https://www.klug-entscheiden.com/empfehlungen/haematologie-und-medizinische-onkologie
Die diagnostischen und therapeutischen Weiterentwicklungen in der Onkologie sind rasant und selbst Spezialisten verlieren schnell den Überblick. Hierbei kann die Klugentscheiden-Initiative der DGIM helfen, die sich gegen Über- und Unterversorgung wendet. Zwölf Fachgesellschaften nehmen an der Initiative unter dem Dach der DGIM teil und haben praktische Empfehlungen erstellt. Die Klug entscheiden-Empfehlungen aus der Onkologie und Hämatologie wollen das Zusammenspiel von Fachärzten, Hausärzten und Patienten stärken.
Anhand des Fall-Beispiels einer 85-jährigen Patientin mit einem großen Hirntumor, einem Glioblastom, geht Dr. med. Marcel Schorrlepp, Sprecher der AG Hausärztliche Internisten, in der Fachzeitschrift MMW auf die Positiv- und Negativ-Empfehlungen von „Klug entscheiden“ ein und spannt einen Bogen zur Hausarztpraxis.
Eine von fünf Positiv-Empfehlungen lautet zum Beispiel: „Die Chancen und Risiken der Therapie müssen dem Patienten verständlich gemacht werden. Die Therapiestrategie soll unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen festgelegt werden.“
Dr. Schorrlepp übersetzt das für die Hausarztpraxis wie folgt: „In der Hausarztpraxis sollen wir unsere Patienten bestärken, sich Vor- und Nachteile einer Therapie, die Ansprechwahrscheinlichkeiten und die Nebenwirkungen klar erläutern zu lassen“. Dazu gehörten unter anderem Fragen wie: Was sind die Ergebnisse einer Primärtherapie? Was bewirkt eine Second-line- oder Third-line-Therapie? Wie oft muss ich zur Therapie in die Klinik? Mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen? Wichtig dabei sei, dass alle Gespräche ergebnisoffen geführt werden sollten.
Eine von insgesamt fünf Negativempfehlungen sieht vor: Eine spezifische Therapie bei Patienten mit soliden Tumoren soll nicht durchgeführt werden, wenn alle der folgenden Kriterien vorliegen: a) schlechter Allgemeinzustand (WHO/ ECOG > 2), b) kein Ansprechen bei vorherigen evidenzbasierten Tumortherapien, c) keine harte Evidenz, die den klinischen Nutzen weiterer Tumortherapie unterstützt.
Klug entscheiden
Nicht zu viel und nicht zu wenig
Über- und Unterversorgung sind immer wieder ein Problem im deutschen Gesundheitswesen. „Klug entscheiden“ ist eine von der DGIM initiierte Qualitätsinitiative zur Stärkung der Indikationsqualität. Unter dem Dach der DGIM setzen sich Internistinnen und Internisten dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient genau die Diagnose- und Behandlungsangebote erhält, die für sie im Rahmen einer optimalen Versorgung die richtigen sind – nicht mehr und nicht weniger. Hierzu erarbeiten die Schwerpunkte und assoziierten Fachgesellschaften der Inneren Medizin regelmäßig Positiv- und Negativempfehlungen, die von der Konsensus-Kommission Klug entscheiden der DGIM begutachtet und nach Revision verabschiedet werden. Ein wesentliches Ziel der DGIM ist die kontinuierliche und nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versorgung. Während die aktuellen Maßnahmen der Qualitätssicherung von politischer Seite auf Struktur- und Ergebnisqualität fokussiert sind, möchte die DGIM mit ihrer Qualitätsoffensive „Klug entscheiden“ auf die Relevanz der Indikationsqualität hinweisen und diese sicherstellen. Schließlich kann ein Behandlungsergebnis nur dann als wirklich gut betrachtet werden, wenn auch die Indikation stimmt.
„Klug entscheiden“ identifiziert wichtige evidenzbasierte Maßnahmen der Diagnostik und Therapie, die häufig nicht fachgerecht erbracht werden. Darunter versteht man einerseits wissenschaftlich belegte diagnostische/therapeutische Maßnahmen, die zu selten angeboten werden (Unterversorgung) und andererseits Leistungen, die erbracht werden, obwohl sie wissenschaftlich für die individuelle Situation als unwirksam erkannt wurden und deshalb nicht angewendet werden sollten (Überversorgung). Die Initiative der DGIM ist inspiriert durch das amerikanische Choosing-Wisely-Programm, das 2012 vom American Board of Internal Medicine (ABMI) ins Leben gerufen wurde.
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„Als Hausärztin und Hausarzt kennen wir unsere Patienten seit Jahren“, kommentiert Dr. Schorrlepp. „Den Allgemeinzustand können wir üblicherweise abschätzen. Zusätzlich ist es ratsam und notwendig, einen Score heranzuziehen, z. B. den WHO/ ECOG Performance Status.“ Vorerkrankungen und Alter zu berücksichtigen sei das eine, wie gut die häusliche Versorgung ist, das andere. „Als Hausärzte müssen wir alle Lebensbedingungen prüfen und in die Therapieentscheidung einfließen lassen.“ So habe zum Beispiel die o. g. Patientin durch den Hirntumor und die darauffolgende Operation die Kraft und die Fähigkeiten verloren, ihr bisheriges Leben in der gewohnten Weise fortzuführen. „Die Einschätzung des Allgemeinzustandes unserer Patientin vor der Erkrankung war eine andere als nach der Operation“, so Schorrlepp. Dies gelte es bei der Therapieentscheidung ebenso zu berücksichtigen wie verlängerte Erholungszeiten bei älteren Menschen.
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