Nicht medikamentöse Alternativen zur Antikoagulation?

Einige Patient:innen suchen nach naturheilkundlichen Alternativen zur medikamentösen Antikoagulation – sei es aus persönlicher Präferenz, Angst vor Nebenwirkungen oder anderen individuellen Gründen.

Prof. Dr. Carl-Erik Dempfle
IMD Gerinnungszentrum, Mannheim MVZ
 

Einige Patient:innen suchen nach naturheilkundlichen Alternativen zur medikamentösen Antikoagulation – sei es aus persönlicher Präferenz, Angst vor Nebenwirkungen oder anderen individuellen Gründen.

Kleine Veränderungen mit großen Auswirkungen

Bereits kleine Veränderungen im Alltag können das Thromboserisiko aktiv verringern. So fördert ein gesunder Lebensstil ohne übermäßigen Alkoholkonsum oder Rauchen eine gesunde Durchblutung. Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Vollkornprodukte, eine Vitamin-K-reiche Ernährung sowie gesunde Fette, insbesondere Omega-3-Fettsäuren, schützen die Gefäße. Zudem scheint auch eine ganze Reihe spezifischer Nahrungsmittel einer übermäßigen Aktivierung der Blutgerinnung entgegenzuwirken. Dazu zählen unter anderem Knoblauch (Allium sativum), Kurkuma (Curcuma aromatica) oder Ingwer (Zingiber officinale) – Zutaten, die sich auch in den allermeisten Küchen finden lassen.

Pflanzliche Power: Natürliche Verbindungen und ihre Wirkung auf die Blutgerinnung

Pflanzliche Verbindungen wie Alkaloide und Flavonoide zeigen eine hemmende Wirkung auf die Thrombozytenfunktion. Diese Verbindungen wirken durch verschiedene Mechanismen, einschließlich der Hemmung der ADP-induzierten Aggregation, der Blockade des Arachidonsäurewegs zur Reduktion von Thromboxan A2, und der Interaktion mit dem plättchenaktivierenden Faktor (PAF) oder dessen Rezeptoren. Einige Phytochemikalien vermindern auch die Produktion funktionsfähiger Gerinnungsfaktoren, steigern die Gerinnselauflösung (Fibrinolyse), oder beeinträchtigen den Metabolismus bestimmter Cytochrom-P450-Enzyme, was die Gerinnungsprozesse weiter modulieren kann.1 

Nahrungsmittel Wirkstoff Wirkung
Ananas, Kiwi Bromelain2 Gerinnungshemmende und Fibrinolyse-steigernde Wirkung
Cayennepfeffer3 Capsaicin, Salicylat Gerinnungshemmende Wirkung
Dunkle Schokolade3, 4 Flavanole Verbesserung des Blutflusses, der Blutgerinnung sowie des gesamten Kreislaufsystems
Goji-Beere, rote Beeren3, 5 unbekannt Stark blutverdünnende Wirkung
Ingwer6, 7 Salicylat, Ingwerol Gerinnungshemmende Wirkung, thrombozytenaggregationshemmende Wirkung
Knoblauch3, 8 Allicin Leicht thrombozytenaggregationshemmende Wirkung
Kurkuma9, 10 Curcumin Gerinnungshemmende Wirkung, Einfluss auf endotheliale Funktion
Natto Nattokinase11–13 Fibrinolytische Wirkung
Tomaten14, 15 Lycopin Gerinnungshemmende Wirkung, Senkung des Schlaganfallrisikos
Weißdorn16 Flavonoid, Procyanidin Vermeidung von Gerinnselbildung, Stärkung der Gefäße
Zimt Cumarin Gerinnungshemmende Wirkung
Zwiebeln3 Alliin, Quercetin Verbesserung der Sauerstoffversorgung und des Blutflusses, blutdrucksenkende Wirkung

Auswahl an Lebensmitteln mit potentieller Wirkung auf die Blutgerinnung

Allen Substanzen gemein ist, dass die Wirkung auf Blutgerinnung und Fibrinolyse insgesamt gering ausgeprägt und der Nutzen nicht durch klinische Studien belegt ist. Auch wenn die Verwendung zur Nahrungsergänzung einen günstigen Effekt haben kann, sind die verfügbaren Phytotherapeutika bei Patient:innen mit einer Indikation zur gerinnungshemmenden Therapie keine sinnvolle Alternative. Zusammen mit einer gerinnungshemmenden Therapie eingenommen, können die Phytotherapeutika das Risiko für Blutungskomplikationen erhöhen. Deutlich verstärkte Blutungen werden beispielsweise bei Kombination einer gerinnungshemmenden Therapie und der Einnahme hochdosierter Omega-3-Fettsäurepräparate beobachtet.17, 18 Auch Knoblauch oder Ingwer in größeren Mengen können das Blutungsrisiko relevant steigern.1

Kein Ersatz für eine gerinnungshemmende Therapie

Der geringe gerinnungshemmende oder Fibrinolyse-steigernde Effekt der Phytotherapeutika stellt keinen Ersatz für eine therapeutische Antikoagulation dar. Bei Indikation für eine effektive gerinnungshemmende Therapie, beispielsweise bei der Behandlung venöser Thrombosen oder Embolien, oder bei Vorhofflimmern, sollten daher die für die Indikation zugelassenen und in umfangreichen klinischen Studien erprobten gerinnungshemmenden Medikamente eingesetzt werden.

Unbedingt mit Mediziner:innen abklären

Nicht bei allen Patient:innen können natürliche Alternativen oder Lebensstilanpassungen eine medikamentöse Antikoagulation ersetzen. Aus diesem Grund ist es essenziell, alle naturheilkundlichen Ansätze im Vorfeld mit den behandelnden Ärzt:innen zu besprechen. Hierbei muss auch auf potentielle Medikamenten-Wechselwirkungen eingegangen werden.

Referenzen

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  4. Flammer AJ, Hermann F, Sudano I, et al. Dark chocolate improves coronary vasomotion and reduces platelet reactivity. Circulation 2007;116(21):2376-82
  5. BfArM. Mögliche Interaktion zwischen Vitamin-K-Antagonisten und der Goji-Beere – Risiko von INR-Erhöhung und schweren Blutungsereignissen. Bulletin zur Arnzeimittelsicherheit 2013
  6. Nurtjahja-Tjendraputra E, Ammit AJ, Roufogalis BD, et al. Effective anti-platelet and COX-1 enzyme inhibitors from pungent constituents of ginger. Thromb Res 2003;111(4-5):259-65
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