VHF<sup>&diams;&#xfe0e;</sup> und eingeschränkte Nierenfunktion – Limitationen beim Einsatz von NOACs?

Mit dem Alter steigt das Risiko f&uuml;r nicht-valvul&auml;res Vorhofflimmern (VHF<sup>&diams;︎</sup>), aber auch die Pr&auml;valenz einer Nierenfunktionst&ouml;rung.<sup>1, 2</sup> Liegt neben VHF<sup>&diams;︎</sup> auch eine chronische Nierenerkrankung (CKD) vor, beeinflusst dies nicht nur Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t, sondern auch die Pharmakokinetik eingenommener Medikamente.<sup>3</sup> Wie wirkt sich dies auf die Wirksamkeit und Vertr&auml;glichkeit Nicht-Vitamin-K-abh&auml;ngigen oralen Antikoagulanzien (NOACs) bei Patient:innen mit VHF<sup>&diams;︎</sup> und CKD aus?

VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen mit CKD gehören aufgrund eines erhöhten Risikos für thromboembolische Ereignisse einer besonderen Risikogruppe an.3 Mit zunehmenden Alter steigt die Prävalenz beider Erkrankungen.1, 2 Aufgrund dieser besonderen Risikosituation benötigen gerade alte Patient:innen mit VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ und Nierenfunktionsstörung eine wirksame Gerinnungshemmung. Gleichzeitig besitzen diese Patient:innen allerdings auch ein erhöhtes Blutungsrisiko, was die Risikostratifizierung und Behandlung erschwert.3

Elimination über die Niere ist entscheidend

Bei der Auswahl von Behandlungsoptionen mit möglichst vorteilhaftem Nutzen-Risiko-Profil für diese Patient:innen spielt die Elimination der Medikamente über die Niere eine wichtige Rolle. NOACs werden als wirksame und verträgliche Alternative zu VKA immer häufiger eingesetzt und werden von der ESC-Leitlinie zur Initiation der Antikoagulation bevorzugt vor VKA empfohlen, sofern die VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen für ein NOAC geeignet sind.1, 4

Sie alle werden teilweise über die Niere eliminiert, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß.5–8 Wird ein Medikament über die Niere eliminiert wird, so kann es bei abnehmender Nierenfunktion zu einer verlängerten Halbwertszeit und damit zu erhöhten Plasmaspiegeln kommen.

In Abhängigkeit von dem über die Niere eliminierten Anteil der Medikamentendosis ergeben sich folgende pharmakokinetische Kenndaten für die einzelnen NOACs bei Nierenfunktionsstörung:5–8

Tabelle 1: Erhöhte Plasmakonzentrationen (AUC) bei eingeschränkter Nierenfunktion

Nicht alle NOACs müssen bei mäßiger Nierenfunktionsstörung reduziert werden

Für die praktische Anwendung bedeuten erhöhte NOAC-Plasmaspiegel, dass eine Dosisreduktion angezeigt sein kann.*,† Zusätzlich zur Nierenfunktion sind Medikamentenwechselwirkungen in Betracht zu ziehen, die ebenfalls die Plasmalevel erhöhen können. Ab welchem Grad der Funktionsstörung eine Dosisreduktion notwendig ist und ob eine leichte bis mäßige Funktionsstörung als alleiniges Kriterium ausreicht, ist bei den einzelnen NOACs sehr unterschiedlich (siehe jeweilige FI).5–8 Die EHRA-Praxisleitlinie gibt hierzu Dosierungsempfehlungen für die gängigsten NOACs, basierend auf dem gegenwärtigen Kenntnisstand (Abb. 1):3

So ist für Dabigatran bereits ab einer CrCl von 30-50 ml/min eine Dosisreduktion zu erwägen, falls das Blutungsrisiko das thromboembolische Risiko überwiegt.§ Ab einer CrCl < 30 ml/min darf Dabigatran nicht mehr zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ angewendet werden.

Die Standarddosierung von Edoxaban (1x 60 mg täglich) bzw. Rivaroxaban (1x 20 mg täglich) sollte ab einer CrCl ˂ 50 ml/min reduziert werden. Bei einer CrCl von 15-30 ml/min sollte die Anwendung mit Vorsicht erfolgen.$
Apixaban kann über den gesamten Bereich von 30 – 80 ml/min in gleichbleibender Dosierung angewendet werden: Entweder in der Standarddosierung von 2x 5 mg täglich oder der reduzierten Dosierung von 2x 2,5 mg täglich, falls mindestens zwei der folgenden Kriterien gleichzeitig vorliegen: Serumkreatinin > 1,5 mg/dl (133 µmol/l), Alter ≥ 80 Jahre oder Körpergewicht ≤ 60 kg. Nur wenn die CrCl 15-30 ml/min beträgt, ist die Nierenfunktion für Apixaban als alleiniges Kriterium für eine Dosisreduktion ausreichend.5–8
Ab einer CrCl ˂ 15 ml/min ist die Anwendung aller NOACs kontraindiziert.5–8

