Gastrointestinale Blutung unter Thrombosebehandlung – ein Fall aus der internistischen Praxis

Ein 78-jähriger Patient stellt sich mit Schwellung und Schmerzen im Bein vor. Die genauere Diagnostik und Abklärung mittels Sonografie bestätigt eine tiefe Venenthrombose. Unter der eingeleiteten Standardtherapie treten gastrointestinale Blutungen auf. Lesen Sie im Beitrag, nach welchen Rationalen die weitere Behandlung erfolgte. Hier gelangen Sie zum Fall aus der Praxis.

1. Anamnese

Der 78-jährige Patient - Größe: 173 cm, Gewicht: 87 kg - stellt sich am 20.02.2017 mit Beinschwellung und Schmerzen im Oberschenkel vor. Er ist aufgrund einer Osteoarthritis sowie seines Übergewichts (BMI 29) nur eingeschränkt mobil. Vor der Konsultation war der 78-Jährige aufgrund eines Infekts der Atemwege einige Tage bettlägerig. In der Vorgeschichte hatte der Patient eine postoperative tiefe Venenthrombose (TVT; Januar 2011).

2. Untersuchungsbefunde

Im Labor zeigt sich ein erhöhter Serumkreatinin-Spiegel mit 120-143 µmol/l bei noch altersgerechter Kreatinin-Clearance (CrCl) von 35-43 ml/min. Im Kompressionsultraschall kann eine okklusive TVT im Bereich des mittleren Oberschenkels bis zur Poplitealvene festgestellt werden.

3. Therapeutisches Vorgehen und Zwischenbefunde

Verbesserung der Symptomatik unter Antikoagulation

Fünf Tage nach Vorstellung wird eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin begonnen, gefolgt von Phenprocoumon. Nach 2 Wochen liegt der INR-Wert bei 2,6 (Zielbereich 2—3). Unter der Therapie kommt es zum Rückgang der Schwellung und der Schmerzen. Der Patient ist mobilisiert – klagt aber über Schwäche und Schwindel. Er wird unter Phenprocoumon entlassen.

Schwere gastrointestinale Blutung unter Vitamin-K-Antagonist (VKA)

Nach einem häuslichen Kollaps mit Hämatemesis wird der Patient in die Notaufnahme eingeliefert. Der Patient ist sehr blass und tachykard, Puls 120, Blutdruck 90/50 mmHg. Folgende Laborwerte werden festgestellt: Der Hämoglobin-(Hb)-Wert ist stark erniedrigt (7,7 g/dl), der INR-Wert von 3,4 liegt über dem therapeutischen Ziel und die Serumkreatinin-Spiegel sind stark erhöht (188 µmol/l) bei einer Kreatinin-Clearance von jetzt 27 ml/min. Akut steht die adäquate Kreislaufstabilisierung mit Volumensubstitution im Vordergrund. Wegen des erhöhten INR-Wertes von 3,4 kommt es zu einer Substitution mit Vitamin K (5mg) i.v. und der Gabe von Prothrombinkonzentrat. Diagnostisch und therapeutisch wird eine notfallmäßige endoskopische Abklärung mittels Ösophagogastroduodenoskopie durchgeführt.

Als Ursache wird eine aktive Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt festgestellt. Unter der Kombination von Adrenalininjektion und Hämoclip kommt es zum Stillstand der Blutung. Unter der weiteren Behandlung mit Erythrozytenkonzentraten normalisiert sich der Hb-Wert und der Patient ist kreislaufstabil.

Eine weitere sonographische Untersuchung zeigt eine Verbesserung des proximalen Gerinnsels: derzeit persistiert ein nicht okklusiver Thrombus in der Femoralvene ohne weitere Ausbreitung. Ein Vena-Cava-Filter wird nicht eingesetzt, lediglich eine Therapie mit Kompressionsstrümpfen wird begonnen - ohne weitere medikamentöse Antikoagulation.

Umstellung auf Apixaban

Aufgrund einer rezidivierenden TVT sowie einer schweren Blutung unter VKA ist für den Patienten eine wirksame Antikoagulation mit guter Verträglichkeit auch bei mäßig eingeschränkter Nierenfunktion (CrCl 30-50 ml/min) angezeigt. Metaanalysen zeigten für Nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOACs) im Vergleich zu VKA (hier: Warfarin) eine vergleichbare Wirksamkeit in der Rezidivprophylaxe von venösen Thromboembolien (VTE) bei geringerem Risiko für schwere Blutungen auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion.1 Daneben gibt es Hinweise, dass NOACs bei älteren Patienten (≥ 75 Jahre) eine im Vergleich zu VKA wirksamere Behandlung und Rezidivprophylaxe von VTE (tiefe Venenthrombose (TVT) und/oder Lungenembolie (LE)) darstellen.1  

Das NOAC Apixaban ist in der vorliegenden Risikokonstellation eine gute Therapieoption, weil es ein gutes Nutzen-Risiko-Profil aufweist.2 Es wird nur in geringem Maße renal eliminiert (ca. 27 %) und kann auch bei mäßig (CrCl 30-50 ml/min) oder schwer (CrCl 15-29 ml/min) eingeschränkter Nierenfunktion in der Standarddosierung angewendet werden. Bei schwerer Nierenfunktionsstörung ist Apixaban mit entsprechender Vorsicht einzusetzen.§, 2, 3

Der Patient weist ein geringes Risiko für eine Rezidivblutung auf und nach Rücksprache mit diesem sowie nach sorgfältiger Nutzen-Risikoabschätzung wird mit der Entlassung eine Therapie mit Apixaban (5 mg 2 x täglich) begonnen. Unter engmaschiger Kontrolle kam es bislang zu keiner erneuten Blutung. In der Ultraschalluntersuchung nach drei Monaten erschien der proximale Thrombus gut aufgelöst und es war nur eine geringfügig verdickte Venenwand zu sehen.

Weiterführende Links:

Studiensteckbrief AMPLIFY
 
Studiensteckbrief AMPLIFY-EXT
 
ELIQUIS® bei VTE - Dosierung
 
VTE : Venöse Thromboembolie (tiefe Venenthrombose (TVT) und/oder Lungenembolie (LE))
INR: International Normalized Ratio
§ Bei der Behandlung von VTE ist keine Dosisanpassung erforderlich in Bezug auf Alter, Gewicht oder Nierenfunktion. Bei CrCl < 15 ml/min oder bei dialysepflichtigen Patienten nicht empfohlen. Die Anwendung von ELIQUIS® bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird nicht empfohlen.3

Referenzen

  1. van Es N et al. Blood. 2014; 124(12):1968–1975. doi:10.1182/blood-2014-04-571232
  2. Agnelli G et al. N Engl J Med. 2013; 369(9):799–808. doi:10.1056/NEJMoa1302507
  3. Fachinformationen Eliquis® 5 mg / 2,5 mg, aktueller Stand.