In Deutschland leben schätzungsweise 400.000 Menschen, die chronisch mit HBV- oder HCV-Viren infiziert sind. „Mehr als 50 % der Betroffenen wissen jedoch nichts von ihrer Infektion, werden nicht behandelt und ergreifen auch keine Vorsichtsmaßnahmen gegen die Weitergabe der Viren“, sagt Professor Dr. med. Georg Ertl, Internist und Kardiologe aus Würzburg und Generalsekretär der DGIM. Die chronische Infektion greift vor allem die Leber an und führt dort zunächst zu einer Entzündung, die sich oft nur durch uncharakteristische Beschwerden wie Übelkeit, Müdigkeit oder einen Druck im Oberbauch bemerkbar macht. Langfristig kann sich aus der chronischen Entzündung eine Leberzirrhose entwickeln, die mit einem fortschreitenden Verlust der Leberfunktion und einem erhöhten Risiko für Leberkrebs verbunden ist. „Dieser potentiell tödliche Verlauf lässt sich heute mit antiviralen Medikamenten gut verhindern“, sagt Ertl. Sowohl für die Hepatitis B als auch für die Hepatitis C stünden gut wirksame Mittel zur Verfügung, mit denen sich die Viruslast im Blut deutlich senken lasse. Im Falle der Hepatitis C könne die antivirale Therapie die Viren sogar vollständig eliminieren.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Infektion überhaupt bekannt ist. „Mit jeweils 5000 bis 6000 HBV- und HCVFällen, die jährlich neu diagnostiziert werden, sind wir von einer ausreichenden Reduktion der Dunkelziffer jedoch weit entfernt“, sagt Professor Dr. med. Christoph Sarrazin, Direktor des Zentrums Innere Medizin und der Medizinischen Klinik 2 am St. Josefs-Hospital Wiesbaden und Leiter der Forschergruppe Virushepatitis am Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Das HBV und HCV-Screening in die Allgemeine Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten (früher: Check-up 35) aufzunehmen, sei daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Bis das Screening tatsächlich starten kann, müssen Ärzte und Krankenkassen sich im Bewertungsausschuss noch auf die Höhe der ärztlichen Vergütung einigen. Damit wird ungefähr zur Jahresmitte 2021 gerechnet. „Dann ist es an den Hausärzten, ihre Patienten aktiv auf das Angebot hinzuweisen“, so Sarrazin.
Im Rahmen des Screenings wird dem Patienten zunächst eine Blutprobe entnommen und auf Eiweißbestandteile des Virus (HBV) beziehungsweise Antikörper gegen das Virus (HCV) untersucht. Schlägt einer dieser Tests an, wird dieselbe Blutprobe erneut untersucht, ohne dass der Patient noch einmal in die Praxis kommen muss. Diesmal wird versucht, das Viruserbgut direkt nachzuweisen, um die Diagnose zu sichern. „Erfahrungsgemäß nehmen weniger als 50 % der Berechtigten ein solches Gesundheitsangebot an“, sagt DGIM-Generalsekretär Ertl. Seine Fachgesellschaft setze sich daher dafür ein, die Aufmerksamkeit und Akzeptanz für das neue Screening zu steigern – und so zum Erreichen des WHO-Ziels beizutragen.
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