolgt von 5 mg 2 x täglich); n = 576
- versus Dalteparin (200 I.E./kg Körpergewicht [KG] 1 x täglich bis Tag 30, dann 150 I.E./kg KG 1 x täglich); n = 579
bei 1.170 erwachsenen Krebspatient:innen mit neu diagnostizierter (akut oder inzidentell), proximaler tiefer Venenthrombose (TVT) der unteren Extremität und/oder Lungenembolie (LE).1
Behandelt wurde über 6 Monate mit einer anschließenden Nachbeobachtungszeit von 30 Tagen.1
Ergebnisse
- Primärer Wirksamkeitsendpunkt VTE-Rezidive: Zu VTE-Rezidiven kam es unter Apixaban bei 5,6 % der Patient:innen versus 7,9 % unter Dalteparin (HR 0,63; 95 %-KI: 0,37-1,07; p < 0,001 für Nicht-Unterlegenheit und p = 0,09 für Überlegenheit).
- Haupt-Sicherheitsendpunkt schwere Blutungen‡: Die Rate schwerer Blutungen war mit 3,8 % (Apixaban) versus 4,0 % (Dalteparin) vergleichbar (HR 0,82; 95 %-KI 0,40-1,69; p = 0,60).
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Schwere gastrointestinale Blutungen: Die Rate schwerer gastrointestinaler Blutungen war mit 1,9 % (Apixaban) versus 1,7 % (Dalteparin) vergleichbar (HR = 1,05; 95 %-KI: 0,44-2,50).
Apixaban: Vergleichbar wirksame und verträgliche Alternative zu NMH bei moderater Niereninsuffizienz7
Becattini et al. kommen in ihrer Subgruppenanalyse6 der CARAVAGGIO-Studie1 zu dem Ergebnis, dass sich eine moderate Niereninsuffizienz7 (eGFR ˂ 60 ml/min und ≥ 30 ml/min) offenbar nicht auf das in der Hauptanalyse gezeigte Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil von Apixaban versus Dalteparin bei Patient:innen mit krebsassoziierter VTE auswirkte:6
- Die Raten an schweren Blutungen‡ waren für Apixaban und Dalteparin vergleichbar – unabhängig davon, ob eine moderate Niereninsuffizienz vorlag, definiert als eGFR ˂ 60 mL/min und ≥ 30 mL/min7 oder nur eine milde oder keine Niereninsuffizienz, definiert als eGFR ≥ 60 mL/min7 (p für Interaktion 0,8819):6
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eGFR ˂ 60 mL/min und ≥ 30 mL/min: Inzidenz schwerer Blutungen unter Apixaban 3,6 % vs, 4,3% unter Dalteparin
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eGFR ≥ 60 mL/min: Inzidenz schwerer Blutungen unter Apixaban 3,7 % vs. 3,9 % unter Dalteparin
- Auch die Raten an VTE-Rezidiven waren mit Dalteparin vergleichbar - unabhängig davon, ob eine moderate Niereninsuffizienz7 vorlag oder nicht (p für Interaktion 0,1085):6
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eGFR ˂ 60 mL/min und ≥ 30 mL/min: Inzidenz von VTE-Rezidiven unter Apixaban 2,2 % vs, 8,0 % unter Dalteparin
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eGFR ≥ 60 mL/min: Inzidenz VTE-Rezidiven unter Apixaban 6,7 % vs. 8,1 % unter Dalteparin
Bei Patient:innen mit krebsassoziierter VTE und moderater Niereninsuffizienz7 ließ sich für Apixaban ein Trend für eine verbesserte Wirksamkeit erkennen (Abb. 1).6 Apixaban führte bei Patient:innen mit moderater Niereninsuffizienz7 im Vergleich zu Patient:innen ohne oder mit milder Niereninsuffizienz7 zu einer numerisch geringeren Rate an VTE-Rezidiven (HR 0,31; 95 %-KI: 0,09 - 1,03).
Abb. 1: CARAVAGGIO-Subanalyse: VTE-Rezidive und schwere Blutungen‡ unter Apixaban versus Dalteparin bei Krebspatient:innen mit keiner oder milder Niereninsuffizienz7 (eGFR ≥ 60 ml/min) und moderater Niereninsuffizienz7 (eGFR ˂ 60 ml/min und ≥ 30 ml/min). £ eGFR in mL/min berechnet nach der Cockroft-Gault Formel. Modifiziert nach Becattini et al.6
Fazit:
Das Resultat der Subanalyse6 unterstützt die Ergebnisse der CARAVAGGIO-Hauptanalyse1. Demnach kann Apixaban bei der Behandlung von Patient:innen mit krebsassoziierter VTE eine vergleichbar wirksame VTE-Rezidivprophylaxe und bzgl. schwerer Blutungen‡ vergleichbar verträgliche orale Alternative zu NMH darstellen – unabhängig von einer vorliegenden moderaten Niereninsuffizienz7 (eGFR ˂ 60 ml/min und ≥ 30 ml/min).
* 33 % (in metabolisierter Form, weitere 33% direkt und unverändert. Die Werte gelten für die 20 mg Dosierung nur bei Einnahme zusammen mit einer Mahlzeit.
† Patient:innen mit aktiver Krebserkrankung können ein hohes Risiko für sowohl venöse Thromboembolien als auch Blutungen haben. Wenn Apixaban zur Behandlung von TVT oder LE bei Krebspatient:innen in Erwägung gezogen wird, sollte eine sorgfältige Abwägung des Nutzens gegen das Risiko erfolgen.
‡ EMA-Definition: schwere Blutungen nach Kriterien der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) und Blutungen, die einen akuten chirurgischen Eingriff erfordern.
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