Abb. 1: Schema für die antikoagulative Therapie mittels NOACs bei Patient:innen mit VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ und eingeschränkter Nierenfunktion, modifiziert nach der EHRA-Leitlinie 2021.3

Vorteile von Apixaban gegenüber Warfarin – auch bei abnehmender Nierenfunktion

In der Zulassungsstudie ARISTOTLE hatte das NOAC Apixaban in der Schlaganfallprophylaxe bei erwachsenen VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎-Patient:innen mit mind. einem Risikofaktor ein vorteilhaftes Nutzen-Risiko-Profil gegenüber Warfarin gezeigt: Die Rate an Schlaganfällen oder systemischen Embolien (prim. Endpunkt) war unter Apixaban um relativ 21 %, die Rate für schwere Blutungen (wichtiger sek. Endpunkt) um relativ 33 % niedriger als unter Warfarin.9

Der Vorteil von Apixaban gegenüber Warfarin bezüglich der Rate an Schlaganfällen oder systemischen Embolien war dabei unabhängig von der Nierenfunktion (p für Interaktion = 0,705). Das zeigte eine Subgruppenanalyse, die die Daten der ARISTOTLE-Studie stratifiziert nach drei Nierenfunktionsgruppen (eGFR berechnet nach Cockroft-Gault: > 80 ml/min; > 50 bis 80 ml/min bzw. ≤ 50 ml/min) auswertete#. Hinsichtlich schwerer Blutungen schien sogar eine positive Interaktion mit der abnehmenden Nierenfunktion aufzutreten (p für Interaktion = 0,030). Die Patient:innen profitierten also über alle untersuchten Nierenfunktionsbereiche von der Behandlung mit Apixaban im Vergleich zu Warfarin.10

Weiterführende Links:

SSB ARISTOTLE
Abgabekarte Niere
 
VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎: nicht-valvuläres Vorhofflimmern
* Für weitere mögliche Kriterien für eine Dosisreduktion neben der Nierenfunktion sowie für Warnhinweise und Kontraindikationen, beachten Sie bitte die Fachinformationen der einzelnen NOACs.
Bei einer CrCl ≤ 15 ml/min oder dialysepflichtigen Patient:innen ist keines der NOACs zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF♦︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎︎ zugelassen.
§ Dosisreduktion auf 2x 110 mg bei Patient:innen mit hohem Blutungsrisiko (gemäß Fachinformation7).
$ Dosisreduktion auf 1x 30 mg bei mind. einem der folgenden Faktoren: Gewicht ≤ 60 kg, gleichzeitige Therapie mit starken p-Glykoproteinhemmern. Edoxaban sollte bei Patient:innen mit hoher CrCl nur nach sorgfältiger Bewertung des individuellen Thromboembolie- und Blutungsrisikos angewendet werden.
Dosisreduktion auf 2x 2,5 mg bei mind. 2 der 3 Kriterien: Alter ≥ 80 Jahre, Gewicht ≤ 60 kg, Kreatinin ≥ 1,5 mg/dl (133 μmol/l).
wie Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA) in der Anamnese, Alter ≥75 Jahre, Hypertonie, Diabetes mellitus, symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse ≥II).
# Patienten mit einer CrCl < 25 ml/min waren von der Analyse ausgeschlossen.

Referenzen

  1. Hindricks G und Potpara T et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2021; 42(5):373–498.
  2. Girndt M et al. The Prevalence of Renal Failure. Results from the German Health Interview and Examination Survey for Adults, 2008-2011 (DEGS1). Dtsch Arztebl Int 2016; 113(6):85–91.
  3. Steffel J et al. 2021 European Heart Rhythm Association Practical Guide on the Use of Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial Fibrillation. Europace 2021; 23(10):1612–76.
  4. Arzneimittel-Atlas 2022 [eingesehen am 24.10.23]. Available from: URL:https://www.arzneimittel-atlas.de/arzneimittel/b01-antithrombotische-mittel/verbrauch/.
  5. Fachinformationen Eliquis® 5 mg / 2,5 mg, aktueller Stand.
  6. Bayer, editor. Fachinformation Xarelto 20 mg Filmtabletten, aktueller Stand.
  7. Boehringer Ingelheim, editor. Fachinformation Pradaxa 150 mg Hartkapseln, aktueller Stand.
  8. Daiichi-Sankyo, editor. Fachinformation Lixiana 60 mg Filmtabletten, aktueller Stand.
  9. Granger CB et al. Apixaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2011; 365(11):981–92.
  10. Hohnloser SH et al. Efficacy of apixaban when compared with warfarin in relation to renal function in patients with atrial fibrillation: Insights from the ARISTOTLE trial. Eur Heart J 2012; 33(22):2821–30.