Im Februar 2023 wurde die neue S2k Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie verabschiedet. Gegenüber den Leitlinien von 2020 haben sich neue Aspekte im Bereich der Ultraschalldiagnostik der tiefen Venenthrombose ergeben. Aber auch die Antikoagulationsempfehlungen wurden an die Studienlage angepasst, insbesondere im Bereich von relevanten Nebendiagnosen wie Tumorerkrankung, deutlicher Adipositas, Leberzirrhose und Niereninsuffizienz. Bei der Lungenembolie sind die Diagnostik-und Therapiepfade teilweise neu strukturiert und didaktisch klar als Flussdiagramme dargestellt worden. Auch weist die aktuelle Leitlinie Abläufe und Vorgehensweisen bei teils seltenen Notfällen auf.
Die überarbeitete Leitlinie zur tiefen Venenthrombose und Lungenembolie bildet den aktuellen evidenzbasierten Therapiestandard für diese Patienten ab. Diesen gilt es nunmehr umzusetzen, um den betroffenen Patienten durch eine effektive Diagnosestellung die adäquate Therapie zukommen zu lassen.
Eine tiefe Venenthrombose entwickeln ca. 1 % der Bevölkerung in Deutschland im Laufe ihres Lebens und hat zwei wesentliche Risiken: Im akuten Stadium ist dies die lebensbedrohliche Lungenembolie (LE) mit einer weiterhin hohen Mortalität. Ca. 25.000 Menschen in Deutschland versterben jährlich an diesem akuten Geschehen. Die Lungenembolie hat aber auch langfristige Limitierungen durch die Persistenz von Beschwerden. Zum einen die chronisch thrombembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH), die etwa 2 % der Patienten betrifft, und das Post-Lungenembolie-Syndrom (ca. 16 % der Patienten). Beide Folgeerkrankungen führen zu einer erhöhten Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate.
Nach einer tiefen Venenthrombose bleiben aufgrund eines postthrombotischen Syndroms in etwa 20–70 % der Fälle Beschwerden bestehen – was die Lebensqualität teils erheblich einschränkt. 5–7 % dieser Patienten entwickeln eine deutliche Beschwerdesymptomatik mit offenen Wunden, das sog. Ulkus cruris. Trotz der neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) ist es nicht gelungen, die Inzidenz in den letzten 20 Jahren zu senken.
Die neue Leitlinie fast die aktuelle Literatur zusammen und zeigt einen klaren Leitfaden durch die Diagnostik wie auch die Therapie. Auch werden seltene klinische Situationen bzw. Erkrankungen klar strukturiert dargestellt. Im diagnostischen Pfad der tiefen Beinvenenthrombose hat die klinische Prätest-Wahrscheinlichkeit weiterhin einen überragenden Stellenwert. Bei niedriger klinischen Wahrscheinlichkeit ist der D-Dimer-Test wesentlich und führt bei negativem Ergebnis zu einem sicheren Ausschluss. Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit ist die Farbduplexsonographie das entscheidende diagnostische Mittel.
Da im klinischen Alltag nicht immer 24/7 die fachliche Kenntnis vorgehalten werden kann, kann der Point-of-Care Ultraschall durchgeführt werden. Ist dieser negativ, kann man bis zur Wiederholung bzw. der kompletten Farbduplexsonographie Untersuchung auf eine Antikoagulation verzichten.
Bei der Indikation zur Antikoagulation werden die NOAK meist bevorzugt. Neuere Studien zeigen, dass diese auch sicher bei adipösen Patienten bis 150 kg, bei alten Menschen, bei Patienten mit einer GFR bis 15 ml/min/m2 und auch bei Patienten mit Leberzirrhose oder Tumorerkrankung – teils mit Einschränkungen – eingesetzt werden können. Zudem geht die Leitlinie auf die Indikation zur Antikoagulation in der Schwangerschaft, im Kindes- und Jugendalter sowie bei seltenen Lokalisationen – wie zerebral, viszeral und in der oberen Extremität – ein. Zudem wurde das Ampelschema der Deutschen Gesellschaft für Angiologie zur Fortsetzung der Antikoagulation abhängig vom Risiko einer erneuten VTE in die Leitlinie übernommen. Eine rekanalisierende Maßnahme kann bei Patienten mit deszendierender Beckenvenenthrombose und schwerer venöser Stauungssymptomatik erwogen werden.
Die Lungenembolie ist auch heute noch eine oft übersehene Diagnose mit teils fatalen Folgen. Nur 7 % der verstorbenen Patienten erhielten zuvor die Diagnose Lungenembolie und wurden entsprechend behandelt. Während die Behandlung und die Senkung der Mortalität beim Myokardinfarkt große Fortschritte zu verzeichnen hat, persistiert diese im Bereich der Lungenembolie. Diese Leitlinie geht dies mit Hilfe von klaren diagnostischen und therapeutischen Pfaden an. So lässt sich sicher und effizient eine Lungenembolie ausschließen bzw. diagnostizieren, eine Überdiagnostik vermeiden und eine Therapie schneller initiieren.
Bei stabilen Patienten ist auch bei der Lungenembolie die klinische Wahrscheinlichkeit der wesentliche erste diagnostische Schritt: Einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit folgt der D-Dimer Test zum Ausschluss einer LE bei negativem Ergebnis. Bei hoher Wahrscheinlichkeit für eine LE ist die CT-Pulmonalisangiographie oder V/Q-Szin zur Diagnose.
Bei instabilen, nicht transportablen Patienten steht die Echokardiographie an erster Stelle. Sind hier keine Rechtsherzbelastungszeichen zu finden, ist eine hämodynamisch relevante LE ausgeschlossen. Sind diese zu diagnostizieren, folgt die CT Pulmonalisangiographie oder wenn nicht möglich, die Farbduplexsonographie der unteren Extremität. Bei Nachweis einer LE oder VTE erfolgt die Antikoagulation und die Revaskularisation mittels systemischer Lyse, wenn keine Kontraindikationen bestehen, bzw. die interventionelle Thrombektomie oder chirurgische Embolektomie.
Bei den Folgen der Lungenembolie wie die CTEPH und das Post-Lungenembolie Syndrom zeigt diese Leitlinie anhand der Flussdiagramme den diagnostischen Pfad auf. Die frühe Diagnostik ist für diese Patienten elementar, um Re-Hospitalisierung und Tod reduzieren zu können.
Die vollständige Leitlinie finden Sie hier:
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