Leitlinien praktisch angewandt : „Eine Thrombose zum Wochenende“

Es ist Freitag, ein Patient präsentiert sich mit möglichen Anzeichen einer venösen Thromboembolie. D-Dimere sind hoch, es besteht keine Möglichkeit zur Bildgebung in der Praxis. Was tun?

Es ist Freitag, ein Patient präsentiert sich mit möglichen Anzeichen einer venösen Thromboembolie. D-Dimere sind hoch, es besteht keine Möglichkeit zur Bildgebung in der Praxis. Was tun?

Wir haben für diese Artikelreihe von Ihren Kollegen einige Fallbeispiele gesammelt. Sie zeigen die Herangehensweise und mögliche leitliniengerechte Lösungen in alltäglichen und nicht so alltäglichen Situationen auf. Halten Sie in den nächsten Monaten Ausschau nach neuen Fällen!

Heute: „Eine Thrombose zum Wochenende“

Anamnese

Der 58-jährige Patient stellt sich am Freitagabend mit zunehmender Schwellung und Muskelkater in der rechten Wade vor. Er gibt an, dass es vor einigen Wochen zu einer Verletzung am Knöchel kam. Nach anfänglicher Besserung klagt er nun über genannte Beschwerden. Der Patient zeigt sich hämodynamisch stabil.

Klinische Wahrscheinlichkeit einer venösen Thromboembolie

Bei dem vorgestellten Patienten besteht der Verdacht auf eine venöse Thromboembolie (VTE). Mit einem modifizierten Two-Level Wells-Score von 2 (Schmerz/Verhärtung entlang der Venen, Schwellung; siehe Abb. 1) besteht bei dem Patienten eine hohe klinische Wahrscheinlichkeit für eine VTE. Der Verdacht sollte daher über eine bildgebende Diagnostik abgeklärt werden.1,2 Eine D-Dimer-Testung ist für die Entscheidung über das diagnostische Vorgehen bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für eine VTE überflüssig.1,2

Ein Ultraschall steht in der Praxis jedoch nicht zur Verfügung. Was tun?

Abb.1: Modifizierter 2-Level-Wells-Score zu Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer tiefen Venenthrombose (TVT).1,3

Diagnostische Bildgebung steht nicht zur Verfügung - was tun?

Ein:e Angiolog:in war freitags nicht mehr zu erreichen. Die Überweisung in die Notaufnahme könnte mit langen Wartezeiten einhergehen. Ein Kompressionsverband oder NMH in Prophylaxedosis mit erneuter Vorstellung stellen für den Fall einer TVT keine ausreichende Therapieoption dar.1,2

Eine Lösung für den vorliegenden Fall zeigen die AWMF-S2k-Leitlinien von 2015 auf: „Wenn die bildgebende Diagnostik nicht zeitgerecht zur Verfügung steht, z.B. nachts oder am Wochenende, kann bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für eine Venenthrombose überbrückend eine Antikoagulation begonnen werden, bis die Diagnostik komplettiert werden kann“.1 Voraussetzung ist, dass keine Kontraindikationen, wie z.B. ein hohes Blutungsrisiko bestehen und später ein definitiver Nachweis oder Ausschluss der TVT erfolgt.1

Therapeutisches Vorgehen

Für die orale Antikoagulation zur TVT-Behandlung empfehlen aktuelle Leitlinien, bevorzugt Nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOACs) gegenüber Vitamin-K-Antagonisten.2-4

Der Patient wurde in der Akutphase und zur Weiterbehandlung mit Apixaban therapiert: 10 mg 2 x tgl. über sieben Tage und anschließender Reduktion auf 5 mg 2 x täglich.5 Apixaban ist, wie auch Rivaroxaban, zur Akut- und Weiterbehandlung einer VTE zugelassen. Eine Heparin-Einleitung ist bei diesen beiden NOACs nicht nötig.5,6 Daher wurde direkt am Freitag mit der ersten Dosis Apixaban 10 mg (2 Tabletten) gestartet und der Patient für die nächste Woche an eine:n Angiolog:in überwiesen. Nach einer Woche erfolgte eine Nachkontrolle, um zu prüfen, ob korrekt antikoaguliert und die Dosis gemäß der Anweisung nach der 7-tägigen Akutphase reduziert wurde.

Sie möchten mehr zur Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban bei der Behandlung und Rezidivprophylaxe von VTE erfahren? Wir haben die Ergebnisse der Zulassungsstudien kurz für Sie zusammengefasst.

Referenzen

  1. Dt. Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin. AWMF S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie. Stand: 2015. AWMF Registernummer 065 – 002 - gültig bis 09.10.2020;
  2. Kakkos SK et al. Eur J Vasc Endovasc Surg. 2021; 61(1):9–82. doi:10.1016/j.ejvs.2020.09.023
  3. Konstantinides SV et al. Eur Heart J. 2020; 41(4):543-603. doi:10.1093/eurheartj/ehz405
  4. Stevens SM et al. Chest. 2021. doi:10.1016/j.chest.2021.07.056
  5. Fachinformationen Eliquis® 5 mg / 2,5 mg, aktueller Stand.
  6. Fachinformationen Xarelto® 20 mg / 15 mg, aktueller Stand.
  7. Agnelli G et al. N Engl J Med. 2013; 369(9):799–808. doi:10.1056/NEJMoa1302507
  8. Agnelli G et al. N Engl J Med. 2013; 368(8):699–708. doi:10.1056/NEJMoa1207541