Pflanzliche Heilmittel und NOACs – Risiken und Wechselwirkungen

Wissen Sie, ob Ihre Patient:innen neben der verordneten oralen Antikoagulation pflanzliche Heilmittel einnehmen? Gezieltes Nachfragen ist ratsam, denn es kann zu schwerwiegenden Wechselwirkungen kommen, wenn bestimmte Phytopharmaka mit NOACs kombiniert werden.

Bei einem 36-jährigen Patienten mit rezidivierter tiefer Beinvenenthrombose treten nach 18 Monaten problemloser oraler Antikoagulation mit einem Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulans (NOAC) plötzlich unerklärliche Hämoptysen auf.1 Nach umfänglicher Nachfrage gibt der Patient an, über einen Zeitraum von etwa einem Monat täglich 2-3 Liter selbsthergestellten Ingwertee konsumiert zu haben.

Im Thrombozytenfunktionstest zeigt sich eine deutliche Reduktion der Thrombozytenaggregation, die auf die plättchenhemmende Wirkung des Ingwers zurückgeführt wird.1 Nachdem der Ingwertee abgesetzt und die Antikoagulation für 48 Stunden pausiert wird, sind die Hämoptysen rückläufig und der Patient kann nach 4 Tagen aus der stationären Behandlung entlassen werden.1

Bekannt sind Wechselwirkungen von pflanzlichen Wirkstoffen mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) schon längere Zeit. Doch auch für NOACs, wie in diesem Fall, kann ein Interaktionspotenzial vorhanden sein.2

Interaktionspotenzial von Medikamenten mit NOACs

Für mögliche Interaktionen sind maßgeblich die körpereigenen Systeme für Metabolisierung (Cytochrom-P450-Isoenzyme) und Absorption (P-Glykoprotein) relevant.
Apixaban ist – ähnlich wie die anderen NOACs – ein Substrat des Efflux-Transporters P-Glykoprotein; wie Rivaroxaban wird es im Wesentlichen über das Leberenzym CYP3A4/5 metabolisiert.3 Bei der gleichzeitigen Einnahme/Anwendung von Apixaban mit anderen Medikamenten sollte deshalb beachtet werden:

Fragen Sie Ihre Patienten nach pflanzlicher Selbstmedikation

Ebenfalls können auch Bestandteile pflanzlicher Heilmittel mit dem Enzym CYP3A4 und dem P-Glykoprotein interagieren oder die Thrombozytenfunktion hemmen (siehe Tabelle).4 Wie stark deren Einfluss auf die Wirkung der NOACs ist, ist nicht abschließend geklärt. Das Interaktionspotenzial könnte sich zudem erst bei der gleichzeitigen Einnahme über einen längeren Zeitraum hinweg voll entfalten.4

Ein Beispiel ist das Johanniskraut, ein bekannter starker Induktor von CYP3A4.2 Es kann daher potenziell die Wirksamkeit der NOACs vermindern.4
Ein potenziell erhöhtes Blutungsrisiko in Kombination mit NOACs ergibt sich darüber hinaus für:

§ in Anwesenheit von zusätzlichen Faktoren, die die Apixaban-Exposition erhöhen, z. B. schwere Nierenfunktionsstörung

Referenzen

  1. Gressenberger P et al. Increased Bleeding Risk in a Patient with Oral Anticoagulant Therapy and Concomitant Herbal Intake - A Case Report. EJIFCC 2019; 30(1):95–8.
  2. Di Minno A et al. Old and new oral anticoagulants: Food, herbal medicines and drug interactions. Blood Rev 2017; 31(4):193–203.
  3. Fachinformationen Eliquis® 5 mg / 2,5 mg, aktueller Stand.
  4. Abendroth A et al. Ginkgo, Ginseng und Gerinnung. Zeitschrift für Phytotherapie 2021; 42(06):301–11.