Schon etliche Male war ich auf der Homepage der DGIM und hatte mir die Stipendien für die Winterschools angeschaut, ohne mich an eine Bewerbung zu trauen. Im letzten Jahr der Facharztausbildung ergreife ich meine Chance und reiche den Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und einen Case-Report ein. Nach bangem Hoffen und Warten kommt die Zusage: In vier Monaten soll es nach Schweden gehen.
Die Reiseroute wird gecheckt. Nördlich des Polarkreises befindet sich das Ziel, 1350 km sind es von Stockholm. Die Wettervorhersage sagt Temperaturen um −20 °C voraus. So weit nördlich war noch niemand der Teilnehmenden aus Deutschland – entsprechend groß ist die Aufregung. Wir nehmen zuvor Kontakt zueinander auf. Die Stimmung ist von Anfang an super. Alle verstehen sich auf Anhieb und freuen sich auf ein persönliches Kennenlernen vor Ort.
Bereits die Anreise wird zum Erlebnis: Ob mit dem Flugzeug, dem Nachtzug, dem Bus oder einer Kombination der Verkehrsmittel – die 58 Teilnehmenden schwärmen aus allen Himmelsrichtungen Europas (+ Mexiko) in den schwedischen Norden. Schon am Vorabend der Fortbildung connecten sich alle Teilnehmer. Am Flughafen und im Nachtzug bilden sich Gesprächsrunden und erste Freundschaften.
In Björkliden angekommen, geht es mit einer Vorstellungsrunde los, noch am selben Abend beginnen die Fortbildungen. Und: Wir sehen Polarlichter, die am Himmel vorbei zu tanzen scheinen. Der Sternenhimmel ist an diesem Abend so klar, dass man den Eindruck hat, durch kristallklares Wasser auf den Grund des Ozeans zu blicken. Alle Sternbilder sind zu erkennen. Was haben wir doch für ein Glück, dass die Natur uns diesen Anblick schenkt. Unendlich dankbar für dieses Erlebnis starten wir in die Fortbildungswoche.
Das wissenschaftliche Programm aus Vorträgen, Workshops und den klinischen Fallberichten der Teilnehmenden stellt die Innere Medizin in beeindruckender Bandbreite und Tiefe dar. Die Themen reichen von IgG4-Erkrankungen, Autoimmunhepatitis, Fallstricken der Endokrinologie und vielem mehr bis hin zu Vorträgen und angeregten Diskussionen über Fehlerkultur, ethische Spannungsfelder und Problemen im ärztlichen Alltag. Eines wird schnell klar: Auch wenn uns Landesgrenzen sowie unterschiedliche Sprachen trennen und wir in zum Teil gänzlich verschieden aufgebauten Gesundheitssystemen arbeiten, so sind wir im ärztlichen Alltag mit den gleichen Fragen und Herausforderungen konfrontiert. Die Themen werden auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten angeregt weiter besprochen.
Zwischen den Fortbildungen bieten die schwedischen Gastgeber ein unglaubliches Rahmenprogramm: Ski-Kurse, Schneewanderungen und exzellente Vorträge zum Leben unter extremen klimatischen Bedingungen, zu Erfrierungen oder zum Klimawandel.
Wer abends an Schlaf denkt, ist in Björkliden falsch: Auch zur fortgeschrittenen Stunde sind alle zusammen, bekommen einen Crash-Kurs im Salsa-Tanzen, singen Karaoke, reden und lachen, tauschen sich über berufliche Erfahrungen, aber auch darüber hinaus aus. Selbst wenn anfangs alle über die Aussage, dass man am Ende der Fortbildung Freunde fürs Leben gefunden haben werde, nur ein Augenrollen übrighatten, müssen doch zum Schluss auch die stärksten Kritiker zugeben, dass es der Wahrheit entspricht. Daher überrascht es nicht, dass uns am letzten Abend beim Gedanken an die Heimreise die Tränen in den Augen stehen.
Danke an die DGIM für die fantastische Fortbildung, die Möglichkeit, so viele außergewöhnliche Menschen kennenzulernen, und nicht zuletzt danke an die Schwedische Internisten Gesellschaft für die Organisation der Woche. Was uns bleibt und was wir mitnehmen, sind das Gelernte, der neue Schwung und Energie, die Freundschaften, der Post-ESIM-Blues und das Versprechen, sich bald wiederzusehen.
Dr. med. Lejla Kadric
Info
Die ESIM führt jährlich eine Winter- und eine Summerschool durch. Für diese Veranstaltungen vergibt die DGIM jeweils bis zu 6 Stipendien, die angehenden Internistinnen und Internisten die Teilnahme ermöglichen. Die Interessenten sollten sich in der zweiten Phase ihrer Weiterbildung befinden und DGIM-Mitglied sein.
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