Gegen das Vergessen: Eine neue Website zur DGIM in der NS-Zeit

Seit Mai präsentiert die DGIM eine neue Website zu ihrer Geschichte: www.dgim-history.de. Hier wird der in der NS-Zeit verfolgten Mitglieder gedacht, zudem der Menschen, an deren Misshandlung DGIM-Mitglieder beteiligt waren. Erinnert wird auch an den Widerstand gegen das NS-Regime.

Der prominente Boxer Johnny Bamberger wurde für Salzwassertrinkversuche missbraucht. (© Herbert Spaich: Fremde in Deutschland. Unbequeme Kapitel unserer Geschichte, Beltz, Weinheim 1981, S. 45)

Seit Mai präsentiert die DGIM eine neue Website zu ihrer Geschichte: www.dgim-history.de. Hier wird der in der NS-Zeit verfolgten Mitglieder gedacht, zudem der Menschen, an deren Misshandlung DGIM-Mitglieder beteiligt waren. Erinnert wird auch an den Widerstand gegen das NS-Regime. Die auf der Website einsehbaren Biogramme basieren auf Forschungen, mit denen die DGIM die Historiker Professor Dr. Hans-Georg Hofer (Münster) und Privatdozent Dr. Ralf Forsbach (Köln) beauftragt hat. Ihre Ergebnisse sind bereits in einer Ausstellung während des DGIM-Kongresses 2015 in Mannheim und in einer Monographie 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt worden.

Geschichte lässt sich in nüchternen Zahlen abbilden, auch die Geschichte der DGIM. 1932, im letzten Jahr der Weimarer Republik, feierte die Fachgesellschaft der Internisten mit ihren 1223 Mitgliedern (darunter 15 Frauen) ihr 50-jähriges Bestehen. In den folgenden Jahren verlor sie unter der nationalsozialistischen Diktatur etwa ein Fünftel dieser Mitglieder: Rund 250 jüdische Ärztinnen und Ärzte wurden in die Flucht getrieben und emigrierten, zahlreiche von den Schergen des Regimes ermordet. Einzelne Verfolgte entschlossen sich zum Suizid. Nur wenige Internisten gingen in Opposition und Widerstand.

Hinter den wichtigen Zahlen und der für das geschichtliche Verständnis ebenso bedeutsamen Darstellung der politischen und organisatorischen Strukturen geraten die individuellen Schicksale häufig in Vergessenheit. Um dem entgegenzuwirken, eignet sich das Internet in besonderer Weise. Wer nach Informationen über eine bestimmte Person sucht, kann diese dort rasch ermitteln. Präsentiert werden neben einem biographischen Text je nach Forschungsstand Fotos, zeitgenössische Filme, in Rundfunk und Fernsehen ausgestrahlte Dokumentationen sowie Aufzeichnungen von Zeitzeugeninterviews. Selbstverständlich sind Verweise auf archivalische Quellen und Literatur sowie Links zu hilfreichen anderen Websites.

Wer grundsätzlich einen Überblick über das Leben von Emigranten, Opfern medizinischen Unrechts, auf andere Weise Unterdrückten, Widerständlern und auch Tätern gewinnen will, kann dies auf der Website ebenfalls tun. Entsprechende Rubriken wurden eingerichtet. Die größte Rubrik umfasst die zur Flucht gezwungenen DGIM-Mitglieder. Eine der vielen eindrucksvollen und oft erschütternden Lebensläufe beschreibt Flucht und Remigration des zuletzt in Würzburg lehrenden Klinikdirektors Ernst Wollheim (1900–1981). Seine beiden Söhne, die Medizinprofessoren Frank und Claes Wollheim, kamen 2019 eigens nach Wiesbaden, um von ihren Erinnerungen zu berichten. Die Zeitzeugeninterviews sind nun auf der Website „Gedenken und Erinnern“ zu sehen.


Audios und Videos gehören zum Angebot der Website

Publizistisch große Beachtung fand zuletzt das Schicksal des nach London emigrierten Berliner Internisten Alfred John Alexander, dessen Familienleben auf seinem Landsitz am Glienicker See auf privaten 16-mm-Filmen dokumentiert ist. Ausschnitte sind über Links ebenso zu sehen wie ein 2019 entstandenes Radiofeature und ein Dokumentarfilm des RBB aus dem Jahre 2017.

Hervorzuheben ist, dass auf der Website auch von Medizinverbrechen Betroffener gedacht wird. Zu ihnen zählen die über 40 Sinti und Roma, die im KZ Dachau zu Salzwassertrinkversuchen genötigt wurden. Mitverantwortlich hierfür waren der letzte DGIM-Vorsitzende der NS-Zeit, Hans Eppinger und sein Assistent Wilhelm Beiglböck, von 1956 bis 1962 Mitglied des DGIM-Ausschusses. Auch diese zu den Tätern gerechneten Internisten werden porträtiert, um Verantwortlichkeiten deutlich zu markieren.

Wir freuen uns über weitere Informationen

Ein Vorteil der fortlaufend gepflegten Website wird es sein, neu gewonnene Erkenntnisse einarbeiten zu können. Weitere Recherchen in Archiven des In- und Auslands finden statt, Mitteilungen aus den Reihen der Nutzerinnen und Nutzer werden erwartet. Wer Anmerkungen, Korrekturen und zusätzliche Erkenntnisse mitzuteilen hat, ist herzlich gebeten, sich unter der Emailadresse rforsbach@dgim.de zu melden. Auf diese Weise können nicht nur die bestehenden Biogramme verbessert, sondern auch weitere Personen aufgenommen werden. Das Portal umfasst in der Startphase mehr als 100 Biogramme; diese Menge wird sich im Laufe der Zeit erheblich erweitern. Infos: www.dgim-history.de