Leitlinien praktisch angewandt: „Der non-adhärente VTE-Patient“

Ein 50-jähriger aktiv rauchender Patient wird seit 7 Monaten aufgrund einer vorangegangenen Beinvenenthrombose mit dem Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulans (NOAC) Apixaban behandelt. Nun gesteht er seiner Ärztin das Aussetzen der Antikoagulationstherapie. Wie kann die Adhärenz von Patient:innen gefördert werden?

Anhand eines fiktiven Patientenfalls möchten wir in dieser Artikelreihe auf eine besondere Situation in der klinischen Praxis eingehen und die Herangehensweise und mögliche leitliniengerechte Lösungen aufzeigen. Halten Sie in den nächsten Monaten Ausschau nach neuen Fällen!

Heute: „Non-Adhärenz bei einem 50-jährigen Apixaban-Patienten mit erhöhtem VTE-Rezidivrisiko“

Anamnese

Ein 50-jähriger Patient wird aufgrund einer vorangegangenen Beinvenenthrombose seit 7 Monaten mit dem NOAC Apixaban (ELIQUIS®) oral antikoaguliert. Aufgrund seines aktiven Rauchens ist bei dem Patienten nach abgeschlossener 6-monatiger Apixaban-Behandlung mit 5 mg 2 x tgl. eine verlängerte Rezidivprophylaxe mit einer reduzierten Apixaban-Dosis von 2,5 mg 2 x tgl.* indiziert. Bei einer regelmäßigen Gesundheitsuntersuchung gesteht er seiner Ärztin, er habe die Apixaban-Tabletten seit 2 Wochen nicht mehr eingenommen. Grund dafür war eine Recherche im Internet, die zur Angst vor einem erhöhten Blutungsrisiko geführt habe.

* Die Gesamt-Therapiedauer sollte nach sorgfältiger Abwägung des Nutzens der Behandlung gegen das Blutungsrisiko individualisiert werden. Die Dosierung von 2,5 mg 2 x tgl. ist nur für die verlängerte Rezidivprophylaxe nach Abschluss einer 6-monatigen Antikoagulation zugelassen. Bei Patient:innen mit schwerer Niereninsuffizienz (CrCl 15-29 ml/min) ist ELIQUIS® mit entsprechender Vorsicht einzusetzen. Bei Patient:innen mit einer CrCl ˂ 15 ml/min, dialysepflichtigen Patient:innen oder Leberfunktionsstörungen wird ELIQUIS® nicht empfohlen.

Non-Adhärenz bei NOACs

Patient:innen, die sich nicht an die Therapieempfehlungen der Ärzt:innen halten, sind keine Seltenheit sowie eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem und die Pharmaunternehmen. Laut Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) ist Non-Adhärenz bei NOACs nach wie vor ein wichtiges Thema.1 Im Beispielfall ist die Adhärenz des Patienten durch die Angst vor verstärkten Blutungen eingeschränkt. Dabei ist gerade ein non-adhärentes Verhalten bei NOACs wie Apixaban assoziiert mit Blutungen und thromboembolischen kardiovaskulären Ereignissen.2 Wie kann man die Adhärenz von Patient:innen fördern?

Lebensqualität messbar machen durch Patient-Reported Outcomes (PROs)

Gerade die Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen hat eine große Bedeutung für die Adhärenz.3 Neben den Risiken einer Non-Adhärenz müssen den Patient:innen die Vorteile der Therapie aufgezeigt werden. In der Regel gilt: Patient:innen, die eine Steigerung ihrer Lebensqualität sehen und zufrieden mit ihrer Therapie sind, werden zur Adhärenz motiviert. Die Erfassung von Patient-Reported Outcomes (PROs) (von Patient:innen-berichtete Ergebnisse), sogenannter PROs, kann hierzu ein wichtiges Hilfsmittel sein.4 Patient:innen schätzen über PROs ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Therapiezufriedenheit im zeitlichen Verlauf selbst objektiver ein.4 Sie verbessern das Therapiemanagement und liefern Ärzt:innen nachvollziehbare Argumente, die helfen, das Adhärenz-Verhalten der Patient:innen positiv zu beeinflussen. Durch die regelmäßige Abfrage der PROs gehen Patient:innen darüber hinaus vorbereitet in die nächste Sprechstunde, was den Ärzt:innen Zeit spart.3

Wie sieht ein PRO-Fragebogen für Apixaban aus?

Für Apixaban wurden bereits in der ADAM-VTE-Studie die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Therapiezufriedenheit mittels PROs bestimmt.5 Hierzu füllten die Proband:innen mit krebsassoziierter venöser Thromboembolie (VTE) monatlich eine modifizierte Duke Anticoagulation Satisfaction Scale (DASS)6 aus.5 Dieser speziell auf die gerinnungshemmende Therapie abgestimmte Fragebogen erfasste die von Patient:innen empfundenen negativen (Einschränkungen, Schwierigkeiten und Belastungen) sowie positiven Auswirkungen (Vertrauen, Beruhigung, Zufriedenheit) der Antikoagulation (Abb. 1).5

Abb. 1: PROs der ADAM-VTE-Studie: Empfundene Auswirkungen der Antikoagulation mit Apixaban im Vergleich zu Dalteparin auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Zufriedenheit der Patient:innen mit krebsassoziierter VTE, monatlich bestimmt durch eine modifizierte Duke Anticoagulation Satisfaction Scale (DASS). Modifiziert nach McBane et al.5

* Vorteil bedeutet Unterschied mit p ˂ 0,05.

Weitere Informationen zur Auswertung der PROs in der ADAM-VTE-Studie sowie über den Nutzen von PROs im Rahmen medizinischer Interventionen finden sie hier.

Fazit:

PROs erfassen negative und positive Auswirkungen einer Antikoagulationstherapie und können Ärzt:innen dabei helfen, Unzufriedenheiten mit der Therapie zu identifizieren, die Gründe dafür herauszufinden und notwendige Anpassungen vorzunehmen. Zudem führen sie den Patient:innen die Behandlungserfolge vor Augen und motivieren sie so zur Adhärenz. Für Apixaban wurden PROs bereits in der ADAM-VTE-Studie zur Bestimmung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und Therapiezufriedenheit eingesetzt.5

Referenzen

  1. Steffel J et al. 2021 European Heart Rhythm Association Practical Guide on the Use of Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial Fibrillation. Europace 2021; 23(10):1612–76.
  2. Emren SV et al. Drug Adherence in Patients With Nonvalvular Atrial Fibrillation Taking Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants in Turkey: NOAC-TR. Clin Appl Thromb Hemost 2018; 24(3):525–31.
  3. Zolnierek KBH, Dimatteo MR. Physician communication and patient adherence to treatment: A meta-analysis. Med Care 2009; 47(8):826–34.
  4. Steinbeck V, Ernst S-C, Pross C. Patient-Reported Outcome Measures (PROMs): ein internationaler Vergleich: Herausforderungen und Erfolgsstrategien für die Umsetzung von PROMs in Deutschland [cited 2023 Apr 20]. Available from: URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/BSt_PROMs-Implementierung_final.pdf?trk=public_post_comment-text.
  5. McBane R et al. Apixaban and dalteparin in active malignancy-associated venous thromboembolism: The ADAM VTE trial. J Thromb Haemost. 2020 Feb; 18(2):411-421.
  6. Samsa G et al. A new instrument for measuring anticoagulation-related quality of life: development and preliminary validation. Health Qual Life Outcomes 2004; 2:22.